Politik

Arabischer Demokratisierungsprozess Kissinger warnt vor Idealisierung

Kissinger hält es für so gut wie unmöglich, aus islamistischen demokratische Parteien zu machen.

Kissinger hält es für so gut wie unmöglich, aus islamistischen demokratische Parteien zu machen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Nach den heftigen antiwestlichen Massenprotesten in zahlreichen muslimischen Ländern als Reaktion auf das islamkritische Schmähvideo zeigt sich der frühere US-Außenminister Kissinger wenig überrascht. Trotz des arabischen Frühlings lebe man "nicht unbedingt in der gleichen Wertegemeinschaft".

Proteste vor der US-Botschaft in London.

Proteste vor der US-Botschaft in London.

(Foto: Reuters)

Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger hat angesichts der neuen gewaltsamen Unruhen vor einer Idealisierung des arabischen Frühlings gewarnt. "Ich habe den arabischen Frühling nie so wahrgenommen, wie er in weiten Teilen der westlichen Welt und der Medien gesehen wurde", sagte Kissinger der "Bild-Zeitung".

In Ägypten hätten 75 Prozent der Wähler für Muslimbrüder und radikale Islamisten gestimmt, so der 89-jährige Friedensnobelpreisträger. "Das bedeutet nicht, dass man keine guten Beziehungen zu Ägypten haben kann - das war und ist im Interesse beider Staaten. Dennoch leben wir nicht unbedingt in der gleichen Wertegemeinschaft."

Kissinger wies weiter darauf hin, dass die Entwicklung in der arabischen Welt hin zur Demokratie "ein sehr langsamer Prozess" sei: "Es ist so gut wie unmöglich, dass aus politischen Parteien, die das Scharia-Recht verteidigen, demokratische Parteien werden", sagte er. "Das ist das Dilemma, das wir im Moment haben, da dürfen wir uns nichts vormachen. Wenn man darauf besteht, dass Staat und Religion identisch sind, ist es fast unmöglich, dass sich andere Meinungen entfalten können."

Weitere Sicherheitsmaßnahmen

Nach den gewalttätigen Protesten gegen einen anti-islamischen Schmähfilm wappnen sich die USA für weitere Unruhen in der arabischen Welt. Bis auf eine Notbesetzung wird in Tunesien und dem Sudan alles Personal aus den dortigen Botschaften abgezogen. . Das Weiße Haus gehe davon aus, dass die gewaltsamen Proteste zu einer "anhaltenden Krise mit unvorhersehbaren diplomatischen und politischen Konsequenzen" führen könnten, schrieb die "New York Times".

Deutschland verschärfte die Reisehinweise für den Sudan. Eine Außenamtssprecherin kündigte an, dass das Personal der deutschen Botschaft ausgedünnt und zusätzliche Sicherheitskräfte entsandt würden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die sudanesische Regierung auf, den Schutz diplomatischer Einrichtungen zu gewährleisten. Die Botschaft, die am Freitag gestürmt worden war, ist derzeit geschlossen.

Insgesamt flauten die Unruhen in der islamischen Welt am Wochenende allmählich ab. In Kairo, wo die Massendemonstrationen am Dienstagabend ihren Anfang genommen hatten, räumten Sicherheitskräfte den zentralen Tahrir-Platz. Viele arabische Medien verurteilten die Krawalle, die mehrere Menschen das Leben gekostet hatten.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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