Politik

Schäuble braucht ein dickes Fell Haushaltsstreit eröffnet den Herbst

Wolfgang Schäuble findet, er hat einen soliden Haushalt entworfen.

Wolfgang Schäuble findet, er hat einen soliden Haushalt entworfen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Bundestag gehen die Lichter wieder an. Nach der Sommerpause muss die Regierung verteidigen, wozu sie sich für das kommende Jahr Geld vom Parlament bewilligen lassen will. Finanzminister Schäuble legt einen Etat vor, der schlanker ist als der im Jahr zuvor. Damit müssten die Abgeordneten doch zufrieden sein - denkt er.

Haushalt: Wer kriegt mehr, wer weniger?

Bundeskanzleramt: 1,95 Mrd. (-10,34 Mio.)
Finanzen: 4,995 Mrd. (+0,39 Mrd.)
Umwelt: 1,65 Mrd. (+54,72 Mio.)
Bildung und Forschung: 13,75 Mrd. (+800 Mio.)
Gesundheit: 12,49 Mrd. (-2 Mrd.)
Entwicklung: 6,42 Mrd. (+37,5 Mio.)
Auswärtiges Amt: 3,46 Mrd. (+128 Mio.)
Verteidigung: 33,28 Mrd. (+1,41 Mrd.)
Wirtschaft: 6,18 Mrd. (+71,6 Mio.)
Arbeit und Soziales: 118,74 Mrd. (-7,4 Mrd.)
Landwirtschaft und Verbraucherschutz: 5,26 Mrd. (-20 Mio.)
Familie: 7,13 Mrd. (+338 Mio.)
Justiz: 595,40 Mio. (+87,13 Mio.)
Inneres: 5,84 Mrd. (+355 Mio.)
Verkehr und Bau: 25,72 Mrd. (+231,75 Mio.)

Bundespräsident: 32,24 Mio. (+1,5 Mio.)
Bundestag: 726,26 Mio. (+32,27 Mio.)
Bundesrat: 22,81 Mio. (+1,07 Mio.)
Bundesverfassungsgericht: 45,13 Mio. (+15,18 Mio.)
Bundesrechnungshof: 132,85 Mio. (+10,1 Mio.)
Schuldendienst: 31,67 Mrd (-2,54 Mrd.)
Finanzverwaltung: 20,5 Mrd. (-2,13 Mrd.)

Es ist die große Kunst der politischen Rede. Je nachdem, auf welcher Seite man steht, gilt es, ein und denselben Sachverhalt positiv oder negativ darzustellen. Paradebeispiele dafür gibt es auch heute im Bundestag wieder zu bewundern. Da legen die Parlamentarier nach der Sommerpause einen Kaltstart hin und beraten über den Haushalt für 2013 und die weitere Finanzplanung bis zum Jahr 2016.

Nun ist letzteres eher virtuell, denn zwischen heute und 2016 liegt ja noch eine Wahl. Wer weiß, ob dann noch einmal Angela Merkel und ihre Koalition den Regierungsauftrag bekommen. Und weil das naturgemäß die Opposition verhindern will, ist der Deutungskampf um den Haushalt heftig.

Die einen sagen so, die anderen so

Glaubt man Finanzminister Wolfgang Schäuble, dann zeigt der Entwurf, dass sein Kabinett solide und sparsam wirtschaftet. 302,2 Milliarden Euro will Schwarz-Gelb nächstes Jahr ausgeben - das sind 10,5 Milliarden weniger als in diesem. Zudem sei es gelungen, die Neuverschuldung des Bundes zurückzuführen. 2013 muss Deutschland demnach "nur noch" 18,8 Milliarden an Krediten aufnehmen. Im laufenden Jahr werden es wohl 32,1 Milliarden. 2016 will Schäuble ohne neue Schulden auskommen - das ist zuletzt vor über 40 Jahren gelungen. Schon im kommenden Jahr sollen die Grenzen der Schuldenbremse eingehalten werden - drei Jahre früher als erforderlich. In den Augen von Schwarz-Gelb ist das eine Erfolgsgeschichte.

Glaubt man dagegen der SPD, ist der Haushalt nicht weniger als eine "Katastrophe" und ein "Armutszeugnis". So sieht es zumindest der Fraktionsgeschäftsführer, Thomas Oppermann, der schon vor Eröffnung der Debatte wetterte. "In dem Jahr, wo wir die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten haben, muss die Bundesregierung deutlich mehr als zehn Prozent ihrer Ausgaben mit frischen Krediten finanzieren." Für die Konsolidierung könne Schwarz-Gelb nichts. Und aus dem Geldsegen - allein durch unerwartet niedrige Zinsen stünden pro Jahr 10,7 Milliarden zur Verfügung - mache die Regierung zu wenig. Sie verbrauche den Vorsprung, den das Land habe.

