Murren in Prag Klares Ja der Iren zu EU-Vertrag
03.10.2009, 17:06 Uhr
Luftballons mit der Aufschrift "Ja zu Lissabon" über den Dächern von Dublin.
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Irland nimmt die Hürde und akzeptiert den EU-Reformvertrag mit großer Mehrheit. Nun hängt alles nur noch an Tschechien und Polen, EU-Chef Barroso fordert von beiden Staaten schnelles Handeln. Sonst könnte neues Ungemach drohen.

Ministerpräsident Cowen unterstützte das Ja-Lager.
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Irland hat dem EU-Vertrag von Lissabon zugestimmt. Nach dem offiziellen Endergebnis votierten 67,1 Prozent für und 32,9 Prozent der Iren gegen das EU-Reformwerk. Das teilte der Wahlleiter in Dublin mit. Die Wahlbeteiligung in der Neuauflage der Abstimmung lag bei 58 Prozent. Damit ist eine Krise der EU abgewendet.
"Die Iren haben mit klarer Stimme gesprochen. Es ist ein guter Tag für Irland und ein guter Tag für Europa", sagte der irische Ministerpräsident Brian Cowen. Die Abstimmung sei "eine Willenserklärung, im Herzen Europas zu bleiben". Der Anführer der Anti-Lissabon-Kampagne, Declan Ganley, räumte seine Niederlage ein. "Ich bin überrascht, wie groß die Ja-Seite ist. Das zeigt, wie viel Angst die Leute haben." Irland steckt derzeit in einer schweren Wirtschaftskrise.
EU drängt Tschechien und Polen
Die EU will nun mit schnellen Schritten Richtung Tschechien den Lissabonner Reformvertrag endgültig unter Dach und Fach bringen. Der amtierende Ratspräsident und schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt kündigte in Stockholm an, dass er sich am kommenden Mittwoch in Brüssel mit dem tschechischen Regierungschef Jan Fischer und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso treffen will.

EU-Komissionspräsident Barroso will den Vertrag nun schnell ratifiziert sehen.
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In Tschechien steht neben der Unterschrift von Staatspräsident Vaclav Klaus auch noch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in Prag aus. Man rechne mit zwei bis drei Wochen, bis diese vorliege, sagte Reinfeldt. In dieser Zeit sei es "sehr wichtig, dass die Präsidentschaft Europa aktiv auf die weitere Entwicklung vorbereitet".
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief nach dem sich abzeichnenden Ja der Iren zum EU-Reformvertrag die Staatschefs Tschechiens und Polens zum Handeln auf. "Jetzt, da alle Mitgliedstaaten dem Vertrag von Lissabon demokratisch zugestimmt haben, muss der Vertrag so schnell wie möglich auch in Polen und Tschechien ratifiziert werden", sagte Barroso.

Klaus bei einer Anti-EU-Demonstration.
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"Das tschechische Parlament hat dem Vertrag bereits zugestimmt, also habe ich jeden Grund anzunehmen, dass der Vertrag endgültig ratifiziert wird." Nach Gesprächen mit Präsident Vaclav Klaus sei er "voll zuversichtlich". "Er wird sich dem Vertrag am Ende nicht entgegenstellen."
Geteiltes Echo in Prag
In Tschechien begrüßten Regierungsvertretern das irische Votum, während Präsident Vaclav Klaus und eine Gruppe von EU-skeptischen Senatoren das Abkommen weiterhin kritisch sehen. "Natürlich respektiere ich die irische Entscheidung", sagte Klaus am Rande einer Demonstration von etwa 300 EU-Gegnern vor der Prager Burg. "Dass sie befleckt ist durch ein wiederholtes Referendum und großen Druck, ist eine andere Sache."
Der polnische Präsident Lech Kaczynski will indes "unverzüglich" seine Unterschrift unter das Dokument setzen. Das sagte der Chef der Präsidentenkanzlei, Wladyslaw Stasiak, nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP in Warschau. Es sei zwar schwer, ein konkretes Datum zu nennen, es werde aber ohne "unnötige Verzögerung" geschehen. Seiner Meinung nach sollen keine Monate und auch keine Wochen vergehen.
Gefahr aus England
Falls der Lissabon-Vertrag nicht mehr vor den Wahlen in Großbritannien im Mai oder Juni in Kraft tritt, droht womöglich eine weitere Gefahr. Der britische Oppositionsführer David Cameron will bei einem Wahlsieg der Tories eine Volksabstimmung in Großbritannien über die EU-Reform abhalten. Wenn Klaus den Abschluss der Ratifizierung in Tschechien lange genug hinauszögert, könnte ein Nein der Briten den Vertrag zu Fall bringen.

Die Stimmung dieser Jugendlichen ist eindeutig.
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Der Vertrag von Lissabon - Nachfolger der gescheiterten EU-Verfassung - soll die EU zu schnelleren Entscheidungen fähig machen, den nationalen Parlamenten und dem Europaparlament mehr Rechte geben und die Union zu einem wichtigen außenpolitischen Akteur machen. Hätten die Iren zum zweiten Mal mehrheitlich mit Nein gestimmt, wäre die EU-Reform gescheitert.
Zugeständnisse an Iren
Der irische Ministerpräsident Brian Cowen hatte Zugeständnisse von Brüssel erhalten, um seinen Landsleuten den Vertrag beim zweiten Durchgang schmackhaft zu machen. So wird das strikte Abtreibungsverbot im katholischen Irland nicht infrage gestellt. Auch darf künftig jedes EU-Land einen Kommissar stellen.
Zu einem Ja dürfte die desaströse Wirtschaftslage Irland beigetragen haben. Irland war so tief wie kaum ein anderes EU-Land in die Rezession gerutscht. Befürworter des Vertrags hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass ein neues Nein Irland an den Rande Europas treiben würde und das Land mit seinen Problemen alleine dastünde. Vertrags-Gegner werteten dies jedoch als Angstmache und "Erpressung".
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa