Politik

FDP-Politikerin fordert Reform der Geheimdienstkontrolle "Ich will ein Praktikum beim BND machen"

Diese Abhöranlage in Bad Aibling wurde bis September 2004 von der NSA genutzt. Seither überwacht von der nahe gelegenen Mangfall-Kaserne der BND - zum Teil für die NSA.

Diese Abhöranlage in Bad Aibling wurde bis September 2004 von der NSA genutzt. Seither überwacht von der nahe gelegenen Mangfall-Kaserne der BND - zum Teil für die NSA.

(Foto: REUTERS)

Die FDP-Politikerin Gisela Piltz gehört zu den Bundestagsabgeordneten, die die Arbeit der deutschen Geheimdienste überwachen sollen. Für sich und ihre Kollegen fordert sie eine Ausweitung ihrer Kontrollrechte. Bislang darf Piltz BND und Verfassungsschutz nur in Begleitung besuchen. Sie will mehr.

n-tv.de: Wenn Sie nach den Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums Ihr Statement abgeben, klingen Sie immer ein bisschen nach einer Mischung aus Opposition und Union - Sie scheinen nicht grundsätzlich den Vertretern der Geheimdienste und der Bundesregierung zu misstrauen, aber Sie fordern eine Reform der Kontrolle und drängen auf mehr Transparenz und Aufklärung. Kann es sein, dass Sie zwischen den Stühlen sitzen?

Gisela Piltz ist innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Seit Dezember 2012 ist sie Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium.

Gisela Piltz ist innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Seit Dezember 2012 ist sie Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Gisela Piltz: In dieser konkreten Situation gibt es zwei Möglichkeiten. Wir können und müssen aufklären, was genau passiert ist und wer wann was wusste. Aber wir müssen jetzt auch dafür sorgen, dass sich diese umfangreichen Eingriffe in die Grundrechte in Zukunft in diesem Umfang nicht wiederholen. Wir als Liberale wollen vor allem die treibende Kraft dafür sein, dass das nicht mehr passiert.

Jetzt gibt es neue Vorwürfe gegen den BND.

Als Vertreterin der Rechtstaatspartei FDP habe ich durchaus Zutrauen auch in unsere Behörden, auch in die Sicherheitsbehörden. Zugleich weiß ich natürlich, dass Vertrauen gut, aber Kontrolle besser ist. Blindes Vertrauen auch zu den eigenen Sicherheitsbehörden tut dem Parlament nicht gut. Wenn jetzt im Raum steht, dass der BND sich - wissentlich oder unwissentlich, das wird noch aufzuklären sein - an Prism quasi beteiligt hat, dann gilt hier dasselbe: Wir müssen gründlich aufklären und dann Konsequenzen ziehen, indem wir die Weichen so stellen, dass das nicht weiter vorkommt.

Das heißt konkret?

Jetzt muss bis zur vollständigen Aufklärung Schluss sein mit solchen massenhaften Datenübermittlungen. Da muss der BND sich erklären und zwar auch dazu, warum wir das aus der Presse erfahren, obwohl wir oft genug nachgefragt haben zur Zusammenarbeit mit der NSA. Und es muss sich auch SPD-Fraktionschef Steinmeier erklären: Die massenhafte Datenübermittlung soll auf eine Vereinbarung von 2002 zurückgehen. Das war zu Zeiten der Regierung Schröder/Fischer, in der Herr Steinmeier Kanzleramtsminister war. Die Vereinbarung muss auf den Tisch und es muss aufgeklärt werden, wem klar war und wer genehmigt hat, dass in diesem Umfang Daten weitergegeben werden.

Was genau soll passieren?

Die FDP-Fraktion und die liberalen Minister haben ein 13-Punkte-Programm vorgelegt, als Reaktion auf die aktuellen Ereignisse. Aber auch schon vor Bekanntwerden von Prism und Tempora haben wir Liberale Vorschläge eingebracht, wie die parlamentarische Kontrolle verbessert werden muss. Heute würde ich sagen, dass man noch weiter gehen kann. Wir brauchen ein ganzes Maßnahmenbündel. Es fängt schon damit an, dass wir als Mitglieder des PKGr keine Mitarbeiter in die Sitzungen mitbringen dürfen. Und ich würde gerne mal ein paar Tage ein Praktikum bei den Diensten machen.

Sie wollen bei den Geheimdiensten spionieren?

