Klar(e)s Eigentor Keine Hafterleichterung
28.02.2007, 13:53 UhrMitten in der Debatte über eine Begnadigung von Christian Klar hat Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) Haftlockerungen für den früheren RAF-Terroristen abgelehnt. Nach Klars jüngster fundamentaler Kapitalismuskritik wurden neue erhebliche Zweifel an der Ungefährlichkeit des Häftlings deutlich. Goll will nun dazu ein neues Gutachten abwarten.
Klar hatte in seiner Grußbotschaft vom 13. Januar 2007 an die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin die Hoffnung geäußert, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen". Goll sagte dazu: "Es ist irritierend, wenn die Terminologie heute noch die gleiche ist wie damals. Da hat sich offenbar nicht viel verändert." Nach Golls Entscheidung entbrannte am Mittwoch die Diskussion über eine mögliche Begnadigung des Mörders durch Bundespräsident Horst Köhler aufs Neue. Die CSU stellte sogar die mögliche Freilassung auf Bewährung im Jahr 2009 in Frage.
Goll will eine neue Untersuchung "über die Frage einer fortwährenden Gefährlichkeit des Gefangenen Klar" in Auftrag geben. "Die irritierenden Aussagen des Gefangenen stellen zum Teil das Ergebnis des bereits vorher fertig gestellten Lockerungsgutachtens in Frage." Erleichterungen im Strafvollzug sollen der Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit dienen. Dabei geht es etwa um Wochenendurlaub oder schließlich um Freigang. Einen Rechtsanspruch gibt es nicht.
Die Mindesthaftdauer für den mittlerweile 54-jährigen Klar, der wegen mehrerer gemeinschaftlich verübter Morde in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal sitzt, läuft nach 26 Jahren am 3. Januar 2009 aus. Der Freiburger Kriminologe Helmut Kury hatte ein Gutachten über Klar erstellt. Die jüngsten Äußerungen Klars bezeichnete Kury als "singulär und politisch unklug". Er sei sich aber sicher, dass Klar "selbstverständlich nicht mehr zur Gewalt zurückkehren" werde.
Die Witwe des 1977 von RAF-Terroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer appellierte an Bundespräsident Köhler, Klar nicht zu begnadigen. Das Grußwort des Ex-Terroristen "beweist, dass in Klars Kopf in all den Jahren der Haft nichts stattgefunden hat. Ist das nicht das entscheidende Argument dafür, dass er nicht begnadigt werden darf?", sagte Waltrude Schleyer der "Bild"-Zeitung.
Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte: "Statt über eine vorzeitige Entlassung oder gar Begnadigung Klars zu spekulieren, muss rechtzeitig geprüft werden, ob Klar auch über 2009 hinaus noch länger in Haft bleiben muss." Er bezeichnete Klar gegenüber "Spiegel" als "unverbesserlichen Terroristen". Dies machten der "aggressive Ton Klars und seine ideologische Verbohrtheit" deutlich.
Als erstes Regierungsmitglied sprach sich Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) ebenfalls gegen eine Begnadigung aus. Klar habe gegenüber den Hinterbliebenen keine Reue gezeigt. "Vor diesem Hintergrund wäre eine Begnadigung den Angehörigen der Opfer schwer zu vermitteln", sagte Neumann der "Bild"-Zeitung. Der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis kündigte an, im Bundestag für einen Appell der Abgeordneten an Köhler zu werben, dem Gnadengesuch Klars nicht stattzugeben.
FDP-Chef Guido Westerwelle warnte in der Debatte über die Begnadigung vor "Versöhnungsrhetorik". Wer mit "Versöhnung" argumentiere, sei "geschichtslos". Für Westerwelle sind die RAF-Täter "Serienmörder". Eine Begnadigung komme nicht in Frage. Dagegen mahnte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck, die Politik solle "in keine öffentliche Beratungsdebatte" eintreten. Die Zuständigkeit liege allein beim Bundespräsidenten.
Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Ernst-Gottfried Mahrenholz, kritisierte die Entscheidung des baden-württembergischen Justizministers. "Ich halte das für indiskutabel", sagte Mahrenholz im Deutschlandradio. Haftlockerung bedeute Vorbereitung auf die Entlassung. "Diese Vorbereitung kann man wieder einstellen, wenn der Bundespräsident Nein gesagt hat." Klar habe nichts getan, was es rechtfertigen würde, ihn nicht zu entlassen.
Der studierte Historiker Klar wurde 1982 festgenommen und 1985 wegen gemeinschaftlich verübten Mordes an Schleyer, Generalbundesanwalt Siegfried Buback und Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto sowie deren Begleitern zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Fall seiner Komplizin Brigitte Mohnhaupt hat das Oberlandesgericht Stuttgart vor gut zwei Wochen entschieden, dass sie Ende März nach mehr als 24 Jahren auf freien Fuß kommt.
Quelle: ntv.de