Mord auf offener Straße in Islamabad Islamisten erschießen Minister
02.03.2011, 15:01 Uhr
Bhatti wurde laut Polizei von zehn Kugeln getroffen.
(Foto: AP)
In Pakistan wird ein weiterer prominenter Kritiker des Blasphemie-Gesetzes ermordet: Unbekannte erschießen den Minister für Minderheiten, den einzigen Christen in der Regierung. Bhatti wird von zahlreichen Kugeln so schwer verletzt, dass er noch auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt.
Islamisten haben den einzigen Christen im pakistanischen Kabinett ermordet. Nach Angaben der Polizei wurde der Minister für Minderheiten, Shahbaz Bhatti, von mindestens zehn Kugeln getroffen, als er sein Haus in der Hauptstadt Islamabad verließ. Er hatte Änderungen am umstrittenen Blasphemie-Gesetz seines Landes gefordert, um den weit verbreiteten Missbrauch zu stoppen. Islamisten hatten ihn deswegen mit dem Tode bedroht.
Ein Augenzeuge sagte, ein weißes Auto habe vor dem Wagen Bhattis angehalten. Zwei Männer seien herausgesprungen und hätten das Feuer von vorn und von der Seite eröffnet. "Dann schauten sie nach, um sicherzugehen, dass er nicht überleben wird, und flohen in ihrem Auto." Bhattis Fahrer hatte den Kugelhagel überlebt und den Minister zum Krankenhaus gefahren, wo er für tot erklärt wurde.
Bhatti, der der regierenden Volkspartei PPP angehörte, hatte kritisiert, das Gesetz werde von muslimischen Extremisten als Werkzeug genutzt, "um ihre persönlichen Rechnungen zu begleichen". Minderheiten würden unter dem Gesetz leiden. Bhatti hatte gesagt, wegen seiner Kritik erhalte er Todesdrohungen. Er sei aber bereit, für seine Haltung zu sterben. Die religiösen Minderheiten forderten weder die völlige Abschaffung des Gesetzes noch Straffreiheit für Gotteslästerung, sagte der Katholik Bhatti. Dennoch hätten muslimische Extremisten die Massen aufgestachelt. "Und ich glaube fest daran, dass Elemente bei den Protesten den Taliban angehörten." Sie wollten durch die Aufwiegelei die Aufmerksamkeit der Regierung vom Krieg gegen den Terrorismus ablenken und die Atommacht Pakistan destabilisieren.
Täter offenbar Taliban
Nach Angaben aus Geheimdienstkreisen hinterließen die Attentäter ein Flugblatt am Tatort, bevor sie die Flucht ergriffen. Darauf habe sich eine Taliban-Gruppe aus der ostpakistanischen Provinz Punjab (Tehrik Taliban Fidayan Mohammad Punjab) zu der Tat bekannt, sagte ein Geheimdienstmitarbeiter, der anonym bleiben wollte. Weiter habe auf dem Flugblatt gestanden, all jene, die Änderungen am Blasphemiegesetz forderten, würden getötet werden. Präsident Asif Ali Zardari verurteilte den Mord.
Große Bestürzung in Deutschland
Auch Deutschland zeigte sich bestürzt. "Die Bundesregierung verurteilt diesen Anschlag, sie trauert mit den Hinterbliebenen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Mit großer Bestürzung reagierte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. "Sein Tod macht uns betroffen, er schockiert uns", sagte Westerwelle. "Es ist ein schwerer Verlust für Pakistan." Bhatti habe sich mit außergewöhnlichem Engagement und großem Mut für die Rechte von Minderheiten eingesetzt. Jetzt müsse alles getan werden, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen und den Schutz aller Religionsgruppen in Pakistan sicherzustellen.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe teilte mit, er erwarte von der pakistanischen Regierung, dass sie sich nachdrücklich für den Schutz von Minderheiten einsetze. Das gelte "vor allem der Gruppe der Christinnen und Christen im Land".
Todesdrohungen und Mord
Der 42 Jahre alte Bhatti hatte sich auch für die Christin Asia Bibi eingesetzt, die wegen Blasphemie von einem Gericht im Punjab zu Tode verurteilt wurde. Der Fall ist nun vor dem Obersten Gericht in der Provinzhauptstadt Lahore anhängig.
Wegen Kritik am Blasphemie-Gesetz war zu Jahresbeginn der Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, von seinem Leibwächter erschossen worden. Auch er hatte sich für Asia Bibi eingesetzt. Der Attentäter Mumtaz Hussain Qadri wird von weiten Teilen der Bevölkerung als Held gefeiert.
Pakistans Blasphemie-Gesetzt verbietet generell die Beleidigung jeder Religion, wird aber in der Praxis bei angeblicher Herabsetzung des Islam angewandt. Die schwersten Strafen bis hin zur Todesstrafe können bei der Schändung des Koran und des Namens des Propheten Mohammed verhängt werden. Islamisten laufen Sturm gegen Änderungen an dem Gesetz.
Die PPP-Abgeordnete Sherry Rehman war Anfang Februar damit gescheitert, Änderungen ins Parlament einzubringen. Unter dem Druck islamistischer Massenproteste hatte Premierminister Syed Yousuf Raza Gilani angekündigt, Rehman werde ihre Änderungsvorschläge zurückziehen. Auch sie erhielt Todesdrohungen.
Quelle: ntv.de, dpa