Merkel und Sarkozy einig Keine Steuersenkungen
24.11.2008, 15:49 UhrDeutschland und Frankreich haben eine Senkung der Mehrwertsteuer nach dem Vorbild Großbritanniens abgelehnt. Eine generelle Senkung der Mehrwertsteuer sei vielleicht für bestimmte Länder sinnvoll, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Gipfeltreffen mit dem französischen Staatschef Nicolas Sarkozy in Paris. Deutschland und Frankreich wollten diesen Weg aber nicht gehen. Sarkozy äußerte sich praktisch gleichlautend. Berichten zufolge will die britische Regierung die Mehrwertsteuer von 17,5 auf 15 Prozent senken, um den Konsum anzukurbeln.
Zugleich wurde deutlich, dass Frankreich mehr Tempo wünscht. "Frankreich arbeitet daran, Deutschland denkt darüber nach", sagte Sarkozy zu weitergehenden Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise.
In Berlin stellte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg unterdessen klar, dass es generell keine raschen Steuersenkungen geben werde. Eine Entlastung bei der Einkommensteuer noch im kommenden Jahr, wie sie die CSU und mittlerweile auch Teile der CDU fordern, sei nicht Gegenstand des Regierungshandelns. Die Frage von Steuersenkungen stelle sich erst nach den Bundestagswahlen im Herbst 2009.
Im Januar sieht man weiter
Angesichts des Konjunktureinbruchs waren in der Union Forderungen nach raschen Steuersenkungen noch im nächsten Jahr lauter geworden. In Paris sagte Merkel, sie habe mit Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier vereinbart, im Januar über weitere Konjunkturhilfen zu beraten.
Wie Merkel lehnt die SPD-Spitze Steuersenkungen "auf Pump" zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Solche Schnellschüsse, wie sie in der Union derzeit diskutiert würden, seien kein vernünftiger Weg, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nach Beratungen des Präsidiums in Berlin. Grundsätzlich schloss Heil weitere Schritte in diese Richtung aber nicht aus. Niemand wisse derzeit, wie die Konjunktur im nächsten Jahr verlaufen werde. Im Blick darauf müsse man sich die Möglichkeit offenhalten, "flexibel zu reagieren".
FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle warf Merkel "schwere Fehler" in der Steuerdebatte auf EU-Ebene vor. "Ich kritisiere nachdrücklich, dass die Bundeskanzlerin in Europa bei dem Thema Steuersenkungen andere Regierungen bremsen will, anstatt selber in Europa auf Steuersenkungen zu drängen", sagte Westerwelle. Er unterstützte ausdrücklich die Position der CSU, die ebenfalls rasche Steuersenkungen verlangt.
Kosten soll es nichts
Konkrete Maßnahmen verabredeten Merkel und Sarkozy beim deutsch-französischen Ministerrat nicht. Merkel betonte mehrfach ihr Interesse an Maßnahmen, die kein zusätzliches Geld kosten. Sie verwies dabei auf eine Lockerung der EU-Bestimmungen für kleinere und mittlere Unternehmen und der Wettbewerbsregeln für Anbieter des Breitband-Internets. Auch Sarkozy erklärte: "Man kann sehr viel tun, ohne Geld zu mobilisieren."
Zu den Differenzen mit Frankreich über die Tragweite des Konjunkturpakets befragt, sagte die Kanzlerin, Deutschland habe einen großen Teil der nötigen Maßnahmen auf nationaler Ebene schon auf den Weg gebracht. Die EU-Kommission will am Mittwoch ein Konjunkturprogramm vorschlagen, das 130 Milliarden Euro umfassen soll. Merkel sagte dazu, die 130 Milliarden seien "kein Diktat" Brüssels, sondern "eine Richtgröße". Deutschland habe schon konkrete Maßnahmen beschlossen. Die müsse man erst einmal wirken lassen.
Einigung bei Klima-Auflagen
Einig waren sich Merkel und Sarkozy auch, dass die europäische Autoindustrie nicht von US-Subventionen für die amerikanischen Konzerne benachteiligt werden dürfe. Merkel mahnte aber, nichts zu überstürzen. Europa müsse erst schauen, was in Washington getan werde, und dann darauf reagieren, sagte die Kanzlerin. "Wir wollen keine wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen und können auch keine einfachen Subventionierungen der Industrie vornehmen."
Sarkozy erklärte, man könne nicht hinnehmen, dass die Amerikaner ihre Hersteller mit 25 Milliarden Dollar unterstützten, und die Europäer würden im Gegenteil ihre Branche mit neuen Umweltauflagen belasten. "Wir werden die Autoindustrie nicht fallen lassen", sagte Sarkozy. "In Deutschland gibt es exakt denselben politischen Willen." Man könne "vielleicht über Steuern, vielleicht mit gezielten Maßnahmen" handeln. "Darüber diskutieren wir." Das sei schwierig, weil Deutschland und Frankreich nicht dieselben Autos bauten.
Gabriel will aus Fehlern lernen
Die Bundesregierung lehnte indes den Vorstoß aus Bayern für eine Aufweichung der Klimaziele ab. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wandte sich erneut dagegen, die Ziele der EU zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes auszusetzen. Dies würde bedeuten, dass die Menschen wieder mehr an der Tankstelle zahlen müssten und weiter die falschen Autos produziert würden, sagte er im Deutschlandfunk. Jeder könne am Beispiel von General Motors sehen, was passiere, wenn Autos zu viel Sprit verbrauchten und zu viel Kohlendioxid ausstießen.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte einen Brief an Merkel geschrieben, in dem er fordert, die CO2-Minderungsziele auf EU-Ebene so zu gestalten, "dass keine Arbeitsplätze gefährdet werden".
Nach Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen waren am Wochenende auch Bayern und das Saarland angesichts der Wirtschaftskrise von den EU-Klimaschutzplänen abgerückt. Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) verlangte, die geplanten EU-Vorgaben zum Kohlendioxid-Ausstoß zu lockern: "Es ist jetzt nicht die Zeit, um die Wirtschaft mit überzogenen Umweltzielen zu belasten."
Quelle: ntv.de