Neues Blutbad in Jerusalem Israel übt Vergeltung
19.06.2002, 07:10 UhrDie Gewaltspirale im Nahen Osten dreht sich erbarmungslos weiter. Nach dem jüngsten Selbstmordattentat von Jerusalem am Mittwochabend hat die israelische Luftwaffe mehrere Ziele im Gazastreifen angegriffen. Nach Angaben der israelischen Armee wurden insgesamt fünf Raketen abgefeuert.
Palästinensische Augenzeugen berichteten, dass in Chan Junis im südlichen Gazastreifen die Büros der radikalen Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad beschossen worden seien. In Gaza-Stadt und im Dschabalia-Flüchtlingslager im Norden des Gazastreifens seien Metallwerkstätten getroffen worden. Bei den Angriffen seien insgesamt sechs Palästinenser verletzt worden.
Nach palästinensischen Angaben haben israelische Panzer am Abend auch Wohnviertel in Kalkilia im Westjordanland beschossen. Wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa weiter berichtete, habe die israelische Armee im Flüchtlingslager von Dschenin im Westjordanland mehr als 200 Männer festgenommen und abtransportiert.
In der Nacht zum Donnerstag sollen zudem Panzer nach Ramallah im Westjordanland vorgerückt sein. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu den Angaben.
Neuer Anschlag erschüttert Jerusalem
Beim zweiten Selbstmordanschlag innerhalb von zwei Tagen in Jerusalem hatte der Attentäter am Abend sieben Israelis mit in den Tod gerissen, darunter ein zweijähriges Kind. 40 Personen wurden verletzt, acht von ihnen schwer. Der Attentäter hatte sich an einer Bushaltestelle im Stadtteil French Hill in die Luft gesprengt. Zu dem Anschlag bekannten sich die Al-Aqsa-Brigaden, der militante Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat.
24 Stunden zuvor hatte ein Mitglied der militanten Palästinenser- Organisation Hamas 19 Israelis mit in den Tod gerissen, als er in einem fahrenden Bus eine Bombe zündete. Es war der blutigste Anschlag in Jerusalem seit über sechs Jahren.
Die israelische Regierung hatte daraufhin die schrittweise Wiederbesetzung palästinensischer Autonomiegebiete angedroht. Die Gebiete würden solange besetzt gehalten, wie der Terror andauert, hieß es in einem Kommunique des Sicherheitskabinetts.
Palästinenser und USA verurteilen Anschlag
Palästinenserpräsident Jassir Arafat hat am Mittwoch alle Palästinenser aufgefordert, sofort alleSelbstmordanschläge gegen israelische Zivilisten einzustellen. In einem in arabischer Sprache geschriebenen Brief betonte Arafat, die Anschläge stünden in keinem Zusammenhang mit dem "legitimen Kampf des palästinensischen Volkes gegen die israelische Besatzung".
In einer von der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa verbreiteten Erklärung wird der UN-Sicherheitsrat aufgefordert, sich für einen Waffenstillstand, die Aufhebung der Blockade der Palästinenserstädte und den Rückzug der israelischen Armee aus den autonomen Palästinensergebieten einzusetzen. Zugleich wird die Entsendung internationaler Beobachter verlangt.
Auch US-Präsident George W. Bush verurteile den Anschlag auf das Schärfste, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, am Mittwoch in Washington. Bush werde es nicht zulassen, dass Terroristen den Friedensprozess zum Erliegen bringen. Seine mit Spannung erwartete Rede zur Lage im Nahen Osten hat Bush inzwischen auf unbestimmte Zeit verschoben. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht zu erwarten, dass die Rede einen positiven Einfluss auf die Situation haben könne, sagte Fleischer.
Quelle: ntv.de