Politik

"Bereit zur Vergebung" Joachim Gauck und die Stasi-Akten

2010 kandidierte Gauck für das Amt des Bundespräsidenten - und verlor gegen Christian Wulff. Heute ist er Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie".

2010 kandidierte Gauck für das Amt des Bundespräsidenten - und verlor gegen Christian Wulff. Heute ist er Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie".

(Foto: picture alliance / dpa)

Es zieht im Bendler-Block. Deutlich hört man den Baulärm von draußen. Und doch – der Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums mit der Gedenkstätte für den deutschen Widerstand scheint wie gemacht für einen Verein wie "Gegen Vergessen – Für Demokratie". Joachim Gauck, der Vorsitzende, verspätet sich. Der ehemalige Pastor und erste Sonderbeauftragte für die Stasi-Unterlagen reist durchs Land und spricht über seine Kernbegriffe: Freiheit und Verantwortung. Im Interview mit n-tv.de erinnert er sich an die Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes im Dezember 1991 im Bundestag. Er verteidigt aber auch die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Nie vergessen wird er den ersten Tag, an dem DDR-Bürger ihre Akten einsehen konnten.

n-tv.de: Herr Gauck, Sie sind heute Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen – Für Demokratie". Welcher Aspekt aus der DDR droht zuerst in Vergessenheit zu geraten?

Joachim Gauck: Gar nicht mal, dass die Leute die Stasi vergessen. Viel gefährlicher wäre, wenn sie ihre Ohnmacht vergessen. In der DDR durfte es keine Bürger geben, denn diesen hätten Bürger- und Menschenrechte zugestanden. Diese Abwesenheit grundlegender Rechte verschwindet bei vielen Ostdeutschen im nostalgischen Nebel. Das ist allerdings kein deutsches Phänomen, sondern betrifft alle Gesellschaften im Übergang von der Diktatur zur Demokratie. Eine neue Gesellschaft kann Anlass zur Freude sein. Bei Funktionären des alten Systems sind die Veränderungen aber auch Anlass zur Furcht. Sie stellen das Alte als das Normale dar, als das Angenehme. Diese Nostalgie kommt ohne Schmerz und Trauer aus, aber auch ohne Scham und Reue. Darin liegt die Gefahr.

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz wurde eigentlich zweimal verabschiedet: Das noch von der Volkskammer beschlossene Gesetz trat am 3. Oktober 1990 außer Kraft. Erst im Dezember 1991 beschloss auch der Bundestag ein Stasi-Unterlagen-Gesetz. Welches dieser Gesetze ist rückblickend das wichtigere?

Gauck wurde 1940 in Rostock geboren. 1967 wurde er zum Pastor ordiniert, als der er bis 1989 arbeitete.

Gauck wurde 1940 in Rostock geboren. 1967 wurde er zum Pastor ordiniert, als der er bis 1989 arbeitete.

(Foto: APN)

Das Volkskammer-Gesetz war der historische Schritt. Zum ersten Mal in der Politikgeschichte stellte ein Parlament die Interessen der Unterdrückten und Opfer über die Persönlichkeitsrechte der Täter und deren Helfer. Dieser Perspektivwechsel öffnete einen ganz neuen Weg der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, weil Herrschaftsstrukturen offengelegt wurden. Wir wollten zudem den innerlichen Abschied der Bevölkerung von der Diktatur fördern. Die DDR sollte delegitimiert werden. Das war ein epochaler Schritt.

Und auch ein Gegensatz zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus.

Ja. Nach dem Ende des Nationalsozialismus galten die Rechte der Täter mehr als die der Opfer, die wie Bettler vor verschlossenen Archivtüren standen und erneut gedemütigt wurden. Zwar wurden die Unterlagen zur Strafverfolgung herangezogen, aber für die Betroffenen blieben die Akten verschlossen. Im Unterschied dazu kam uns bei der Ausarbeitung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes auch ein moderner Rechtsgedanke entgegen: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses wurde 1983 vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil formuliert. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages konnten den DDR-Bürgern dieses Recht nicht verweigern, nur weil die Daten in einer Diktatur gesammelt worden waren.

Warum wurde im Westen teilweise die Vernichtung der Akten gefordert?

Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Einerseits ist das auf Teile der ostdeutschen Regierung zurückzuführen, auf Ministerpräsident Lothar de Maizière und Innenminister Peter-Michael Diestel. Beide waren gegen eine Öffnung der Archive, weil sie Mord und Totschlag befürchteten. Damit stießen sie bei der Bundesregierung auf offene Ohren. Diestel, der die Auflösung der Staatssicherheit beaufsichtigte, war gut mit alten Funktionären vernetzt. Um seiner Politik Einhalt zu gebieten, bildete die Volkskammer einen eigenen Ausschuss, der die Auflösung der Staatssicherheit kontrollieren sollte und zu dessen Vorsitzenden ich gewählt wurde. Unser Ausschuss konnte sich schließlich mit seinem Gesetzentwurf gegen die restriktiven Vorstellungen der Regierung durchsetzen.

