Auflösungstendenzen in Syrien Hoher Beamter setzt sich ab
05.01.2012, 13:35 Uhr
Demonstranten protestieren bei Homs gegen Assads Regime.
(Foto: REUTERS)
In Syrien gibt es immer stärkere Absetzungstendenzen. Ein hochrangiger Beamter flieht mit seiner Familie ins Ausland und kritisiert scharf das Regime. Die Mitglieder des Kabinetts seien "Gefangene, die ohne Begleitung der Sicherheitskräfte keinen Schritt mehr machen dürfen". Viele Minister wollten sich lossagen. Die Arabische Liga gesteht indes Fehler ein.
Das syrische Regime zeigt erste Auflösungserscheinungen. Arabische Fernsehsender strahlten Interviews mit dem obersten Finanzkontrolleur des Ministerpräsidenten und des Verteidigungsministeriums, Mahmud al-Hadsch Hamad, der sich nach Ägypten abgesetzt hat.
Der ehemalige hochrangige Regierungsbeamte kritisierte das Regime von Präsident Baschar al-Assad massiv: "Die Verantwortung für die Gewalt gegen Demonstranten liegt bei den Sicherheitskräften und zwar konkret beim Militärgeheimdienst, bei der Direktion des Allgemeinen Geheimdienstes und beim Geheimdienst der Luftwaffe."
Die Regierung hat nach Darstellung von Al-Hadsch Hamad damit nichts zu tun. Die Mitglieder des Kabinetts seien "Gefangene, die ohne Begleitung der Sicherheitskräfte keinen Schritt mehr machen dürfen". Viele Minister wollten sich vom Regime lossagen, sie harrten aber aus, weil sie Angst hätten, dass ihren Angehörigen dann etwas angetan werden könnte. Das Gleiche gelte für viele führende Offiziere. Wie sich Al-Hadsch Hamad mit seiner Familie nach Kairo absetzen konnte, wurde nicht gesagt.
Regimegegner berichteten, am Donnerstag hätten die Sicherheitskräfte bis zum Mittag zehn Menschen getötet. Die meisten Todesopfer habe es in Deir as-Saur nahe der irakischen Grenze gegeben. Unter den Toten sei ein Polizist, der aus Protest gegen die Schüsse auf Demonstranten den Dienst quittiert habe. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Proteste gegen Assad im März mehr als 5000 Menschen getötet.
Arabische Liga erkennt "Fehler"

Oppositionelle tragen den Leichnam von Fawaz Al Mahameed. Regierungskräften hatten den Mann bei Homs getötet.
(Foto: REUTERS)
In der Arabischen Liga wächst indes das Unbehagen mit Blick auf die nach Syrien entsandte . Die Liga habe bei der erstmaligen Entsendung von Beobachtern in ihrer Geschichte "einige Fehler" begangen, sagte Katars Regierungschef Scheich Hamad bin Dschassem al-Thani laut der kuwaitischen Nachrichtenagentur Kuna bei einem Besuch bei der UNO in New York. Er traf dort UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, um "technische Hilfe" zu erfragen und sich über die Erfahrungen der UNOin diesem Bereich zu informieren.
Ein UN-Sprecher sagte, Ban und Al-Thani hätten "praktische Maßnahmen besprochen, durch die die Vereinten Nationen die Beobachtermission der Arabischen Liga in Syrien unterstützen könnten". "Das ist die erste derartige Erfahrung für uns", sagte der katarische Regierungschef laut Kuna. Die Beobachter hätten ihr Bestes gegeben. Er sehe aber, "dass es Fehler gibt." Deshalb brauche die Liga nun "die Erfahrung der UNO".
Der katarische Regierungschef ließ offen, welche Fehler von der Mission gemacht wurden. Die syrische Opposition hatte kritisiert, dass die Beobachter sich bei ihrem Einsatz zu sehr von den Sicherheitsbehörden steuern ließen und dass trotz ihrer Anwesenheit hunderte Menschen getötet worden seien. Al-Thani, der die Task Force der Liga zu Syrien leitet, betonte allerdings, es sei auch nicht Aufgabe der Beobachter, "das Töten zu beenden." Dem Konflikt könne nur Syriens Präsident Baschar al-Assad ein Ende setzen.
Minister der Arabischen Liga wollen am Samstag über die Zukunft der Mission beraten. Al-Thani zufolge geht es dabei darum, ob die Mission fortgesetzt werden kann oder nicht. Seit Beginn der Proteste gegen Assad im März wurden nach UN-Angaben mehr als 5000 Menschen getötet, die Aufständischen gehen von mehr als 6150 Toten aus.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa