"Den Teufelskreis durchbrechen" Irland stimmt über Spar-Etat ab
07.12.2010, 18:50 Uhr
Vor dem Parlament demonstrieren Menschen gegen die Kürzungen.
(Foto: REUTERS)
"Jeder zahlt, und wer mehr zahlen kann, zahlt mehr", sagte der irische Finanzminister Lenihan zum Haushaltsentwurf 2011. Dem Land stehen Kürzungen in Höhe von sechs Milliarden Euro bevor. Vor allem Arme und Geringverdiener dürften davon betroffen sein. Doch ohne die Streichliste gibt es kein Geld von der EU.
Irland will seine Wirtschaft mit einem rigorosen Sparprogramm wieder auf Kurs bringen und im Haushalt für das kommende Jahr sechs Milliarden Euro einsparen. Unter anderem sollen drastische Kürzungen bei den Sozialleistungen, einschließlich Pensionen, Arbeitslosen- und Kindergeld, für Entlastung im Budget sorgen. Die Finanzminister der EU billigten derweil in Brüssel das Notpaket von 85 Milliarden Euro für die bedrängte Inselrepublik.
"Jeder zahlt, und wer mehr zahlen kann, zahlt mehr", sagte Finanzminister Brian Lenihan im Parlament zu den Sparmaßnahmen. Er hofft auch auf ein leichtes Wachstum, zur Verbesserung der Haushaltssituation. Einem nur ganz leichten Aufschwung im laufenden Jahr solle dann ein Plus von durchschnittlich 2,75 Prozent in den Jahren 2011 bis 2014 folgen.
Drei Abstimmungsrunden nötig
"Wir müssen den Teufelskreis durchbrechen", sagte Lenihan. Er betonte, dass nicht nur der irische Staat, sondern auch die Banken selbst und deren Anteilseigener für die Bankenkrise in Irland Milliardenbeträge aufbringen mussten. Irland war durch die Rettung seiner vor dem Kollaps stehenden Banken in eine finanzielle Schieflage geraten. In diesem Jahr wird das Haushaltsdefizit den Rekordwert von 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen - das größte Defizit im Euroraum. Im kommenden Jahr soll es auf zwölf Prozent reduziert werden.
Harter Job: Finanzminister Lenihan mit einer Kopie des Haushalts.
(Foto: AP)
Das Parlament musste noch über den Haushalt abstimmen. Ein Scheitern der Abstimmung könnte zu raschen vorgezogenen Neuwahlen führen, das Land tiefer in die Krise stürzen und ein weiteres Übergreifen der Schuldenkrise auf weitere Staaten innerhalb der Euro-Zone auslösen. Allerdings sind die Chancen für die Regierung von Ministerpräsident Brian Cowen gestiegen, das Paket durch die Kammer, den Dáil, zu bekommen.
Insgesamt sind drei Abstimmungsrunden über den Haushalt geplant. Am Dienstag stehen Steuerfragen im Mittelpunkt. Im Verlauf der Woche geht es um Einschnitte in das Sozialwesen und für das erste Quartal 2011 ist ein Votum über generelle Finanz-Schritte vorgesehen. Cowen hat Neuwahlen versprochen, sobald die letzte Hürde übersprungen ist. Seine Partei Fianna Fáil wird seit Jahren mit Korruption in Verbindung gebracht. Viele Wähler geben ihr eine Mitschuld am Platzen der irischen Immobilienblase.
"Das ist ein wichtiger Schritt"
Irland muss sein Rekorddefizit auch deshalb unter Kontrolle bringen, weil davon die Finanzhilfe der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) abhängt. Die Republik ist das erste Land, das unter den EU-Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Milliarden floh. Für Griechenland war ein separates Rettungspaket vereinbart worden.
Dublin hat nach den Brüsseler Beschlüssen nun bis 2015 Zeit, sein Defizit unter die erlaubte Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen - die bisherige Frist war 2014. Ab kommenden Januar kann Irland auf die Milliardenhilfen aus dem Notpaket bauen, das bereits Ende November auf den Weg gebracht worden war. Die EU-Finanzminister gaben nun offiziell ihre Zustimmung. "Das ist ein wichtiger Schritt", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
"Menschen werden wütend sein und sauer"
Die Einschnitte für die Iren beziehen sich nicht nur auf das kommende Jahr. Bereits im November hatte die Regierung einen Vier-Jahres-Plan vorgelegt, der Einsparungen von 15 Milliarden Euro bis 2014 vorsieht. Den Koalitionspartnern von der Fianna-Fáil-Partei und den Grünen brachte das heftige Kritik ein, in Dublin protestierten die Menschen auf der Straße und vor dem Parlament. Die Opposition sowie zwei unabhängige Abgeordnete, auf deren Stimmen die Regierung angewiesen ist, kündigten zunächst Widerstand an.
Kurz vor der Abstimmung zeichnete sich aber ein Einlenken ab. Es sei nun wichtig, die Zukunft des ganzen Landes an erste Stelle zu setzen, sagte der Unabhängige Michael Lowry, der seine Zustimmung andeutete. "Dieser Haushalt wird sehr harsch und extrem schwer werden, die Menschen werden wütend sein und sauer, dass sie den Preis für die Rücksichtslosigkeit vor allem der Banken zahlen müssen." Der unabhängige Abgeordnete Jackie Healy-Rae hat sich öffentlich noch nicht geäußert, wie er sich entscheiden wird, doch Lowry zufolge dürfte er ebenfalls für den Haushalt stimmen. Die Iren mussten bereits seit Oktober 2008 drei Runden von Kürzungen und Steuererhöhungen schlucken, durch die laut Regierung bereits 14,5 Milliarden Euro eingespart wurden.
Eine Abgeordnete der größten Oppositionspartei Fine Gael sagte, einige Mitglieder ihrer Fraktion würden sich der Stimme enthalten, sollte das Vorhaben auf der Kippe stehen. Die Labour Party, die nach den für Anfang des Jahres angekündigten Neuwahlen zusammen mit Fine Gael die Regierung stellen will, erklärte Kürzungen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zum Maximum. Allerdings stimmen beide Parteien mit der Regierung überein, dass bis 2014 insgesamt 15 Milliarden Euro eingespart werden müssen.
Quelle: ntv.de, hvo/rts/dpa