Überhangmandate retten CDU Kiel wird Schwarz-Gelb
27.09.2009, 18:14 Uhr
Sichtlich erleichtert zeigt sich Carstensen den Kameras.
(Foto: dpa)
In Schleswig-Holstein können CDU und FDP nach Hochrechnungen von ARD und ZDF eine Regierung mit knapper Mehrheit von genau einem Sitz bilden. Dabei müssen sie sich jedoch voraussichtlich auf Überhangmandate stützen. Die CDU von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sackte bei der vorgezogenen Landtagswahl bei deutlich höherer Wahlbeteiligung als 2005 mit gut 31 Prozent auf ihr schlechtestes Ergebnis seit fast 60 Jahren. Die FDP von Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki erreichte dagegen einen historischen Höchstwert.
Die SPD mit Ralf Stegner an der Spitze - bis zum Bruch der großen Koalition im Juli Regierungspartner der CDU - fällt auf das schlechteste Ergebnis in der Nachkriegszeit von weniger als 26 Prozent zurück. Die Linke zieht erstmals in das Landesparlament ein, das sechs Fraktionen umfasst.
FDP großer Gewinner

Großer Jubel in den FDP-Fraktionsräumen im Kieler Landeshaus.
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Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF erreichen CDU und FDP trotz eines Rückstands beim Zweitstimmenergebnis dank der Überhangmandate der direkt gewählten Angeordneten gemeinsam 41 beziehungsweise 43 Sitze im Landtag. SPD, Grüne, Linke und SSW kommen zusammen auf 40 beziehungsweise 42 Sitze. Die von der Fünf-Prozent-Klausel befreite Partei der dänischen Minderheit - der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) - zieht mit 3 Abgeordneten in den Landtag ein.
Die CDU kommt demnach auf 31,4 Prozent, nach 40,2 Prozent bei der Wahl 2005. Die SPD fällt auf den historischen Tiefstand von 25,3 bis 25,7 Prozent (38,7). Ihr bestes Landtagswahlergebnis in Schleswig-Holstein erreicht die FDP mit 14,9 bis 15,1 Prozent (6,6). Die Grünen legen ebenfalls auf ihr bestes Ergebnis von 12,1 bis 12,3 Prozent (6,2) zu. Die Linken kommen auf 6,0 bis 6,3 Prozent der Stimmen (0,8 PDS). Für den SSW stimmen 4,0 bis 4,6 Prozent (3,6).
Debakel für die SPD

Lange Gesichter dagegen bei der SPD und ihrem Spitzenkandidat Ralf Stegner.
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Stegner zeigte sich enttäuscht. "Das ist heute ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie. Wir hatten eine extrem schwere Ausgangslage durch den Koalitionsbruch." Die SPD sei darauf eingestellt gewesen, im Mai zu wählen. Zudem sei es bei einer historischer Niederlage im Bund unmöglich, im Norden deutlich anders abzuschneiden. "Wir werden uns Gedanken machen müssen", kündigte Stegner an.
Die Spitzenkandidaten der Grünen, Robert Habeck und Monika Heinold, äußerten sich erfreut. "Das ist ein großer Erfolg", sagte Heinold. Habeck erklärte: "Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, werden wir mit allen Gespräche führen."
Linke feiern Einzug
Der SSW zeigte sich zufrieden. "Wir haben unser Wahlziel erreicht, mit drei Abgeordneten im neuen Landtag vertreten zu sein", sagte die Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk.
"Wir haben ein großartiges Ergebnis eingefahren", sagte die Spitzenkandidatin der Linken, Antje Jansen. Die Menschen in Schleswig-Holstein hätten für die Partei gestimmt, da im Land bisher zu wenig "in Richtung soziale Gerechtigkeit passiert ist. Und die Erfahrungen zeigen: Wenn die Linke in einem Parlament ist, wird es sozialer."
Bundesratsmehrheit entscheidet sich in Kiel
Eine Regierungskoalition von CDU und FDP hätte Auswirkungen auf den Bundesrat. Einschließlich der jüngsten schwarz-gelben Koalition in Sachsen kommen Union und FDP auf 33 der 69 Stimmen in der Länderkammer. Mit den vier Stimmen aus Schleswig-Holstein wären es 37, die Mehrheit liegt bei 35 Stimmen.
Sollte es für eine schwarz-gelbe Koalition am Ende nicht reichen, sah Carstensen auch die Möglichkeit, mit den Grünen über die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene zu verhandeln oder Gespräche mit dem SSW aufzunehmen. Carstensen kündigte bereits für Montag erste Gespräche an. "Am Vormittag bin ich in Berlin und auf dem Rückweg habe ich viel Zeit zum Telefonieren." Auch die Partei der dänischen Minderheit schloss Koalitionsverhandlungen mit CDU und FDP nicht aus.
Wahlbeteiligung zufriedenstellend
Die Wahlbeteiligung lag mit 74,5 Prozent über der von 2005. Damals war sie auf den historischen Tiefstand von 66,5 Prozent gerutscht. 13 Parteien bewarben sich um die Stimmen der rund 2,2 Millionen Wahlberechtigten im nördlichsten Bundesland.
Die CDU hatte die große Koalition in Kiel nach zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien und vor allem zwischen Carstensen und Stegner - der bis zu einer Regierungskrise 2007 Innenminister war und dann SPD-Fraktionschef wurde - aufgekündigt. Neuwahlen konnte Carstensen nur über eine verlorene Vertrauensabstimmung herbeiführen. Für ein vorzeitiges Ende der Wahlperiode hatte es im Landtag nicht die nötige Mehrheit gegeben.

Die hohe Wahlbeteiligung sorgte überall im Land für lange Schlangen vor den Urnen.
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Die CDU hatte der SPD und vor allem Stegner Unzuverlässigkeit vorgeworfen, die SPD bezichtigte die CDU im Gegenzug, den Koalitionsbruch inszeniert zu haben. Hauptstreitpunkte im Wahlkampf waren der Umgang mit der Krise der HSH Nordbank, die Sanierung des hoch verschuldeten Landeshaushalts, die Atom- und Schulpolitik.
Quelle: ntv.de, dpa