Glasfaserkabel angezapft Justizministerin will mehr Datenschutz
24.06.2013, 15:49 Uhr
Der britische Geheimdienst soll große Datenmengenausspähen und seine Erkenntnisse auch mit den Amerikanern teilen.
(Foto: REUTERS)
Bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen soll der britische Geheimdienst täglich mit seinem Spähprogramm erfassen können. Im seinem Visier seien Nutzer weltweit. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ist entsetzt und kündigt Gegenwehr an.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will nach Berichten über ein geheimes britisches Abhörprogramm schnell strengere Datenschutzstandards in der EU durchsetzen. "Das Thema muss Priorität in der Union haben", sagte die FDP-Politikerin. Die Verhandlungen über einen neuen, besseren und einheitlichen Standard müssten vorangetrieben werden. Das Thema solle beim nächsten Treffen der EU-Justizminister im Juli auf die Tagesordnung.
Die Reform des Datenschutzes ist zwischen den Mitgliedstaaten umstritten. Die aktuelle Datenschutzrichtlinie der Gemeinschaft stammt von 1995. Auch Gespräche über ein allgemeines Datenschutz-Abkommen der EU mit den USA sollten jetzt "ganz oben auf die Agenda", forderte Leutheusser-Schnarrenberger. "Das Netz ist doch nicht dazu da, um benutzt und missbraucht zu werden."
Am Freitag hatte die britische Zeitung "Guardian" unter Berufung auf Unterlagen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden von einem umfassenden Abhörprogramm des britischen Geheimdienstes GCHQ namens "Tempora" berichtet. Das Programm sei noch "schlimmer" sei als das von Snowden zuvor angeprangerte Prism-Programm der USA.
Bundesregierung sucht den Dialog mit London
Die Government Communications Headquarters (GCHQ) in London bespitzeln demnach systematisch Telefon- und Internetnutzer in aller Welt und teilen ihre Erkenntnisse mit den US-Kollegen. Von Snowden vorgelegte Dokumente sollen beweisen, dass sich der Geheimdienst GCHQ heimlich Zugang zu mehr als 200 Glasfaserkabeln verschafft hat, über die der weltweite Telekommunikationsstrom läuft.
Die Bundesregierung forderte indes Aufklärung von Großbritannien. Das Innenministerium reichte am Montag einen Fragekatalog über ein britisches Spähprogramm namens Tempora bei der britischen Botschaft in Berlin ein. Angestrebt werde ein Dialog mit der britischen Regierung. Ganz ähnlich war die Bundesregierung bei der Aufklärung zum US-Spähprogramm Prism vorgegangen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Ziel sei es, zu klären, "was da auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang passiert". "Eine Maßnahme namens "Tempora" ist der Bundesregierung außer aus diesen Berichten erst einmal nicht bekannt." Er betonte, die Bundesregierung nehme die Berichte ernst. Es gehe um die Balance zwischen dem Schutz vor terroristischen Straftaten und dem Schutz privater Daten. "Es wird immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit sein", sagte Seibert.
Existenz von Spähprogrammen waren grundsätzlich bekannt
Ulrich Weinbrenner, Ministerialrat im Bundesinnenministerium, sagte bei einer Ausschusssitzung im Bundestag, es sei "in allgemeiner Form bekannt" gewesen, dass es Programme dieser Art gebe. "Niemand, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt", könne sagen, dass er über diese Art der strategischen Aufklärung "grundsätzlich überrascht" sei. Allerdings habe die Regierung erst durch Medienberichte von der behaupteten Ausgestaltung der Programme erfahren.
Der Chef des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, Thomas Oppermann, forderte Bundeskanzlerin Merkel auf, das britische Spähprogramm beim Europäischen Rat so klar ansprechen, dass es auch Konsequenzen habe. "Wir brauchen dringend eine europäische Datenschutzrichtlinie, mit der wir die Daten der Bürger international besser schützen können", meinte der SPD-Politiker.
Hans-Christian Ströbele von den Grünen sagte, die Bundesregierung müsse mitteilen, "wie viele und welche Daten von deutschen Bürgern und Unternehmen durch die anglo-amerikanischen Geheimdienste NSA und GCHQ heimlich erhoben wurden, etwa durch Anzapfen von Glasfaserkabeln." Er wolle auch erfahren, "wie viele und welche dieser illegal erhobenen Daten diese Geheimdienste deutschen Stellen übermittelt haben". Linkspartei-Fraktionsvize Ulrich Maurer sprach von einem "Bedrohungs- und Erpressungspotenzial ungeahnten Ausmaßes". "Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird zur Farce."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP