Kein "Überbietungswettbewerb" Koalition gegen größeres Paket
25.11.2008, 16:30 UhrFinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat Forderungen nach einem größeren Konjunkturpaket und Steuersenkungen gegen den Wirtschaftsabschwung zurückgewiesen. Zum Auftakt der Schlussdebatte des Bundestages über den Etat 2009 warnte er vor einem "Überbietungswettbewerb hoch dimensionierter Konjunkturprogramme".
Unterstützung bekam Steinbrück von Haushaltspolitikern von Union und SPD. Zunächst müsse die Wirkung der erst kürzlich beschlossenen Entlastungs- und Konjunkturmaßnahmen abgewartet werden. FDP, Grüne und Linke warfen der Koalition vor, den Ernst der Lage weiter nicht erkannt zu haben. Die bisherigen Konjunkturhilfen reichten nicht und verfehlten ihre Wirkung. Der Etat gehe an der Realität vorbei.
32 Milliarden gegen Abschwung
Zu Beginn der viertägigen Etatdebatte wurde erstmals über das jüngste Konjunkturpaket beraten. Es sieht neben einem Erlass der Kfz-Steuer und einem Steuerbonus für private Handwerkerrechnungen und Firmen mehr Geld für Verkehr, Kommunen und die Gebäudesanierung sowie günstige Darlehen vor allem für Mittelstandsfirmen vor. Zusammen mit den Beschlüssen vom Oktober wie mehr Kinder- und Wohngeld sowie geringere Arbeitslosenbeiträge nimmt die öffentliche Hand 32 Milliarden Euro zur Entlastung und gegen den Abschwung in die Hand.
Steinbrück zufolge werden einschließlich anderer Maßnahmen in den nächsten zwei Jahren 50 Milliarden Euro "zusätzlich in den Kreislauf gepumpt". Der Regierung könne daher nicht vorgeworfen werden, sie sei passiv. Die Große Koalition will dennoch Anfang Januar über mögliche weitere Schritte beraten. Steinbrück wies Berichte als "Blüte" zurück, dass auch über Konsum-Gutscheine von jeweils 500 Euro nachgedacht werde. "Es gibt solche Pläne nicht, nicht in meinem Haus und ich vermute, an anderen Stellen auch nicht."
Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sprach sich dagegen für die Ausgabe von Konsumgutscheinen aus. "Das wäre ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". "Wichtig ist, dass das Geld jeder bekommt, also nicht nur Steuerzahler, sondern auch Niedriglohnbezieher und Rentner."
"Bundesrepublik Deutschland ist in einer Rezession"
Die Haushaltspläne, die an diesem Freitag endgültig verabschiedet werden sollen, basieren auf einer Wachstumserwartung der Regierung von 0,2 Prozent im nächsten Jahr. Ökonomen und Bundesbank rechnen inzwischen mit einem Rückgang von bis zu 1,0 Prozent und damit dem stärksten Einbruch der Wirtschaft seit Gründung der Bundesrepublik. Steinbrück räumte ein: "Ja, die Bundesrepublik Deutschland ist in einer Rezession." Niemand wisse, wie lange und wie tief sie werde.
Steinbrück hält aber an der optimistischen Prognose fest. Es gebe einen Korridor für die mögliche Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von plus 0,2 bis minus 1,0 Prozent. Er halte es für legitim, dass die Regierung sich am oberen Ende bewege. "Auch in dieser Situation warne ich vor dem Vergnügen des Erschauerns", sagte Steinbrück, räumte aber ein: "Wir kommen in schweres Wetter." Den Menschen sollte ehrlich gesagt werden, dass die Politik Turbulenzen zwar mindern könne. "Aber wir werden ... nicht jeden Unbill in der Entwicklung des nächsten Jahres von den Menschen abhalten können."
Gegen "apokalyptischen Wettlauf"
Infolge der Finanz- und Konjunkturkrise, geringerer Steuer- und Privatisierungseinnahmen steigt die Neuverschuldung des Bundes 2009 um 8 auf 18,5 Milliarden Euro. Die Haushaltspolitiker von Union und SPD, Steffen Kampeter (CDU) und Carsten Schneider (SPD), sprachen von angemessenen Budgetplänen und Konjunkturpaketen. Der Aktionismus in anderen Ländern sei für die deutsche Situation nicht angemessen, sagte Kampeter. Schneider warnte, "nun mit dem Füllhorn durchs Land zu ziehen". CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer wandte sich gegen einen "apokalyptischen Wettlauf". Es gebe noch keine Details bei Überlegungen, Steuerentlastungen von 2010 auf 2009 vorzuziehen.
Der FDP-Abgeordnete Volker Wissing hielt der Koalition vor, mit einer verfehlten Steuer- und Finanzpolitik für die derzeitige Situation mitverantwortlich zu sein. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn konnte in den Maßnahmen der Regierung kein Konzept erkennen. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hielt dem Bund vor, weniger als vier Milliarden Euro in Konjunkturmaßnahmen zu stecken: "Sie müssen aufhören zu kleckern. Sie müssen endlich klotzen."
Quelle: ntv.de