Politik

Ebbelwei-Krieg in der EU Hessen macht mobil

Eine Welle der Empörung rollt durch Hessen: Die EU will im Zuge der anstehenden Weinmarktreform den Begriff "Apfelwein" verbieten. Mit den Worten: "Wir werden mit allen Mitteln für unseren Apfelwein kämpfen", macht sich Ministerpräsident Roland Koch (CDU) für hessische Traditionen stark. Er ruft alle Bürger seines Bundeslandes auf, sich an Aktionen zur "Rettung unseres Apfelweins" zu beteiligen.

"Ebbelwei muss Ebbelwei bleiben", erklärt auch die hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti. Der Begriff "Apfelwein" sei eingeführt und allseits bekannt: "Regionales Brauchtum darf nicht untergehen." Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) bezeichnet den Vorstoß der EU als "bürokratischen Unsinn". Derartige Sprachspiele würden im Papierkorb landen: "Unser Stöffche heißt seit 250 Jahren Apfelwein und wird auch in 250 Jahren noch so heißen."

Bei Ebbelwei oder Äbbelwoi gibt es keine Opposition, da koaliert alles und jeder miteinander. Nach CDU- und SPD-Politikern erklären deshalb auch FDP und Grüne ihre Trinkfestigkeit: Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn ist der Meinung, die zuständigen EU-Bürokraten können nur nach mehr als zehn Gläsern Apfelwein auf diesen Einfall gekommen sein. Die Ernährungspolitikerin der Grünen im Bundestag, Ulrike Höfken, sieht Irritationen auf die Verbraucher zukommen, sollten die Brüsseler Pläne realisiert werden. Denn dann wären in Zukunft auch Begriffe wie Kirschwein oder Holunderwein verboten.

Nach Angaben der hessischen Staatskanzlei soll mit der geplanten Weinmarktreform innerhalb der Europäischen Union nur noch Wein aus Trauben als "Wein" bezeichnet werden dürfen. Obstweine dagegen dürften diese Bezeichnung nicht mehr tragen. Wie die Staatskanzlei weiter berichtet, hatte der ursprüngliche Entwurf für eine Weinmarktreform noch Ausnahmen für den Apfelwein vorgesehen. In dem jüngsten Vorschlag von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel sei diese Ausnahmeregelung aber überraschend gestrichen worden.

Koch ist "empört und voller Unverständnis". Die geplante Regelung sei unnötig, inakzeptabel und außerordentlich schädlich. "Sie ist eine Missachtung deutscher und hessischer Tradition. In Hessen wird die Kelterung von Äpfeln seit Jahrhunderten betrieben, und seit langem gilt der Apfelwein als hessisches Nationalgetränk. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere traditionelle Bezeichnung der Regelungswut in Brüssel geopfert wird." Außerdem wären auch andere Fruchtweine betroffen, so der Kirschwein in Nordhessen.

Der hessische Ministerpräsident fordert Fischer Boel auf, ihre Vorlage für eine EU-Weinmarktreform zu ändern. "Dem Erfolg der Weinmarktreform tut es keinerlei Abbruch, wenn Brüssel von diesem Unsinn ablässt", erklärt er. Er habe auch Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) eingeschaltet und gebeten, sich für den Erhalt der Bezeichnung "Wein" auch für Getränke aus Früchten einzusetzen.

Hessische Apfelweinproduzenten reagieren mit Entsetzen auf das drohende Verbot des Begriffs. "Apfelwein ist viel mehr als nur ein Getränk - er ist ein großes Stück hessische Identität", betont der Verband der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien, der mit seinen rund 40 Millionen Liter Apfelwein im Jahr einen Umsatz von 28 Millionen Euro macht. Der Verband will mit allen Mitteln gegen das Verbot des Namens Apfelwein kämpfen. "Würde dieser Begriff verboten, hätte das Land Hessen eines seiner bedeutendsten Identifikationsmerkmale verloren."

Außer den 54 großen Apfelwein-Produzenten in Hessen gibt es im Land noch viele kleine und private Keltereien. "Für mich gleicht das einem Angriff auf die hessische Volksseele", empört sich Johanna Höhl, Chefin der gleichnamigen Landkelterei. Es dürfe nicht sein, dass ein so typisch hessisches Produkt wie der Apfelwein auf Grund einer Namensänderung seinen Wert und seine Tradition verliere, erklärt auch der Geschäftsführer der Kelterei Heil, Martin Heil.

Im Gegensatz zu den EU-Plänen hat inzwischen das hessische Wirtschaftsministerium die Position der einheimischen Obstbauern gestärkt. Bislang mussten sie eine Gaststättenkonzession beantragen, wenn sie ihren selbst gekelterten Apfelwein an Ort und Stelle zum Verzehr anbieten wollten. Seit Mitte Oktober müssen die Obst-Kelterer nur noch eine Straußwirtschaft - bekannt in anderen Gegenden als Besenwirtschaft oder Buschenschank - anzeigen. Damit melden sie einen saisonal geöffneten Gastbetrieb an, in dem sie zu bestimmten Zeiten ihren selbst erzeugten Wein direkt verkaufen können.

Eine neue Verordnung des Wirtschaftsministeriums macht dies jetzt möglich, bisher war die Straußwirtschaft nur den Weinbauern erlaubt. "Wir leisten mit dieser Genehmigung langfristig einen wichtigen Beitrag für die touristische Infrastruktur unseres Landes. Außerdem sorgen wir für Bürokratieabbau", so Wirtschaftsminister Alois Rhiel.

Apfelwein wird in der Regel aus einer Mischung verschiedener Apfelsorten gekeltert. Meist hat das Getränk einen Alkoholgehalt von fünf bis sieben Prozent und schmeckt sauer. Schon Griechen und Römer kannten Apfelwein. Frankfurt wurde im 16. Jahrhundert zum Zentrum des Apfelweins in Deutschland, weil Schädlingsbefall und schlechte klimatische Verhältnisse den bis dahin traditionellen Weinanbau in der Region schwierig machten.

Apfelwein ist auch aus anderen europäischen Ländern bekannt, nur heißt er da nicht "Wein": In Frankreich heißt er Cidre, in Großbritannien Cider und in Nordspanien Sidra, an Saar und Mosel wird er auch Viez genannt. Noch. Vermutlich findet die EU-Bürokratie aber auch dafür eine Reglementierung - denn schließlich kommt ja auch im hessischen Apfelwein das Wort WEIN gar nicht vor: Kein Mensch verlangt dort "Apfelwein", sondern immer nur Ebbelwoi, Äppelwoi, Äbbelwoi, Öbbelwoi, Ebbelwei, Äppler oder Stöffche. Wer Apfelmost verlangt, outet sich als Nichtkenner.

Quelle: ntv.de, AP/dpa

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