Bundeswehr-Elite beriet Oberst Klein KSK an Kundus-Angriff beteiligt
10.12.2009, 07:07 UhrAn dem deutschen Befehl zum Luftangriff auf zwei Tanklastzüge bei Kundus soll die Bundeswehr-Elite-Einheit KSK maßgeblichen Anteil gehabt haben. Offenbar ist der gesamte Einsatz aus einem Kommandostand einer geheimen Einheit namens Task Force 47 geführt worden, die zur Hälfte aus KSK-Soldaten besteht.

Die besonders ausgebildeten KSK-Elitesoldaten sind Deutschlands härteste Kämpfer.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bundeswehr-Elite-Einheit KSK (Kommando Spezialkräfte) soll maßgeblich an dem umstrittenen Luftangriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kundus Anfang September beteiligt gewesen sein. Das berichtet die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Bundeswehr-Kreise und Bundeswehr-Berichte.
Im deutschen Feldlager Kundus in Nordafghanistan wurde demnach der gesamte Einsatz - vom ersten Hinweis eines afghanischen Informanten bis zur abschließenden Entscheidung für das Bombardement - aus einem Kommandostand einer geheimen Einheit Taskforce 47 (TF47) geführt. Diese Task Force besteht zur Hälfte aus KSK-Elite-Soldaten. Während des Einsatzes war der verantwortliche Oberst Klein zugleich auch Chef dieser TF47, berichtet "Bild". Klein sei von fünf Offizieren und Unteroffizieren beraten und betreut worden, die allesamt der TF47 angehört hätten, einer von ihnen nachweislich auch der KSK.
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte der Zeitung, die Obleute des Verteidigungsausschusses des Bundestages seien am 6. November über die Existenz der Task Force 47 informiert worden. Nach Angaben von Teilnehmern sei über Beteiligung und Rolle der KSK bei dem Einsatz dabei aber nicht weiter informiert worden.
Zahl der Opfer immer noch unklar
Wie viele Menschen bei dem Luftangriff ums Leben kamen, ist unklar. Ein Untersuchungsbericht der afghanischen Regierung sprach von 30 toten Zivilisten, ein geheimer NATO-Bericht geht von bis zu 142 Toten und Verletzten insgesamt aus, darunter viele Zivilisten. Nach Angaben des Anwalts der Opferfamilien wurden mindestens 137 Zivilisten getötet. "Wir haben allein 91 Witwen von Opfern des Bombardements und 163 Waisenkinder registriert", sagte Rechtsanwalt Karim Popal der "Neuen Presse". Demnach würden seit dem Angriff auch 22 Menschen vermisst. Zudem gebe es 20 Verletzte.
Mit dem Fall wird sich ein Untersuchungsausschuss befassen. Außerdem prüft die Bundesanwaltschaft die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den verantwortlichen deutschen Oberst. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte seine erste Bewertung, wonach die Bombardierung der Tanklaster "militärisch angemessen" gewesen sei, in der vergangenen Woche korrigiert und den Luftangriff inzwischen nicht mehr als militärisch angemessen bezeichnet. Die Bundesregierung hat eine finanzielle Entschädigung von Opfern und Hinterbliebenen angekündigt.
Rotes Kreuz sieht Völkerrechtsverletzung
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) kommt in einer streng vertraulichen Einschätzung laut "Stern" zu dem Schluss, dass der Luftangriff "nicht im Einklang mit dem internationalen Völkerrecht" stehe. Dafür habe es zu viele zivile Opfer gegeben, darunter auch acht-, zehn- und zwölfjährige Kinder.
Das Rote Kreuz habe es damals auch als unwahrscheinlich erachtet, dass die Taliban die beiden gestohlenen Tanklaster zu rollenden Bomben umbauen und gegen die Bundeswehr einsetzen wollten. Die Lastwagen hätten entgegen der Fahrtrichtung zum deutschen Lager in einer Sandbank festgesteckt, als sie am 4. September bombardiert wurden. Für das Bundeswehr-Camp habe keine unmittelbare Bedrohung bestanden.
Grüne: NATO-Bericht geglättet?
Die Grünen äußerten inzwischen den Verdacht, die Bundesregierung könnte Einfluss auf die Erstellung des NATO-Untersuchungsberichtes genommen haben. "Das wird eine der zentralen Fragen des Untersuchungsausschusses sein: Gab es eine politische Einflussnahme von der deutscher Seite, dass der Bericht geglättet wurde", sagte der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour der "Berliner Zeitung".
Beim Vergleich zwischen dem - bislang nicht veröffentlichten, aber einigen Abgeordneten vorgelegten - NATO-Bericht mit dem IKRK-Bericht falle auf, "dass aus dem NATO-Papier eine Zurückhaltung spricht, was die klare Bewertung der Verantwortlichkeiten angeht", sagte Nouripour. Damit sei Bundesverteidigungsminister Guttenberg jedoch nicht entlastet. "Der NATO-Bericht ist trotzdem deutlich genug, um die Nichtangemessenheit des Angriffs festzustellen", urteilte Nouripour. Dies hätte "damals auch Guttenberg merken müssen".
Im Untersuchungsausschuss zu dem Bombardement soll nach dem Willen der Grünen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch der damalige Kanzleramtsminister und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) aussagen.
Quelle: ntv.de, hdr/AFP/dpa/rts