Was war der zweite Grund?

In der ersten Jahreshälfte 1990 tauchten in Bonn und bei verschiedenen Landesbehörden Teile von Stasi-Akten auf. Wir wissen nicht, woher diese kamen, vielleicht wurden sie von ehemaligen Stasi-Leuten als Druckmittel verbreitet. Die Innenminister der Länder beschlossen, die angebotenen Unterlagen zu vernichten, weil sie rechtswidrig zustande gekommen waren. Für uns in der DDR waren die Unterlagen aber wichtige Quellen über die Herrschaft der SED. Deshalb widersetzten wir uns dem Wunsch nach Vernichtung. Vielleicht spielten im Westen aber auch kleinbürgerliche Ängste eine Rolle. Manche Führungskräfte befürchteten wohl, dass Informationen über sie gesammelt wurden und nun an die Öffentlichkeit gelangen könnten. Für uns waren solche Ängste aber kein konstitutives Element einer wichtigen Gesetzgebung.

Der Bundestag brauchte bis Ende 1991, um ein neues Stasi-Unterlagen-Gesetz zu verabschieden. Warum hat das so lange gedauert?

Im Westen hielt man das Volkskammer-Gesetz aus verschiedenen Gründen für ungeeignet. Außerdem gab es bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag ganz andere Pläne. Die gesamten Stasi-Unterlagen sollten unter die Oberhoheit des Bundesarchivs gestellt werden. Der Präsident des Bundesarchivs sollte in Personalunion Sonderbeauftragter werden. Das hätte allerdings die Nutzung der Akten stark eingeschränkt, was in Ostdeutschland für Empörung sorgte. Teile der Bürgerrechtsbewegung, darunter Bärbel Bohley, besetzten daraufhin nochmals die Stasi-Zentrale. Aber auch in der Volkskammer gab es Proteste gegen die Pläne. Es war vielleicht meine wichtigste politische Tat, als Abgeordneter der Opposition die Fraktionen zu einer Koalition der Vernunft zu vereinen. Dazu war viel Überzeugungsarbeit nötig, denn man muss bedenken, dass es in der Ost-CDU nicht einfach war, sich gegen Helmut Kohl und den damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zu stellen. Aber ich fragte sie: "Wollt ihr es wie unter Adenauer: Akten zu, Augen zu und durch?". Natürlich hatte keiner Interesse an solch einem Schlussstrich.

Können Sie sich noch an den Tag erinnern, als erstmals Menschen Einsicht in ihre Akten nahmen?

Die 2010 gestorbene DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley 1992 beim Studium ihrer Stasi-Akte.

Die 2010 gestorbene DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley 1992 beim Studium ihrer Stasi-Akte.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ja, das werde ich nicht vergessen. Die Akteneinsicht war damals noch nicht so perfektioniert wie heute. Wir arbeiteten auf der Grundlage einer verbindlichen Benutzerordnung, ein Stasi-Unterlagen-Gesetz gab es noch nicht. Wir luden etwa 15 Menschen ein, darunter bekannte aber auch unbekannte Stasi-Opfer. Die Presse war auch zugelassen, denn wir wollten die Botschaft verbreiten: "Schaut, die Behörde arbeitet, Eure Wünsche wurden umgesetzt." Der Ansturm auf die Antragsformulare war enorm. Wir druckten etwa 20.000 Stück, aber die waren an einem Tag vergriffen. Berliner Tageszeitungen druckten das Formular nach, damit weitere Menschen ihren Antrag auf Akteneinsicht stellen konnten. Die Aufmerksamkeit war unglaublich groß. Wie die Menschen dann auf die Unterlagen reagierten, war bewegend. Dass die Stasi Menschen- und Bürgerrechte verletzte, war jedem klar. Wichtiger waren die Einzelheiten. Vera Lengsfeld etwa las, wie konkret ihr Ehemann jahrelang die Stasi informiert hatte. Manche erfuhren von bodenlosen Erniedrigungen. Andere versuchten, sich ihre Emotionen vom Hals zu halten. Bärbel Bohley etwa musste teilweise lachen, etwa wenn die Inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter die Grammatik nicht beherrschten oder dummes Zeug schrieben. Diese tiefe Verletzung der Privatsphäre durch die Staatssicherheit kann man nur aus der Arroganz der Macht erklären.

Immer wieder treten alte Stasi-Offiziere an die Öffentlichkeit, die ihre Arbeit als Kampf für eine bessere Welt verharmlosen. Hubertus Knabe, Chef der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, forderte, . Welche Wege gibt es, um solche Geschichtsverfälschungen zu bekämpfen?

