De Maizières gefährliche Mission im Skandal-Ministerium Merkels gefallener Musterknabe
29.05.2013, 13:05 Uhr
Ist de Maizière noch zu retten?
(Foto: picture alliance / dpa)
Er galt als enger Vertrauter Angela Merkels. Viele sahen in Thomas de Maizière sogar einen möglichen Kandidaten für ihre Nachfolge. Doch die millionenschwere Drohnen-Affäre macht aus dem Hoffnungsträger einen Skandal-Minister. Sogar über einen möglichen Ersatzmann wird schon spekuliert.
Nein, Schläge gab es wohl nie im Hause de Maizière. Streng war Vater Ulrich, einst Generalinspekteur der Bundeswehr, auf seine ganz eigene Weise. Wie Sohn Thomas in seinem Buch "Damit der Staat den Menschen dient" erzählt, wurde er als Kind stets penibel ausgefragt, wann immer er einen Streich begangen hatte. Das, was der kleine Steppke angestellt hatte, war de Maizière senior dabei oft egal. Er wollte, dass dieser lernte, Fehler einzugestehen und für etwas geradezustehen.
Am 5. Juni muss Thomas de Maizière wieder vor ein Tribunal treten. Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses werden ganz genau hinhören, wenn der oberste Dienstherr der Bundeswehr zu ihnen spricht. Im Mittelpunkt seines Auftritts im Raum 2700 des Paul-Löbe-Hauses steht die Drohnen-Affäre. Es ist allerdings wenig wahrscheinlich, dass de Maizières Version die Anwesenden versöhnlich stimmen kann. Nie zuvor stand der Minister so heftig in der Kritik wie in den vergangenen zwei Wochen. Der Skandal passt so gar nicht zu de Maizières bisherigem Image.
Dass sich Monate vor der Wahl ausgerechnet er in einen solchen Skandal verstrickt, kommt den Oppositionsparteien gelegen. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold bescheinigt ihm ein miserables Krisenmanagement. "De Maizière hatte immer den Ruf ein guter Administrator zu sein, aber derzeit passt nichts zusammen", sagte er n-tv.de. Sogar aus dem Lager des liberalen Koalitionspartners muss der 59-Jährige tadelnde Worte einstecken.
Schavan, Jung, Röttgen, Guttenberg und ...
De Maizière soll verantwortlich sein für den größten Rüstungs-Flop der vergangenen Jahrzehnte. Zwar stammt der "Euro Hawk", eines der wichtigsten Rüstungsprojekte der Bundeswehr, noch aus rot-grünen Regierungszeiten, aber das Scheitern fällt nun in seine Amtszeit. Mit Verweis auf die zu hohen Kosten hatte der Minister Mitte Mai das knapp 600 Millionen Euro teure Projekt gestoppt. Aber wie jetzt bekannt wird, waren die Probleme mit der Aufklärungsdrohne lange bekannt. Schon 2004 sollen Flugsicherung, Industrie und die Zulassungsstelle der Bundeswehr auf den fehlenden Kollisionsschutz hingewiesen haben. Die Affäre um den "Euro Hawk" wurde in den vergangenen Tagen immer undurchschaubarer. Aber die Zweifel am Bundesverteidigungsminister bleiben. Die Opposition wirft ihm vor, hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt zu haben.

Die Probleme mit der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" sollen seit Jahren bekannt sein.
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Viele Minister aus dem schwarz-gelben Kabinett stolperten in den vergangenen vier Jahren über Skandale. Doch dieser Fall ist pikant. Er ist anders als die Turbulenzen um Annette Schavan, Franz-Josef Jung, Norbert Röttgen oder Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Affäre um de Maizière trifft die Kanzlerin besonders hart. Denn der Jurist aus Bonn galt bisher als geräuschloser Macher, als treuer Musterknabe und als enger Vertrauter von Angela Merkel. Als West-Berater empfahl er 1990 seinem Vetter Lothar de Maizière, dem ersten frei gewählten DDR-Ministerpräsidenten, eine noch unbekannte junge Frau zur stellvertretenden Regierungssprecherin zu machen: Merkel.