"Auswege für Feiglinge"

Und damit sind die Argumente auch schon vor der Debatte ausgetauscht. Im Plenum wird dennoch die Gelegenheit genutzt, weiter Gift und Galle zu spucken. SPD-Finanzexperte Joachim Poß etwa wird persönlich: Schäuble "stehe für soziale und gesellschaftspolitische Ignoranz", weil er Kürzungen bei Arbeitslosen und sozial Schwachen durchwinke, Vermögende aber schone. Der fast 70-Jährige sei sichtlich "überfordert", "nicht mehr auf der Höhe der Zeit", er habe "versagt". Merkel und Schäuble verließen sich zu sehr auf die EZB, statt aus eigener Initiative den Euro zu retten. "Sie suchen immer den Ausweg für Feiglinge statt sich zu stellen. Das ist ein historisches Versagen", sagt Poß.

Die Union ist entsprechend entrüstet ob "dieser Beleidigungen", wie CDU-Finanzfachmann Norbert Barthle beklagt. Ansonsten versucht Schwarz-Gelb, den großen Bogen zu spannen. Schäuble sagt: "Unser Land ist insgesamt krisenresistenter geworden."  Und das bei einer Wirtschaftsentwicklung, die sich etwas abschwäche. Schäuble warnt erneut vor einem "lockeren Umgang mit der Bank-Notenpresse" zur Lösung der Euro-Schuldenkrise. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank müsse akzeptiert und verteidigt werden. Daran führe keine bequemer Ausweg vorbei.

Steuerabkommen wackelt

Zudem verteidigt er die steuerpolitischen Pläne seiner Regierung. Das Steuerabkommen mit der Schweiz sei in der Form richtig, weil Deutschland dem Nachbarn damit nicht diktiere, wie Vermögen richtig zu besteuern seien. Der Ankauf von Steuer-CDs müsse eine Ausnahme bleiben, da das eine "Perversion des Rechtsstaats" darstelle.

Das umstrittene Abkommen mit der Schweiz steckt in der Sackgasse, für manche ist es sogar schon tot. SPD und Grüne - die das Vorhaben im Bundesrat blockieren können - monieren, die mutmaßlichen Steuerhinterzieher kämen zu günstig davon. Sie fordern substanzielle Anpassungen des 2011 ausgehandelten, aber noch nicht ratifizierten Abkommens. Die Schweiz lehnt Nachverhandlungen dagegen ab. Beharren beide Seiten auf ihren Positionen, dürften SPD und Grüne das Abkommen im Bundesrat im Herbst endgültig zu Fall bringen.

Jetzt geht es in die Details

Unterschiedliche Ansichten gibt es auch in der Frage, ob und wie Reiche stärker zu Kasse gegeben werden sollte. Der Finanzminister findet, das deutsche Steuersystem sei gerecht genug. Eine stärkere Umverteilung müsse nicht sein. Widerspruch kommt prompt von den Linken. Vize-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte: "Deutschland hat ein Einnahmeproblem: Vermögen müssen stärker besteuert werden." Er führt an: Die Zahl der Deutschen, die über ein Vermögen von über einer Million Euro verfüge, steige jedes Jahr. 924.000 gebe es schon. Da müsse man mal ran, "das würde Einnahmen generieren". Dass er das auch für Griechenland fordert, wird ihm in Athen nicht neue Freunde bescheren.

Das riecht nach Ärger. So wie die 22 Einzelpläne, die Schäubles Entwurf umfasst. Stück für Stück werden sie in den kommenden Tagen durchgesprochen. Und dabei ist das erst die erste von drei Lesungen. Da gibt es viel zu diskutieren. Etwa, dass der Verteidigungshaushalt massiv steigen wird, um ganze 1,4 Milliarden Euro. Grundsatzdebatten wird es auch um die Ausstattung des Familienministeriums geben: 300 Millionen Euro sollen in die Finanzierung des höchst umstrittenen Elterngelds fließen.

Strittig wird auch sein, zu welchem Preis Schäuble die selbst gesteckten Verschuldungsziele einzuhalten gedenkt. So zapft Schäuble die prall gefüllten Sozialkassen an, 5 Milliarden Euro gehen hier ab. Auch den Etat für das Gesundheitsressort will die Bundesregierung senken - dagegen laufen die Grünen Sturm. Genauso wie gegen in ihren Augen mangelnde Investitionen für die Energiewende. Es wird denn auch noch bis zum 25. November dauern, bis die Finanzplanung für das kommende Jahr steht. Das gibt noch allerhand Gelegenheit, schmutzige Wäsche zu waschen. Und um sich in der Kunst der politischen Rede zu üben.

Quelle: ntv.de, mit cro/dpa/rts

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