Vernunftehe im Saarland Jamaika-Chemie stimmt
10.11.2010, 06:00 Uhr
Schwarz, grün, gelb an der Saar: läuft.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vor einem Jahr kam die Jamaika-Koalition an der Saar ins Amt. Seit ihrem Start produziert das erste Bündnis von CDU, FDP und Grünen auf Landesebene kaum Schlagzeilen: Denn die Reihen sind geschlossen, die Zusammenarbeit läuft.
Die Bildung der ersten Jamaika-Koalition auf Landesebene sorgte vor einem Jahr für viel politisches Aufsehen. Nach einem fast euphorischen Start ist es um die Saar-Koalition aus CDU, FDP und Grünen eher still geworden. Ihre Konflikte tragen die ungleichen Partner nach eigenem Bekunden "hart aber fair" hinter verschlossenen Türen aus. Nach außen präsentieren sie sich dann - anders als CDU und FDP im Bund - geschlossen.
Koalitionspartner loben CDU-Ministerpräsident
"Jamaika im Saarland war eine Vernunftsehe und nicht Wunschheirat. Aber manchmal sind Vernunftsehen im Alltag doch sehr belastbar", erklärt Regierungschef Peter Müller von der CDU. Er spricht von einer "stabilen und vertrauensvollen Zusammenarbeit". Müller war am 10. November 2009 zum dritten Mal zum Saar-Ministerpräsidenten gewählt worden.
Seine Koalitionspartner loben die Verlässlichkeit ihres Chefs. Denn der CDU-Landesvorsitzende vertritt nach außen strikt die Jamaika-Positionen - auch wenn diese bisweilen seinen Parteifreunden nicht schmecken. Die Saar-CDU verlor 2009 ihre absolute Mehrheit im Landtag; Müller musste nach zehn Jahren CDU-Alleinregierung Koalitionspartner suchen.
Grüne ziehen positive Bilanz
Punkten konnten bisher vor allem die Grünen. Sie setzten gleich im Februar die weitgehende Abschaffung der Studiengebühr durch. Die grüne Handschrift, die den Koalitionsvertrag prägte, ist im Polit-Ehe-Alltag aber etwas verblasst. Den beschlossenen strikten Nichtraucherschutz in Kneipen hat der Verfassungsgerichtshof kurz vor seiner geplanten Einführung im Juli erstmal gestoppt.
Und den Einstieg in ein längeres gemeinsames Lernen - eines ihrer Wahlversprechen - mussten die Grünen bereits zu den Akten legen. Nach einem Nein der oppositionellen SPD zu einer dafür nötigen Verfassungsänderung verzichtete Bildungsminister Klaus Kessler auf die Einführung eines fünften Grundschuljahres.
Dennoch zieht Grünen-Chef Hubert Ulrich, Jamaika-Architekt der Öko-Partei, auch nach einem Jahr eine "unterm Strich sehr positive Bilanz". So seien auch bei der Bildung Wahlversprechen eingelöst worden. Zum Beispiel würden zumindest im kommenden Jahr trotz sinkender Schülerzahlen keine Lehrerstellen gestrichen.
FDP von innerem Gezänk geschwächt
Die Rolle der FDP bleibt schwach. Andauernde innerparteiliche Querelen drohen sogar zur Belastung für das Regierungsbündnis zu werden. "Die Personaldiskussion darf auf keinen Fall die Koalition gefährden", mahnt Fraktionschef Horst Hinschberger. Nachdem er im Alleingang und erfolglos auch andere führende Parteimitglieder wegen Untreue bei der liberalen Stiftung "Villa Lessing" angezeigt hatte, sind in der Partei Rücktrittsforderungen laut geworden.
FDP-Landeschef, Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Christoph Hartmann sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, er habe die Partei nicht im Griff und ihm fehle die nötige Nähe zur Wirtschaft. Als Erfolg reklamiert er für sich, dass die Universitäten in den kommenden Jahren trotz Haushaltsnotlage mehr Geld bekommen sollen.
SPD und Linke haben kaum Angriffsfläche

Oskar Lafontaine hat der Jamaika-Koalition nicht viel entgegen zu setzen.
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Die Opposition von SPD und Linken tut sich derweil schwer. SPD-Landes- und Fraktionschef Heiko Maas und Linken-Vordenker Oskar Lafontaine werden zwar nicht müde, den "Jamaika-Chaos-Club" und "seine Konzeptionslosigkeit und Selbstbedienungsmentalität" zu brandmarken. Die Regierungskompromisse bieten aber wenig Angriffsfläche.
Neuerdings wittert die SPD Morgenluft. Nach einer Umfrage zum Jamaika-Jahrestag konnte sie seit der Landtagswahl im August 2009 in der Wählergunst kräftig zulegen - von 24,5 auf 30 Prozent. Das Verhältnis der SPD zu den Grünen mit Maas an der Spitze bleibt verschnupft. Mit der Regierungspartei, früher eher Verbündeter, herrscht weitgehend Funkstille. Maas hat ihr nicht verziehen, dass sie 2009 auf Betreiben Ulrichs nicht mit SPD und Linken zusammenging.
Auch Lafontaine, der im Februar von der Spree an die Saar zurückkehrte, konnte Jamaika bisher keinen harten Schlag versetzen. Der Linken-Fraktionschef möchte indes keine "Kaffeesatzleserei" betreiben und schließt nicht aus, dass die Koalitionäre trotz aller Unterschiede die restlichen vier Jahre der Legislaturperiode zusammenbleiben.
Die Jamaika-Spitzen selbst sehen dafür gute Chancen. Allerdings könnten die internen Konflikte eskalieren. Denn von 2011 an muss die Regierung unter dem Diktat der Schuldenbremse jedes Jahr 80 Millionen Euro weniger neue Schulden machen; es gibt immer weniger zu verteilen. Umso wichtiger ist es, dass die Chemie zwischen den politisch ungleichen Partnern weiter stimmt.
Quelle: ntv.de, Jörg Fischer, dpa