Ich bin immer zurückhaltend, wenn es darum geht, per Gesetz Dummheit zu verbieten. Bei diesen alten Stasi-Offizieren ist es zum Teil Dummheit, zum Teil aber auch Selbstschutz. Ob man die Interessen der Opfer mit gesetzlichen Regelungen schützen kann, sollen Juristen entscheiden. Immerhin sind die Dinge, die wir der Staatssicherheit vorhalten, juristisch oft gar nicht fassbar. Es gibt aber nicht nur eine strafrechtliche Schuld, sondern auch eine politische Verantwortung. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Karl Jaspers in "Die Schuldfrage" die verschiedenen Dimensionen von Schuld beschrieben: strafrechtliche, moralische, politische und metaphysische Schuld. Gerichte bearbeiten nur die strafrechtliche Schuld. In der politischen Verantwortung geht es dagegen darum, die Taten öffentlich zu benennen, die Fakten auf den Tisch zu legen und darüber zu debattieren. In diesem Prozess werden die Täter delegitimiert. Daher sollten wir uns auch nicht vor den Verlierern der Geschichte fürchten. Das sind Menschen, die nicht wahr haben wollen, dass sie einer Diktatur gedient haben, sie fangen an, sich selber zu belügen. Dadurch bleiben sie gefangen in der diktatorischen Welt und ihrem verführten Denken. Sie bleiben unfrei. Aber sie haben nicht die Deutungshoheit.

Auch heute werden noch Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi enttarnt. Warum haben sie die letzten 20 Jahre nicht genutzt, um reinen Tisch zu machen?

15. Januar 1990: DDR-Bürger stürmen die Stasi-Zentrale in der Ostberliner Normannenstraße.

15. Januar 1990: DDR-Bürger stürmen die Stasi-Zentrale in der Ostberliner Normannenstraße.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Menschen hoffen immer, dass sie mit ihren kleinen oder größeren Vergehen durchkommen. Es gibt eine irrationale Vorstellung, dass das, was wir anderen Menschen angetan haben, verborgen bleibt. Außerdem gibt es Prominente, die mit einer trickreichen Auslegung ihrer belasteten Vergangenheit weit gekommen sind. Belastete Personen wie Manfred Stolpe oder Gregor Gysi hätten auch anders über ihre Kontakte zur Staatssicherheit sprechen können, dichter an der Wahrheit. Kein Wunder, wenn weniger bekannte Menschen, deren Verstrickung vielleicht grenzwertig war, hoffen, ebenfalls durchzukommen. Dabei ist es die Wahrheit, die uns frei macht. Menschen sind bereit zur Vergebung, wenn sie die Wahrheit hören. Menschen, die Lügen hören, nicht. Stattdessen entstehen Zorn und Wut bei den Opfern.

In der vom November diesen Jahres wurde verfügt, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter nicht mehr in der Behörde beschäftigt sein dürfen. Damit kochte die Kontroverse um die Einstellungen aus Ihrer Zeit als Behördenchef noch einmal hoch.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass unsere damalige Entscheidung richtig war, auch einige frühere Stasi-Mitarbeiter einzustellen. Das habe ich dem jetzigen Bundesbeauftragten Roland Jahn ganz ausdrücklich gesagt. In diesem Punkt habe ich eine deutlich andere Sicht. Vor allen Dingen finde ich es hoch problematisch, dass diese gesetzliche Regelung rückwirkend etwas regeln soll. Wir sprechen hier von Menschen, die dem Rechtsstaat 20 Jahre gedient haben. Jetzt wird aber so getan, als hätten wir sie unmittelbar aus der Diktatur übernommen. Das halte ich für unverhältnismäßig. Ich bedauere außerdem, dass der 20 Jahre lang existierende Konsens aller Bundestags-Fraktionen über das Stasi-Unterlagengesetz zum ersten Mal nicht zustande gekommen ist. Das ist für mich ein Manko.

Was waren denn das für Stasi-Leute, deren Einstellung Sie richtig fanden?

Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse betrachtet im Dezember 1998 mit Gauck Papierreste ehemaliger Stasiakten.

Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse betrachtet im Dezember 1998 mit Gauck Papierreste ehemaliger Stasiakten.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Einmal gab es Personen- und Objektschützer der Staatsicherheit. Diese wurden aber nicht als ehemalige Stasi-Mitarbeiter eingestuft und arbeiteten dann in Ministerien, im Bundestag, im Berliner Abgeordnetenhaus oder eben bei uns. Als wir sie in unsere Behörde übernahmen, waren sie bereits Bedienstete des Bundes. Und dann gab es Fachkräfte, ein paar Techniker, vor allem aber Menschen mit einem großen Querschnittswissen über Akten und Vorgänge bei der Stasi. Diese wählte ich mit großer Sorgfalt aus, ich nahm nur Menschen, die in Wendezeiten Bürgerrechtlern geholfen hatten. Insgesamt waren das weniger als 20 Menschen in der ganzen ehemaligen DDR. Die große Masse an ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, die wir nach dem Willen von Innenminister Diestel übernehmen sollten, lehnten wir ab.