Die bedankte sich 2005. Als neu gewählte Bundeskanzlerin installierte sie de Maizière zunächst als Kanzleramtschef. Nach dem Ende der Großen Koalition wurde er Innenminister, zwei Jahre später Verteidigungsminister. Ein grandioser Aufstieg eines Mannes, auf den immer Verlass zu sein schien. Viele trauten de Maizière sogar die Nachfolge auf dem Posten des Regierungschefs zu. Dass ausgerechnet er einmal ernsthaft in Bedrängnis geraten würde, war undenkbar. Bis Mitte Mai 2013, als die Sache mit der Aufklärungsdrohne bekannt wurde.
Das schwierige Ministerium
Dass er sich auf einen heiklen Posten einlässt, hätte de Maizière schon 2011 wissen müssen. Der Einzug in den Bendlerblock ist seit jeher mit besonderen Risiken verbunden. Die durchschnittliche Amtszeit der 16 deutschen Verteidigungsminister beträgt nur dreieinhalb Jahre. Fünf der sieben unmittelbaren Vorgänger de Maizières traten wegen Affären oder anderen Fehlleistungen zurück. Besonders in Erinnerung ist das Beispiel Rudolf Scharping. Mit dem Kosovo-Konflikt und Afghanistan verantwortete er in seiner Amtszeit gleich zwei umstrittene Auslandseinsätze. Ansehen und Amt kosteten ihn aber andere Affären. Unter anderem erhielt er Honorare von einem Unternehmensberater. Einige Monate vor der Bundestagswahl 2002 entließ der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder den früheren SPD-Chef. Es war eine dankbare Gelegenheit, den einstigen Rivalen loszuwerden.
Bei de Maizière ist die Lage anders. Laut Forsa ist die Mehrheit der Deutschen gegen seinen Rücktritt. Dass Merkel ihn kurz vor der Wahl fallen lässt, ist eigentlich wenig wahrscheinlich. Ihr Verteidigungsminister leistete sich bisher kaum Fehler. In einem Interview beklagte er im Februar, die deutschen Soldaten sollten aufhören, nach öffentlicher Anerkennung zu "gieren". Aber war er stets loyal und vor allem skandalfrei. "Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in Bundesminister de Maizière", erklärte Regierungssprecher Georg Streiter in der vergangenen Woche.
Deutsch-Schotte im Wartestand
Eine Jobgarantie mit fadem Beigeschmack: Schließlich erklärten in der Vergangenheit schon andere Minister ihren Rücktritt, nachdem Merkel ihnen kurz zuvor mit genau demselben Satz vermeintlich den Rücken gestärkt hatte. Vier Jahre Schwarz-Gelb zeigen: Wenn einer ihrer Untergebenen zur Belastung wird, kennt die Kanzlerin keine Gnade. Der Drohnen-Skandal bietet jene Angriffsfläche, die Merkel besonders im Wahlkampf gern vermeidet. Sorgen um mögliche Nachfolger für de Maizière müsste sich die Kanzlerin aber offenbar nicht machen. Denn Spekulationen um den Chefsessel im Bendlerblock gibt es bereits.
So heißt es aus niedersächsischen Unionskreisen, dass David McAllister nach einem Wahlsieg im September die perfekte Option für den Posten des Verteidigungsministers sei. Der Deutsch-Schotte wurde im Januar als niedersächsischer Ministerpräsident abgewählt und ist seitdem beschäftigungslos. Viele trauen ihm eine große Zukunft in der Politik zu. McAllister sollte sich das allerdings gut überlegen. Im Bendlerblock können selbst kleine Fehlleistungen zum Fallstrick werden.
Aber noch leitet de Maizière die Geschicke im Verteidigungsministerium. Über die Standpauken seines inzwischen verstorbenen Vaters sagt er: "Das Entscheidende war, wie ich damit umging. Ich musste klarmachen, dass es mir leidtat. Da war er gänzlich unerbittlich." Die Erziehung habe ihn geprägt. "Ohne Fehler gibt es kein Richtig. Ohne Kritik ist Lob nicht wirksam." Wie gut er wirklich mit Patzern umgeht, kann de Maizière Junior in der kommenden Woche unter Beweis stellen.
Quelle: ntv.de