Mehrere Tote bei Zusammenstößen Islamisten protestieren in Ägypten
04.10.2013, 21:58 Uhr
Mursis Anhänger gingen zu Tausenden auf die Straße.
(Foto: dpa)
Drei Tage soll eine neue Protestwelle der Muslimbrüder dauern. Schon nach wenigen Stunden gibt es mehrere Tote. EU-Außenbeauftragte Ashton mahnte die Ägypter kurze Zeit zuvor noch zum Dialog.
Die Gewalt zwischen Muslimbrüdern und ihren Gegnern in Ägypten nimmt kein Ende. Bei heftigen Zusammenstößen in Kairo wurden vier Menschen getötet. Zudem seien 40 Menschen bei den Ausschreitungen in der Hauptstadt verletzt worden, sagte der Leiter der Rettungsdienste, Chaled al-Chatib
Tausende Islamisten waren in mehreren Städten auf die Straßen geströmt, um gegen das Militär und Armeechef Abdel Fattah al-Sisi zu protestieren, gegen die Entmachtung von Präsident Mohammed Mursi und die andauernden Repressionen gegen die Muslimbruderschaft. Die Sicherheitskräfte gingen mit Warnschüssen Tränengas gegen die Demonstranten vor. Die Proteste sollen auch am Wochenende andauern. Insbesondere Für Sonntag, dem 40. Jahrestag des Jom-Kippur-Kriegs mit Israel, wird mit weiteren Kundgebungen gerechnet.
Unbekannte stechen Politiker nieder
In Kairo gab es nach Angaben aus Sicherheitskreisen und von Augenzeugen gleich in mehreren Stadtteilen Zusammenstöße zwischen Islamisten und der Polizei. Im Zentrum der Hauptstadt setzten Sicherheitskräfte Tränengas ein, als Demonstranten versuchten, auf den Tahir-Platz zu gelangen. Die Straßen zum Präsidentenpalast und zum Verteidigungsministerium wurden nach Angaben von ägyptischen Staatsmedien ebenfalls von Sicherheitskräften abgeriegelt. Die meisten Geschäfte in der Nachbarschaft blieben geschlossen.
Im Stadtteil Nasr City reihten sich tausende Islamisten in einen Protestzug ein. Dort befand sich eines der Protestlager der Muslimbrüder, bei dessen Räumung durch die Sicherheitskräfte Mitte August hunderte Islamisten getötet worden waren. Die Demonstranten hielten Fotos von getöteten Muslimbrüdern hoch und schworen Rache. In einem anderen Stadtteil schossen Islamisten und ihre Gegner mit Schrotflinten aufeinander, wie ein Augenzeuge berichtete.
In Kairo stachen Unbekannte zudem den Sprecher der liberalen Al-Dostur-Partei, Chaled Dawod, nieder. Nach Angaben der Nachrichtenagentur MENA wurde er an Brust und Hand verletzt.
In Alexandria gingen Hunderte Anhänger der Muslimbruderschaft und ihre Gegner aufeinander los. Laut dem Leiter der Sanitätsdienste, Ahmed al-Ansari, wurden insgesamt mindestens 45 Menschen verletzt. Auch hier setzte die Polizei Tränengas ein, ebenso wie in der Industriestadt Al-Mahalla. In Suez kam es zu weiteren Krawallen.
Ashton ruft zum Dialog auf
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und das US-Außenministerium reagierten besorgt. Die stellvertretende Sprecherin des State Department appellierte an alle Seiten, auf Gewalt zu verzichten und sich friedlich am politischen Übergangsprozess zu beteiligen. Ähnlich äußerte sich auch Bans Sprecher Martin Nesirky.
Das Militär hat Anfang Juli nach Massenprotesten Mursi und seine Regierung abgesetzt. Seither gibt es Unruhen. Hunderte Muslimbrüder wurden inhaftiert. Die Islamistenorganisation ist inzwischen verboten.
Zuvor hatte sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bei einem zweitägigen Besuch in Ägypten für eine rasche Demokratisierung eingesetzt - unter Einbindung der Muslimbruderschaft. Es gehe darum, alle mit einzubeziehen und einen Dialog zu führen, sagte sie in Kairo.
Vertreter der Tamarud-Bewegung, die mit ihren Massenprotesten das Ende der Ära Mursi eingeläutet hatte, kritisierten sie daraufhin scharf und warfen ihr nach Angaben des Nachrichtenportals "Al-Ahram" vor, "den Terror" zu beschützen. Die Chefdiplomatin war bereits zum dritten Mal seit dem Machtwechsel nach Ägypten gereist.
Auf der Sinai-Halbinsel dauerte die Großoffensive gegen militante Gruppen derweil an. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen gab es erneut 109 Festnahmen - auch drei Dschihadistenführer seien aufgegriffen worden. Nahe der Stadt Ismailia am Suez-Kanal wurde nach einem Bericht des Staatsfernsehens ein ägyptischer Soldat aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug heraus erschossen, ein weiterer Soldat starb später im Krankenhaus.
Quelle: ntv.de, dpa