NPD kassiert Millionen vom Staat Innenminister bleiben uneins
08.12.2011, 20:09 Uhr
Viele Politiker haben Angst vor dem erneuten Scheitern eines Verfahrens.
(Foto: dpa)
Die Innenminister von Bund und Ländern finden keine gemeinsame Linie beim angestrebten neuen Verbotsverfahren gegen die NPD. Die SPD-geführten Länder fordern vehement ein neues Verbotsverfahren. CDU und Bundesinnenminister Friedrich warnen vor einem Schnellschuss. Die NPD profitiert derweil üppg von der deutschen Parteienfinanzierung.
Die Innenminister von Bund und Ländern suchen eine gemeinsame Position zu einem möglichen NPD-Verbot. Einen Beschluss für ein neues Verbotsverfahren wird es bei der Innenministerkonferenz (IMK) in Wiesbaden aber aller Voraussicht nach nicht geben. Die SPD-geführten Länder fordern zwar möglichst schnell einen neuen Anlauf für ein Verbot. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU und andere Unionsminister warnen aber vor Schnellschüssen. Sie halten das Risiko eines Scheiterns für zu hoch.
Wahrscheinlich wird die IMK an diesem Freitag beschließen, dass eine schon bestehende Arbeitsgruppe von Bund und Ländern Kriterien für ein erfolgreiches Verbotsverfahren entwickeln soll. Damit sei dann noch nichts entschieden, sagte Friedrich. "Ein Beschluss und ein Antrag auf ein NPD-Verbotsverfahren können erst kommen, wenn die Beweislage eindeutig ist." Man müsse sehen, wie man ein solches Verfahren möglichst zum Erfolg führen könne, sagte der Bundesinnenminister. Die NPD dürfe auf keinen Fall triumphieren. Von der Konferenz erhoffe er sich einen Katalog von Kriterien, um ein "Verbotsverfahren ernsthaft anzugehen".
Die NPD hat für 2010 nach einer Übersicht der Bundestagsverwaltung 1,176 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten. Bei der Berechnung der Summe werden nach dem Parteienfinanzierungsgesetz die Wählerstimmen der letzten Bundestags- und Europawahl sowie der 16 Landtagswahlen berücksichtigt. Für 2011 wurden bereits Abschlagszahlungen geleistet. Die Berechnung erfolgt in der Regel Ende Januar.
"Wir wollen kein zweites Mal scheitern"
Die Innenminister der SPD-geführten Länder sprachen sich einstimmig für ein NPD-Verbot aus und wollten dies in der Sitzung auch beantragen. Der rheinland-pfälzische Minister Roger Lewentz sagte, die Bevölkerung erwarte eine klare Aussage: Die NPD sei verfassungsfeindlich, fremdenfeindlich, menschenverachtend und antidemokratisch und müsse deshalb verboten werden. "Wir wollen kein zweites Mal scheitern, aber das Signal muss sein, dass die Innenminister das Verbotsverfahren wollen", sagte Lewentz. Er zeigte sich zuversichtlich, dass auf der Innenministerkonferenz eine Einigung gefunden werden kann.
Der hessische Innenminister und amtierende IMK-Vorsitzende Boris Rhein von der CDU betonte, wichtig sei, "dass Sorgfalt vor Schnelligkeit geht". Das Risiko sei sehr hoch, dass ein Verfahren schief gehe, wenn es zu schnell eingeleitet werde. Zunächst müssten Fakten und Material gesammelt werden. "Ich warne davor, jetzt etwas über das Knie zu brechen", sagte Rhein. Einen Verzicht auf V-Leute wertete er als gefährlich. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU sagte im Deutschlandradio Kultur, die Innenminister müssten "gemeinsam alles dafür tun, dass im nächsten Jahr ein solches Verfahren starten kann". Es sei wichtig, der NPD den finanziellen Hahn zuzudrehen. Im Moment führe die staatliche Parteienfinanzierung dazu, "dass die NPD für ihre grässliche Propaganda auch noch ständig Steuermittel bekommt".
Ein Beschluss der Innenminister wäre ohnehin nur ein Signal: Nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat können einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Die IMK müsste den Beschluss ohne Gegenstimme fassen, da das Prinzip der Einstimmigkeit gilt.
Im Jahr 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht einen ersten Verbotsantrag aus formalen Gründen abgewiesen, weil der Einfluss von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der NPD-Führung unklar war. Die Debatte um einen erneuten Vorstoß ist nun durch das Zwickauer Neonazi-Trio, dem zehn Morde angelastet werden, in Gang gekommen. Zu den Unterstützern der Gruppe soll auch der inhaftierte Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben gehören. Weitere Verbindungen zur NPD könnten ein neues Verbotsverfahren erleichtern.
Bundespräsident Christian Wulff kündigte derweil die zentrale Gedenkfeier für die Opfer der Mordserie für den 23. Februar in Berlin an. Von der Zeremonie solle ein starkes Signal des Zusammenhalts der Gesellschaft und ein Zeichen gegen jede Form der Fremdenfeindlichkeit ausgehen, erklärte das Präsidialamt. Wulff hatte sich bereits mit den Angehörigen der Opfer getroffen.
Neumann greift CDU-Minister an
Hamburgs Innensenator Michael Neumann von der SPD kritisierte die skeptische Haltung einiger Länder. "Einzelne Landesfürsten der Union, allen voran die Innenminister Hessens und Niedersachsens, haben bisher leider alle Versuche blockiert, ein neues NPD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Deshalb werde es zunächst keinen einvernehmlichen Beschluss der Innenministerkonferenz dazu geben können.
Es sei nicht richtig, dass vor einem Verfahren sämtliche V-Leute aus der Partei entfernt werden müssten, sagte Neumann weiter. "Es geht nur um staatliche Informanten in der Führungsebene der NPD. Sie abzuziehen ist aber keine unüberwindbare Hürde", sagte er. Im Bundesrat sei derzeit keine Mehrheit für ein neues Verbotsverfahren in Sicht, sagte Neumann. Er forderte daher die Bundesregierung auf, den Verbotsantrag gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. "Bei gutem Willen kann der Antrag auf ein NPD-Verbot noch im ersten Halbjahr 2012 in Karlsruhe eingereicht werden."
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast mahnte zur Sorgfalt: "Ein Verbotsantrag darf nicht wieder scheitern, das wäre ein herber Rückschlag für die Demokratie." Zu klären sei, ob es bei der NPD eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft gebe. Für die Linke forderte deren Abgeordnete Ulla Jelpke, die Geheimdienste müssten auf ihre Informanten in der NPD verzichten: "Solange die V-Leute des Verfassungsschutzes in den NPD-Gremien nicht abgeschaltet werden, ist jedes Gerede von einem neuen NPD-Verbotsverfahren eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit." Wenn an den V-Leuten festgehalten werde, ignoriere man damit das Bundesverfassungsgericht.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP