Politik

"Von der Leyen hat sich verrannt" Kabinett billigt Hartz-IV-Reform

Von der Leyen ist zu einem schnellen Kompromiss mit der Opposition bereit, allerdings nicht beim Thema Sachleistungen für Kinder.

Von der Leyen ist zu einem schnellen Kompromiss mit der Opposition bereit, allerdings nicht beim Thema Sachleistungen für Kinder.

(Foto: dpa)

Die umstrittene Hartz-IV-Reform der schwarz-gelben Bundesregierung ist beschlossen. Damit steigen die Regelsätze um fünf Euro. Bis zum Jahresende muss Arbeitsministerin von der Leyen nun einen Kompromiss mit den Ländern finden, die dem Gesetz noch zustimmen müssen. Änderungen dürfte es vor allem am Bildungspaket für Kinder geben.

Das Bundeskabinett hat die Neuregelung der Grundsicherung für Hartz-IV-Empfänger beschlossen. Der Regelsatz für Erwachsene soll danach um 5 auf 364 Euro steigen, für die gut 1,7 Millionen Kinder von Langzeitarbeitslosen ist eine stärkere Bildungsförderung vorgesehen.

Für das Gesamtpaket sind gut 900 Millionen Euro zusätzlich im Haushalt eingeplant. Der von der Opposition als unzureichend kritisierten Reform muss neben dem Bundestag auch noch der Bundesrat zustimmen. Die Zeit dafür ist knapp: Die vom Bundesverfassungsgericht für eine transparente Neuberechnung der Leistungen gesetzte Frist läuft am Jahresende ab.

Zweite Erhöhung entfällt

Eine Änderung gibt es auch für die knapp 1,4 Millionen Hartz-IV-Bezieher, die erwerbstätig sind. Wer mehr als 800 Euro hinzuverdient, soll davon bis zu 20 Euro mehr als bisher behalten dürfen. Von einem Zuverdienst von 1000 Euro blieben dann 280 statt bisher 260 Euro übrig.

Nach dem Gesetz können die etwa 4,7 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger für das kommende Jahr aber nun nicht mehr auf eine zweimalige Erhöhung des Arbeitslosengeldes II setzen. Die Bundesregierung korrigierte die Pläne, den Regelsatz zum Anfang und zur Mitte nächsten Jahres anzuheben. Der bisher übliche Termin für die jährliche Anpassung des Arbeitslosengeldes II wird stattdessen generell vom 1. Juli auf den 1. Januar eines jeden Jahres verschoben.

Schnelle Gespräche nötig

Hartz-IV-Leistungen: Mit der Reform wurde auch neu geregelt, was alles unter den Bedarf von Arbeitslosen fällt.

Hartz-IV-Leistungen: Mit der Reform wurde auch neu geregelt, was alles unter den Bedarf von Arbeitslosen fällt.

(Foto: dpa)

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will deshalb umgehend Gespräche mit der Opposition und den Ländern über die Neuregelung zu führen. Sie betonte aber, dass es in den anstehenden Gesprächen nicht um zusätzliches Bargeld für Kinder von Hartz-IV-Empfängern gehen könne. Dass künftig Bildungsangebote als Sachleistungen angeboten werden, sei für sie nicht verhandelbar. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass Kinder und Jugendliche in Hartz-IV-Familien künftig Anspruch auf ein Bildungs- und Teilhabepaket haben. Dies soll Zuschüsse zum Schulessen, für Nachhilfe und zu Mitgliedschaften in Vereinen beinhalten.

Im ZDF wies von der Leyen darauf hin, dass sie Vorschlägen aus den Ländern bereits entgegengekommen sei. So könnten Kommunen, die dies wollten, sich anstelle der Arbeitsagenturen um die zusätzlichen Bildungsangebote - etwa Nachhilfeunterricht - kümmern. "Die Kinder sollen vor Ort zu den Angeboten gehen", der Staat überweise dann das Geld an die Leistungserbringer, sagte die Ministerin. An der viel kritisierten Chipkarte, mit der solche Leistungen auch bezahlt werden könnten, will sie mittelfristig festhalten. "Wir wollen damit den Verwaltungsaufwand senken und stärken damit die Strukturen vor Ort."

"Furchtbar verrannt"

SPD-Fraktionsvize Elke Ferner kritisierte im ZDF die geplante Einführung einer Bildungskarte. "Es dauert wenigstens ein bis zwei Jahre, bis die Chipkarte ausgereift ist. Das verschlingt viel Geld." Die SPD wolle aber, dass das Geld bei den Kindern ankomme. Sie sehe auch nicht ein, dass man "im Schweinsgalopp" durch die Gesetzgebung gehe, nur weil die Regierung acht Monate lang geschlafen habe.

Die SPD hält insbesondere das Bildungspaket für Kinder für unzureichend und hat ihre Zustimmung in der Länderkammer an finanzielle Nachbesserungen geknüpft. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, forderte ein Spitzengespräch bei Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Er warf von der Leyen vor, sich habe sich bei der Hartz IV-Reform "furchtbar verrannt". Heil bekräftigte die Kritik seiner Partei an der inhaltlichen Ausgestaltung der Reform. Von der Leyen habe "vollmundige Ankündigungen" gemacht. "Am Ende des Tages kommt raus, dass zehn Euro pro Monat an Sachleistungen zur Verfügung stehen. Davon kann man nicht mal sich bei einer Musikschule anmelden."

"Hat uns schockiert"

Die Caritas kritisierte die Hartz-IV-Sätze für Kinder als zu niedrig. "Das hat uns schockiert", sagte Präsident Peter Neher der "Südwest-Presse". Nach Berechnungen der Caritas hätten diese Sätze um 20 bis 40 Euro erhöht werden müssen. Auch das Bildungspaket reiche nicht aus, "um die Teilhabechancen der Kinder so zu stärken, wie es das Verfassungsgericht gefordert hat".

Mit dem Gesetzesvorhaben setzt die Regierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. Die Richter hatten eine Neuberechnung des Hartz-IV-Regelsatzes und die Berücksichtigung der Bildungskosten von Kindern gefordert.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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