Angriff auf Gaza Israel zerstört Hamas
27.12.2008, 17:16 UhrBei israelischen Luftangriffen auf Einrichtungen der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen sind nach Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde mindestens 225 Menschen ums Leben kommen. Mehr als 750 weitere Palästinenser wurden zum Teil schwer verletzt. Das sei die höchste Opferzahl an einem Tag seit dem Sechstagekrieg von 1967, hieß es. Unter den Toten ist auch der Hamas-Polizeichef, Taufik Dschaber.
Unmittelbar nach den Luftangriffen kündigte Hamas-Sprecher Fausi Barhum an, dass Israel für das "Blutbad" einen hohen Preis zahlen werde. Er forderte den militanten Flügel der Hamas auf, Raketen mit der größten Reichweite auf Israel abzufeuern. Nach israelischen Polizeiangaben schlugen erneut dutzende selbst gebaute Geschosse auf israelischem Boden ein. Eine Rakete traf ein Haus in der Stadt Netivot. Als Folge der Explosion kam ein Mensch ums Leben. Vier weitere Israelis wurden verletzt.
Militäraktion ohne Ende
Die "Operation gegossenes Blei" hat gerade erst begonnen "und wird je nach Notwendigkeit erweitert und vertieft" sagte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak in einer öffentlichen Erklärung. Das Ziel der Operation sei es, "ein für alle Mal die Lage so zu verändern, dass es keinen Beschuss israelischer Bürger aus dem Gazastreifen mehr geben wird". Barak redete von einer Probezeit für die israelischen Bürger im Grenzgebiet. Sie müssten mit Raketenangriffen rechnen, obgleich die israelische Armee jetzt schon der Hamas "einen schweren Schlag" beigefügt habe, indem die Luftwaffe Teile der "terroristischen Infrastruktur" im Gazastreifen zerstört habe. Armeesprecher Benjamin Rutland sagte, Ziel der Luftangriffe sei es gewesen, den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen zu minimieren. Seit Sommer 2005 - dem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen - seien über 7000 Raketen und Mörsergranaten in Israel eingeschlagen. "Kein Land in der Welt würde oder sollte Angriffe dieser Art tolerieren", sagte Rutland.
Deutschland sehr besorgt
In einer ersten Reaktion forderte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die israelische Regierung auf, "diese Aggression sofort zu beenden". Nach einem Telefonat mit seiner israelischen Kollegin Zipi Livni hat sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in einer offiziellen Erklärung "sehr besorgt über die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten" gezeigt. Für die einseitige Aufkündigung der Waffenruhe mit Israel durch die Hamas fehle der Bundesregierung jedes Verständnis, erklärte Steinmeier. Die Hamas müsse den "unerträglichen Raketenbeschuss" auf Israel sofort und dauerhaft einstellen.
Die Bundesregierung respektiere das legitime Recht Israels, sich selbst zu verteidigen. Gleichzeitig appelliere er an die israelische Seite, bei den Militäraktionen das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu respektieren und alles zu tun, um zivile Opfer zu vermeiden, erklärte Steinmeier weiter. Es müsse sichergestellt werden, dass die jetzt dringend benötigte Hilfe die Menschen im Gazastreifen erreiche.
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy warf Israel unverhältnismäßigen Gewalteinsatz vor. Der Vatikan verurteilte die Luftangriffe; ein Sprecher äußerte die Befürchtung, dass die Angriffe noch mehr Hass produzieren würden. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner forderte beide Konfliktparteien auf, die Eskalation der Gewalt zu stoppen.
Rund 60 Kampfflugzeuge hatten nach israelischen Medienberichten überraschend den Gazastreifen angegriffen. In einer ersten Angriffswelle seien rund 50 Einrichtungen der Hamas zerstört worden, darunter Polizeistationen, Gebäude der Sicherheitskräfte, Ausbildungsgelände sowie Waffendepots. Danach hätten Kampfflugzeuge 25 Abschussrampen für Raketen beschossen.
Chaos in Gaza-Stadt
In Gaza spielten sich chaotische Szenen ab. Auf den Straßen lagen regungslos Männer in Polizeiuniformen. Anderen Leichen fehlten der Kopf oder Gliedmaßen. Im Minutentakt wurden Verletzte in das Schifa-Krankenhaus gebracht. Die Ärzte appellierten an die Bevölkerung, Blut zu spenden. Ägypten öffnete den Rafah-Grenzübergang zum Gazastreifen, damit Verletzte in ägyptische Krankenhäuser gebracht werden können.
Bei einem israelischen Fernsehsender meldete sich ein palästinensischer Journalist zu Wort, und erzählte, dass innerhalb von nur zehn Minuten über 150 Hamaskämpfer und Befehlshaber getötet und hunderte verletzt worden seien. Einen derart schweren Schlag und soviel Blutvergießen in so kurzer Zeit habe der Gazastreifen in seiner Geschichte noch nicht erlebt. Und so lange so viel Blut fließe, denke niemand an einen Waffenstillstand, fügte er hinzu.
Von langer Hand vorbereitet
Nach einer Erklärung aus dem Büro des amtierenden israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert wurde eine langfristig angelegte Militäroperation bereits am 24. Dezember gebilligt. Olmert sowie Verteidigungsminister Barak und Außenministerin Zipi Livni hätten dann am Samstagmorgen die Luftangriffe genehmigt.
Das israelische Sicherheitskabinett wollte nach Medienangaben eigentlich erst am Sonntag über einen Militäreinsatz beraten. Olmert hatte noch am Donnerstag - also einen Tag, nachdem der Militäreinsatz gebilligt worden war - die militanten Palästinenserorganisationen aufgefordert, den Beschuss sofort einzustellen. Olmert drohte mit der großen Zerstörungskraft der israelischen Armee und bereitete die internationale Gemeinschaft auf hohe Opferzahlen vor.
Die militanten Palästinensergruppen wollen mit dem Raketenbeschuss Israel zwingen, alle Grenzübergänge zum Gazastreifen zu öffnen. Israel wiederum macht das von einer Einhaltung der Feuerpause abhängig.
Quelle: ntv.de