Ich will sie besuchen. Bisher darf ich nur mit großer Anmeldung kommen, und ohne entsprechende Begleitung geht dort nichts. Ich fände es spannend, mal ein paar Tage zu schauen, wie dort gearbeitet wird. Es wäre schon wichtig für uns als Mitglieder des PKGr, die Arbeitsabläufe in den Diensten besser kennenlernen und ungefiltert mit den Mitarbeitern sprechen zu können. Bislang ist es so, dass die Mitarbeiter der Dienste uns nur etwas mitteilen dürfen, wenn sie dies gleichzeitig ihren Vorgesetzten melden. Man kann sich vorstellen, dass wir da nicht so viel erfahren.

Kommt es denn vor, dass Mitarbeiter von BND oder Verfassungsschutz sich vertrauensvoll an Mitglieder des PKGr wenden?

Das kommt im Einzelfall vor. Meist beziehen wir unser Wissen aber aus Medienberichten.

Was wollen Sie noch verändern?

Wir würden gern mit qualifizierter Minderheit Mitarbeiter der Dienste laden können. Wir wollen einen Sachverständigen, den wir beauftragen können, für uns zu ermitteln, da uns das in diesem Umfang neben der sonstigen parlamentarischen Arbeit nicht möglich ist. Wir stellen uns vor, dass die Dienstvorschriften der Nachrichtendienste nur im Einvernehmen mit dem PKGr erlassen und verändert werden sollten. Wir wollen regelmäßig unterrichtet werden über den Einsatz von V-Leuten. Ich fände es gut, wenn die Fragen, die wir einreichen, schriftlich beantwortet werden, so wie die Kleinen Anfragen im Parlament auch. Derzeit werden sie mündlich beantwortet. Natürlich gibt es dann hinterher unterschiedliche Interpretationen. Und wir wollen, dass es ein genaues Protokoll der Sitzungen gibt.

Sollten diese Protokolle veröffentlicht werden?

Das dürfte schwierig werden, da es um die Arbeit von Geheimdiensten geht. Aber ein wenig mehr Transparenz kann möglich sein. Da hat sich auch schon einiges getan. Als ich 2002 anfing im Deutschen Bundestag, durfte uns der Kollege Max Stadler nicht verraten, wo er hinging, wenn er sich zu den Sitzungen des PKGr aufmachte. Wir wussten zwar immer, was los war, wenn er nichts sagte. Aber verraten durfte er nichts. Heute wissen alle, wann und wo wir tagen, danach gibt es Statements vor Kameras. Das ist deutlich transparenter geworden.

Wie weit würden Sie mit der Transparenz gehen?

Bisher darf ich nicht einmal mit meinem Fraktionsvorsitzenden darüber sprechen, was im PKGr diskutiert wurde. Als FDP-Abgeordnete sind wir ja immerhin zu zweit im Gremium. Aber der Kollege der Linken und der Kollege der Grünen, die sind allein dort. Die haben in ihrer Fraktion niemanden, mit dem sie die Themen aus dem PKGr diskutieren können. Manche Themen haben aber politische Implikationen, da gibt es durchaus Diskussionsbedarf.

Tauschen Sie sich innerhalb des Gremiums fraktionsübergreifend aus?

Ja, das tut man hier und da. Ich bin ja erst ein gutes halbes Jahr dabei. Aber nach manchen Sitzungen fragt man schon mal nach, ob die Kollegen eine Äußerung genauso verstanden haben wie man selbst.

Wenn Ihre Forderungen schon erfüllt wären, wäre in der NSA-Affäre etwas anders gelaufen?

Das Problem der NSA-Affäre ist, dass die Amerikaner etwas getan haben, das in Quantität und Qualität, soweit wir das wissen, den deutschen Diensten nicht bekannt war. An der Überraschung über Prism hätte eine Reform der Geheimdienstkontrolle also nichts geändert. Vielleicht wäre aber die Art und Weise der Aufklärung besser verlaufen. Und vor allem wäre dann hoffentlich nicht an allen parlamentarischen Kontrollen vorbei eine glattweg verfassungswidrige Software von deutschen Diensten auch nur in einen Testbetrieb gegangen. Das wäre jedenfalls das Idealziel: Sowas darf einfach nicht passieren!

Die Bundesregierung hat Reformvorschläge vorgelegt, die vor allem auf die europäische und auf die UNO-Ebene zielen.

Eine verstärkte internationale Zusammenarbeit ist auf jeden Fall sinnvoll. Wir dürfen nicht vergessen, dass es ausländische Nachrichtendienste sind, deren Treiben von Edward Snowden aufgedeckt wurde. Hier brauchen wir internationale Regeln, nach Möglichkeit solche, an die sich dann auch alle halten. Aber das heißt ja nicht, dass man dann nicht mehr vor der eigenen Haustür kehren muss. Denn das, wofür man alleine verantwortlich ist, kann man immer am schnellsten verändern.

Mit Gisela Piltz sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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