Politik

Nordirak will Unabhängigkeit Kerry setzt Kurden unter Druck

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Der von Isis-Dschihadisten durchsetzte Irak ist im Zerfall begriffen. Die aufgeschreckten Amerikaner wollen das verhindern - und die Kurden verpflichten. Deren Präsident hat aber andere Pläne und sagt: "Der Irak fällt sowieso auseinander."

Die USA versuchen mit aller Macht, ein Auseinanderbrechen des Iraks zu verhindern. US-Außenminister John Kerry drängt die Kurden im Irak offenbar dazu, sich an einer neuen Regierung mit Sunniten und Schitten aus Bagdad zu beteiligen - was diese bisher allerdings ablehnen. Kerry ist nach einem Überraschungsbesuch in Bagdad in die kurdische Stadt Erbil weitergereist, um mit Politikern dort über das Vorrücken der Isis-Dschihadisten im Rest des Landes zu sprechen. Ein Sprecher Kerrys sagte unverhohlen, es drohten viele negative Konsequenzen, wenn die Kurden dem Plan nicht zustimmten.

Kurden-Präsident Massud Barsani äußerte sich in einem Interview aber pessimistisch zum Erhalt der Einheit. Er deutete an, dass die Kurden mehr denn je nach ihrer Unabhängigkeit streben. "Für das Volk Kurdistans ist die Zeit gekommen, seine eigene Zukunft zu bestimmen, und es ist die Entscheidung des Volks, der wir folgen werden", sagte Barsani dem US-Fernsehsender CNN. "Der Irak fällt ganz offenkundig ohnehin auseinander, und es ist offensichtlich, dass die Zentralregierung die Kontrolle über alles verloren hat." Barsani gibt dem schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki die Schuld für die Krise. Er sei "verantwortlich" und müsse zurücktreten.

Bei den Kämpfen im Irak sind der Uno zufolge im Juni mindestens 1075 Menschen getötet worden. Nicht weniger als 757 von ihnen seien Zivilisten gewesen, erklärte der Sprecher des Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville. Alleine in den drei nördlichen und westlichen Provinzen Ninive, Dijala und Salaheddin seien binnen 17 Tagen 757 Menschen der Gewalt zum Opfer gefallen und 599 Menschen verletzt worden, sagte Colville. In Bagdad und im Südirak habe es mindestens 318 weitere Todesopfer gegeben.

Experte: Auch Jordanien könnte ins Visier geraten

Kerry hatte Maliki zuvor in Bagdad "intensive Unterstützung" im Kampf gegen den Isis zugesagt. Er betonte, dass die USA jederzeit Luftschläge machen könnten. Konkret sollen zunächst 300 Militärberater und Ausrüstung für die irakische Armee in das Land geschickt werden. Nahostexperte Michael Lüders hält Militärschläge gegen die Isis-Stellungen allerdings nicht für das richtige Mittel, um die Dschihadisten aufzuhalten. Bei n-tv sagte Lüders: "Natürlich können Luftangriffe etwa durch Drohnen oder auch mit Jets dazu führen, dass der Vormarsch vorübergehend aufgehalten wird. Aber das zugrundeliegende Problem wird dadurch nicht gelöst." Die Lösung liege in einer Verständigung der Regionalmächte Türkei, Iran und Saudi-Arabien.

Lüders sieht nicht nur den Irak vor dem Zusammenbruch, sondern möglicherweise auch das benachbarte Jordanien. "Großsyrien - in der Auffassung der Isis - beinhaltet auch den Libanon, Jordanien, Israel und Palästina. Und die genannten Länder und Gebiete müssen sich darauf einstellen, dass sie ebenfalls ins Visier der Isis geraten", sagte Lüders bei n-tv. "Je größer der Erfolg der Isis wird, umso größer wird die Bereitschaft fanatisierter, sunnitischer Jugendlicher sein, sich der Isis anzuschließen. Das ist eine große Sorge, die die Staaten in der Region haben müssen, allen voran König Abdullah in Jordanien" Das Land sei fragil und habe vor allem deswegen überlebt, "weil keiner der Akteure von außen Interesse daran hat, dass dieses Land zerfällt. Ob das so bleibt, wird sich zeigen."

Nördlich von Bagdad haben Isis-Kämpfer unterdessen die größte Ölraffinerie des Landes erobert. Unbestätigte Berichte deuten darauf hin, die irakische Armee streitet das ab.

Quelle: ntv.de, nsc/rts/AFP/dpa

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