"Erwarten deutliche Einladung" Kiews Botschafter warnt vor Wiederholung der NATO-Fehler
09.07.2023, 17:26 Uhr Artikel anhören
Der ukrainische Botschafter Makeiev hofft auf eine Einladung zum NATO-Beitritt und weitere Waffenlieferungen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008 stemmt sich Deutschland gegen eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis - aus Kiews Sicht ein fataler Fehler, der Russlands Angriff möglich macht. Vor dem Treffen der Allianz in Vilnius erhofft sich der ukrainische Botschafter in Berlin nun eine "Wegweisung zum NATO-Beitritt".
Vor dem NATO-Gipfel hofft die Ukraine auf ein eindeutiges Beitrittsversprechen des Bündnisses und auf Waffen größerer Reichweite möglichst auch aus Deutschland. "Auf dem Gipfel in Vilnius erwarten wir eine klare und deutliche Einladung und Wegweisung zum NATO-Beitritt", sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. Die NATO dürfe keine Zweideutigkeit mehr zulassen, auch wenn der Beitritt noch nicht heute oder morgen geschehen könne.
Makeiev hofft auch auf weitere Waffenlieferungen. Die russischen Streitkräfte hätten ihre militärische Infrastruktur weit über 100 Kilometer hinter die Frontlinie verlegt, sagte er der dpa. "Um diese Logistik zu brechen, brauchen wir die Waffen mit entsprechender Reichweite." Großbritannien habe bereits seine Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow geliefert. "Deutschland hat die Taurus. Wir stehen zu dieser und andern Fragen mit der Bundesregierung in sehr engem Austausch."
Die Ukraine hat bereits im Mai die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern mit einer Reichweite bis zu 500 Kilometern bei der Bundesregierung beantragt. Die Bundesregierung will sie bisher nicht bereitstellen, weil damit auch russisches Territorium erreicht werden kann.
Berlins Teilnahme an Kampfjet-Allianz hat für Makeiev keine Priorität
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte Bundeskanzler Olaf Scholz auf, seine Zurückhaltung aufzugeben. "Es ist wichtig, dass Scholz beim NATO-Gipfel ein Zeichen mit Blick auf die Waffenlieferungen setzt - insbesondere aufgrund der schwierigen Lage an der Front", sagte er. "Wenn die Briten Marschflugkörper liefern, sehe ich keinen Grund, warum Deutschland das nicht auch kann."
Hofreiter forderte auch eine Beteiligung Deutschlands an der von Dänemark und den Niederlanden geführten Allianz zur Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine - mit Ausbildung und Logistik. Botschafter Makeiev betonte, dass dies für ihn keine Priorität habe. "Wenn unsere deutschen Partner uns auch in der Kampfjet-Allianz unterstützen könnten, würden wir das gerne näher besprechen", sagte er. "Aber zuerst ist es uns wichtig, dass die bereits zugesagten deutschen Waffen bei uns ankommen, bevor wir jetzt eine neue Diskussion eröffnen."
NATO-Gipfel in Vilnius könnte "in die Geschichte eingehen"
Die Staats- und Regierungschefs der 31 NATO-Staaten kommen am Dienstag und Mittwoch in Vilnius zusammen, um unter anderem über die weitere Heranführung der Ukraine an die NATO zu beraten. Makeiev mahnte, dass die Fehler vom NATO-Gipfel in Bukarest 2008 nicht wiederholt werden dürften. Damals hatte sich vor allem Deutschland unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen eine schnelle Aufnahme der Ukraine in das Bündnis gestemmt. "Wäre die Ukraine 2014 bereits NATO-Mitglied gewesen, hätte es die Krim-Annexion, den Krieg im Donbass und jetzt den russischen großangelegten Angriffskrieg sicherlich nicht gegeben", sagte der Botschafter.
Makeiev verwies darauf, dass einer aktuellen Umfrage zufolge mehr als die Hälfte der Deutschen dafür ist, dass die Ukraine früher oder später in die NATO aufgenommen wird. "Wenn schon über die Hälfte der Befragten in Deutschland sich für die Ukraine in der NATO aussprechen, dann versteht man, dass unsere Mitgliedschaft keine Eskalation bedeutet, sondern den Weg zum Frieden", sagte er. "Der einzige Weg, der russischen Aggression gegen Europa ein Ende zu setzen, ist das Senden eines starken Signals aus dem NATO-Gipfel 2023, der alle Chancen hat, in die Geschichte des Zusammenhalts einzugehen."
In einer am Samstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hatten sich 42 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, dass die Ukraine nach dem Ende des russischen Angriffskriegs in die NATO aufgenommen werden sollte. 13 Prozent plädierten sogar für einen sofortigen Beitritt während des laufenden Krieges. Nur 29 sind grundsätzlich gegen eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis, dessen Kern der gegenseitige militärische Beistand im Fall eines Angriffs von außen ist.
Quelle: ntv.de, uzh/dpa