Sollte für Menschen, die nun jahrelang in der Behörde gearbeitet haben, eine Verjährung eintreten? Oder sollte man mit diesem Begriff vorsichtig sein?

Diese Menschen haben weder die Bundesrepublik noch die Stasi-Unterlagenbehörde getäuscht. Wir kannten ihre Vergangenheit und wir brauchten ihre Kompetenz, um unsere Aufgaben besser zu erfüllen. Zugespitzt formuliert: Im Interesse der Opfer brauchten wir die Zusammenarbeit mit Spezialisten der Stasi. Strittig ist die Frage, ob wir sie hätten entlassen können, als ihre befristeten Verträge ausliefen. Das haben wir erwogen, aber Juristen in der Behörde widersprachen, da die Arbeitsaufgaben, für die sie eingestellt waren, noch existierten. Sie hätten sich also vor Gericht durchsetzen können. Gerade bei der wichtigsten Person – das war ein ehemaliger Stasi-Oberst – bemerkte ich zudem eine innere Verwandlung. Bei diesem hauptamtlichen, langjährigen Stasi-Mitarbeiter hatten wir das Gefühl, dass er versucht, etwas wieder gut zu machen.

Wo konnte er sein Wissen einbringen?

Wenn etwa Unterlagen vernichtet waren, konnte er Hinweise geben, wo wir Parallelunterlagen finden konnten. Außerdem konnte er Verteidigungsstrategien von Führungsoffizieren, die sich herausgeredet hatten, erklären und falsifizieren. Er wusste genau, wenn da etwas nicht stimmte.

Warum wird die Stasi-Aufarbeitung teilweise als Regionalgeschichte oder als ostdeutsches Problem angesehen?

Alle Deutschen haben den Nationalsozialismus erlebt, aber nur ein Fünftel der Deutschen den Kommunismus als Herrschaftsform. Wenn man keinen Leidensdruck verspürt, findet man das Problem nicht besonders erheblich. Deshalb ist die Befassung mit der Staatssicherheit ein Zeichen dafür, wie ernst wir eine Diktatur nehmen, die wir selber in unseren Familien nicht kennengelernt haben.

In der ehemaligen DDR hat die Öffnung der Archive dagegen bis tief in die betroffenen Familien hinein gewirkt. Muss sich der Schwerpunkt der Stasi-Unterlagenbehörde dahingehend verschieben, zu untersuchen, was die Diktaturerfahrung, was der Verrat beim Menschen auslöst?

Es war früh zu erkennen, dass es eine Schwerpunktverlagerung in den Aufgaben der Behörde geben würde. Die juristische Aufarbeitung ist heute größtenteils abgeschlossen. Die Masse der Anfragen aus dem öffentlichen Dienst ist abgearbeitet. Viele Dinge sind verjährt. Es bleibt die Aufgabe, den Einzelnen bei der Akteneinsicht zu unterstützen. Und es gibt die Aufgabe, die Öffentlichkeit über Struktur und Wirkungsweise des Ministeriums für Staatssicherheit zu informieren. Dazu gibt es Ausstellungen, es gibt eine Fülle von Veranstaltungen und es gibt die Publikationen des Bundesbeauftragten, mit denen Faktenmaterial zugänglich gemacht wird. Gerade weil es irgendwann keine Zeitzeugen mehr geben wird, ist diese pädagogische Vermittlung so wichtig. Die intensive Befassung mit der DDR befördert einerseits den Abschied von dieser Diktatur, andererseits aber auch die Auseinandersetzung mit der Demokratie. Das ist auch ein Lernprogramm für Menschen im Westen, denn die kommunistische Herrschaft in Deutschland ist ein nationales Problem, nicht ein regionales. Sie gehört ins kollektive Gedächtnis dieser Nation.

Die Überprüfungen auf Stasi-Tätigkeiten im öffentlichen Dienst sollen bis 2019 dauern. Wäre die Aufklärungsarbeit ein Grund, die Behörde über dieses Jahr hinaus am Leben zu halten, auch um einer Verharmlosung der Diktatur vorzubeugen?

Das wäre hilfreich. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Aufarbeitung auch nach 2019 weiter vorangetrieben werden muss. Die Diktatur in der DDR hat sehr lange gedauert, der Abschied wird also auch sehr lange dauern. Deshalb werden wir auch in zehn Jahren noch damit zu tun haben, die Aufklärung voranzubringen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Behörde auch dann noch Aufgaben hat.

Mit Joachim Gauck sprachen Solveig Bach und Markus Lippold

Quelle: ntv.de

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