Präsidentenwahl in Frankreich Hollande und Sarkozy im Zweikampf
22.04.2012, 22:55 Uhr
Hollande und Sarkozy - beide werden bis zum 6. Mai kämpfen.
(Foto: Reuters)
Noch einmal fünf Jahre Sarkozy oder doch lieber der bodenständige, aber blass wirkende Sozialist Hollande? Aus der ersten Runde der französischen Präsidentenwahl geht der Herausforderer als Sieger hervor. Überraschend stark ist die rechtsextreme Kandidatin Le Pen. Alles deutet nun darauf hin, dass Hollande Sarkozy auch in der Stichwahl in zwei Wochen schlagen kann.
In Frankreich zeichnet sich ein historischer Wahlsieg der Sozialisten ab: Die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewann laut Hochrechnungen der Sozialist François Hollande vor dem konservativen Staatschef Nicolas Sarkozy. Da Hollande für die Stichwahl am 6. Mai ein großer Vorsprung vorhergesagt wird, könnten die Sozialisten erstmals wieder seit 1988 eine Präsidentenwahl für sich entscheiden.
Hollande kam nach Angaben des Innenministeriums nach Auszählung von fast vier Fünftel der Stimmen auf 28 Prozent, der konservative Amtsinhaber Nicolas Sarkozy auf 26,9 Prozent. Der Vorsprung in der ersten Runde gilt als psychologisch wichtig, um bis zur Stichwahl zusätzliche Wähler mobilisieren zu können. In der zweiten Runde sehen alle Umfragen den 57-jährigen Sozialisten mit rund zehn Prozentpunkten vor dem konservativen Präsidenten, der 2007 noch rund 31 Prozent in der ersten Runde erzielt hatte und zum Ende seiner Amtszeit unbeliebter ist als alle seine Vorgänger.
Die Überraschung des Wahlsonntags war jedoch die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen: Sie kam mit 19 Prozent auf den dritten Platz und gewann damit deutlich mehr Stimmen als die ihr vorhergesagten 16 Prozent. Der Linkskandidat Jean-Luc Mélenchon kam auf 11,7 Prozent und blieb damit hinter den ihm vorhergesagten Stimmanteilen zurück. Der Zentrumspolitiker François Bayrou erzielte 8,8 Prozent.
Zweiter Wahlgang am 6. Mai
Trotz eines guten Abschneidens im ersten Wahlgang ist der Sieg Hollandes beim zweiten Wahlgang am 6. Mai aber noch keineswegs sicher. Entscheidend ist, wie die Wähler jener acht Kandidaten, die es nicht ins "Finale" schafften, dann abstimmen. Wichtig ist unter anderem, wie die Wähler von Le Pen im zweiten Wahlgang abstimmen. Inwieweit ihr Wählerpotenzial im zweiten Wahlgang Sarkozy zugute kommt, gilt als ungewiss.
Von allen Staatsoberhäuptern der EU hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und bestimmt die Verteidigungs- und Außenpolitik. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat. Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und ernennt die wichtigsten Staatsämter. Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.
Von den wichtigeren Bewerbern hat bislang nur der Chef der kommunistisch orientierten Linksfront, Mélenchon angekündigt, dass er seinen Anhängern bei einem Ausscheiden in der ersten Runde die Wahl von Hollande empfehlen werde. Der Zentrumspolitiker Bayrou ließ zunächst offen, ob er seinen Wählern eine Empfehlung für die Stimmabgabe im zweiten Wahlgang geben werde. Bis zur Stichwahl wird es für Hollande und Sarkozy nun darum gehen, die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten für sich zu gewinnen.
Demonstrativer Urnengang
Alle zehn Kandidaten für das Präsidentenamt hatten bereits bis zum Mittag ihre Stimme abgegeben: Hollande ging zusammen mit seiner Lebensgefährtin Valérie Trierweiler in Tulle in der zentralfranzösischen Corrèze wählen, wo der Sozialist seine politische Heimat hat. Hollande hatte im Wahlkampf mehrfach daran erinnert, dass erstmals wieder seit Präsident François Mitterrand die Chance für die Sozialisten bestehe, das Präsidentenamt zu übernehmen. Sarkozy stimmte zusammen mit seiner Frau Carla Bruni-Sarkozy im schicken 16. Arrondissement von Paris ab.
Die Wahllokale schlossen in den meisten Orten um 18.00 Uhr, in den Großstädten konnte bis 20.00 Uhr gewählt werden. Überraschend hoch war die Wahlbeteiligung, die nach Schätzungen der Institute rund 80 Prozent erreichen dürfte. Die Wahlbeteiligung würde damit zwar etwas niedriger als bei der besonders starken Beteiligung vor fünf Jahren liegen, aber deutlich höher als im Jahr 2002, als mit 71,6 Prozent ein Negativ-Rekord aufgestellt wurde. Rund 44,5 Millionen Franzosen waren zu der Wahl aufgerufen.
Umgang mit der Krise
Dominierendes Wahlkampfthema waren die Konsolidierung der Staatsfinanzen und die Schuldenkrise in der Euro-Zone. Hollande hat angekündigt, er wolle den gerade erst unterzeichneten Fiskalpakt, der automatische Strafen bei zu hohem Staatsdefizit vorsieht, neu verhandeln. Dies wird unter anderem von Deutschland strikt abgelehnt.
Hollande will auch den Spitzensteuersatz für Reiche mit Einkommen von mehr als einer Million Euro auf 75 Prozent erhöhen. Sarkozy tritt hingegen für eine Fortsetzung des Sparkurses aus und kündigte eine noch striktere Einwanderungspolitik ab.
Sarkozy hat wie auch Hollande eine stärkere Rolle der Europäischen Zentralbank im Kampf gegen die Schuldenkrise gefordert. Für das deutsch-französische Verhältnis erwarten Experten indes auch bei einem Machtwechsel keine tiefgreifenden Veränderungen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP