Der "Zirkus" und die Sicherheitskonferenz Kerry sucht Kontakt zu Klitschko
31.01.2014, 08:30 Uhr
Gefragter Mann: Vitali Klitschko
(Foto: REUTERS)
Der Andrang ist riesig. Zur Münchner Sicherheitskonferenz kommen Dutzende hochrangige Politiker. US-Außenminister Kerry will die Chance nutzen, um mit der ukrainischen Opposition zu sprechen. Der Machtkampf auf dem Maidan ist nicht das einzige Thema.
So groß war das Interesse an der Münchner Sicherheitskonferenz wohl noch nie. Der Andrang sei in diesem Jahr "wahnsinnig" gewesen, sagt Tagungsleiter Wolfgang Ischinger. Die Anmeldungen zur Jubiläumskonferenz hätten ihn und seine Mitarbeiter nicht nur überwältigt, sondern auch überfordert. Selbst guten Freunden habe er Absagen erteilen müssen. Rund 20 Staats- und Regierungschefs und mehr als 50 Außen- und Verteidigungsminister werden ab diesem Freitag zu dem Expertentreffen in München erwartet. Insgesamt werden es mehr als 90 Regierungsdelegationen sein.

Wolfgang Ischinger ist seit 2009 das Gesicht der Münchner Sicherheitskonferenz.
(Foto: imago/Lindenthaler)
Zum Star der dreitägigen Veranstaltung könnte aber jemand werden, der keiner Regierung angehört – zumindest noch nicht. Ischinger lotst den ukrainischen Oppositionsführer Vitali Klitschko aus den Wirren des Kiewer Machtkampfs nach München. Dort soll der Ex-Boxer dann auch auf US-Außenminister John Kerry treffen. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Vaterlandspartei, Arseni Jazenjuk, wollen sie über die Situation in der Ukraine reden. Und wenn alles gut geht, wird der ehemalige Boxweltmeister am Samstag mit dem amtierenden ukrainischen Außenminister Leonid Koschara im Hotel Bayerischer Hof auf dem Podium sitzen.
Der russische Vize-Ministerpräsident Dmitri Rogosin kritisierte das geplante Treffen von Kerry mit Führern der ukrainischen Opposition. "In München wird sich Außenminister Kerry über die Situation in der Ukraine mit dem Boxer Klitschko und der Sängerin Ruslana unterhalten. Das ist Zirkus", schrieb Rogosin bei Twitter. "Und warum haben sie nicht den Nazi Tiagnibok eingeladen?", schrieb Rogosin mit Blick auf Oleg Tiagnibok, den Chef der rechtspopulistischen Partei Swoboda.
Snowden bleibt fern
Ein prominenter Regierungskritiker aus einem anderen Land wird sich in München auf keinen Fall blicken lassen. NSA-Enthüller Edward Snowden hätte Ischinger auch nicht dabei haben wollen, wenn der noch einen gültigen US-Pass hätte und eine sichere Ein- und Ausreise gewährleistet wäre. Eine "größere Backpfeife" für die US-Regierung wäre nicht vorstellbar, als Snowden einzuladen, sagt Ischinger zur Begründung. Außerdem solle die Sicherheitskonferenz vor allem ein Treffen der Entscheidungsträger bleiben.
Die werden diesmal besonders zahlreich aus den USA anreisen. Mit John Kerry (Außen) und Chuck Hagel (Verteidigung) sind gleich zwei Minister aus Washington dabei. Hinzu kommen die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, sowie zehn Senatoren. "Die Amerikaner wissen, dass hier ein enormer Vertrauensschaden entstanden ist, und dass es hier eine Menge zu erklären gibt", sagt Ischinger mit Blick auf die NSA-Affäre. Dem Auftritt von Kerry und Hagel hat er die recht zuversichtliche Überschrift "Eine transatlantische Renaissance?" gegeben.
Schon zum dritten Mal in Folge wird der Bürgerkrieg in Syrien in München eine größere Rolle spielen. In den vergangenen beiden Jahren waren die Debatten über den Konflikt von Ratlosigkeit geprägt. Jetzt gibt es mit der Genfer Friedenskonferenz zumindest einen Hoffnungsschimmer.
Die Suche nach einer Lösung des Atomstreits mit dem Iran ist sogar schon einen Schritt weiter. Die im vergangenen November mühsam ausgehandelte Vereinbarung zwischen Teheran und den UN-Vetomächten sowie Deutschland beendete eine zwölfjährige Hängepartie und öffnete die Tür zu umfassenden Verhandlungen. Als US-Vizepräsident Joe Biden dem Iran im vergangenen Jahr in München direkte Gespräche anbot, hätte wohl noch niemand erwartet, dass man so schnell so weit kommen würde. Die Diskussion mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am Sonntag dürfte damit wohl etwas harmonischer verlaufen, als frühere Auftritte von Regierungsvertretern aus Teheran in München.
Merkel lässt Gauck den Vortritt
Es werden aber längst nicht alle weltweiten Krisen in München besprochen. "Die Krise des Euro ist aus der Prioritätenliste des Jahres 2014 verschwunden", sagt Ischinger. Und auch die Krisenbewältigung in Afrika von Mali über den Südsudan bis in die Zentralafrikanische Republik steht zumindest nicht auf dem offiziellen Programm. "Nächstes Jahr machen wir daraus ein großes Thema", verspricht der Konferenzchef.
Für die neue Bundesregierung ist die Sicherheitskonferenz die erste Gelegenheit, auf großer Bühne ihre Außenpolitik zu präsentieren. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) werden erklären, wie sie sich die deutsche Beteiligung an der Lösung weltweiter Konflikte vorstellen. Ex-Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wird in seiner neuen Funktion als Innenminister sprechen – zum Thema Internetsicherheit.
Eigentlich wäre in diesem Jahr auch wieder ein Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel fällig gewesen. Die Regierungschefin, die normalerweise alle zwei Jahre nach München kommt, lässt zum Jubiläum aber Bundespräsident Joachim Gauck den Vortritt. Als erstes deutsche Staatsoberhaupt eröffnet er die Konferenz.
Quelle: ntv.de, che/ghö/jog/dpa