Politik

Kein "Krisentreffen" im Kanzleramt Koalition sucht Neuanfang

Die Journalisten standen fröstelnd im Schnee vor dem Kanzleramt, doch zu sehen gab es eigentlich nichts.

Die Journalisten standen fröstelnd im Schnee vor dem Kanzleramt, doch zu sehen gab es eigentlich nichts.

(Foto: dpa)

Knapp 100 Tage nach ihrem Start ringt die schwarz-gelbe Bundesregierung um mehr Geschlossenheit. Vor einem Spitzentreffen im Kanzleramt stecken die drei Parteien demonstrativ noch einmal ihre Felder ab. Über den Ausgang des "Krisentreffens", das offiziell nicht so heißen durfte, wurde Stillschweigen vereinbart.

Die Kanzlerin hatte es schön gemütlich in ihrer Stube und bereitete ihren Regierungspartnern einen warmen Empfang.

Die Kanzlerin hatte es schön gemütlich in ihrer Stube und bereitete ihren Regierungspartnern einen warmen Empfang.

(Foto: AP)

Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sowie die Vorsitzenden von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer, haben bei einem vertraulichen Spitzengespräch im Kanzleramt versucht, ihre massiven Differenzen auszuräumen. Ergebnisse wollten sie nicht verkünden. Trotz der wochenlangen Auseinandersetzungen wiesen die Beteiligten zurück, dass es sich um ein "Krisengespräch" handelte. Allerdings brachten sich die Parteien vor der Zusammenkunft erneut in Stellung.

Die FDP pochte weiter auf Steuerentlastungen und stellte lediglich den Zeitrahmen zur Disposition. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verwies auf den Koalitionsvertrag, wonach alle Vorhaben der Regierung unter Finanzierungsvorbehalt stehen. In dem Spitzengespräch sollte es neben dem Steuerstreit um Westerwelles Veto gegen die Personalie Erika Steinbach gehen, sowie um die Gegensätze in der Frage des EU-Beitritts der Türkei sowie in der Gesundheitspolitik.

Große Angst vor dem Versagen

Horst Seehofer erreicht das Kanzleramt mit vielen unverrückbaren Standpunkten im Gepäck.

Horst Seehofer erreicht das Kanzleramt mit vielen unverrückbaren Standpunkten im Gepäck.

(Foto: dpa)

Westerwelle rief der Union bei einem Auftritt in Düsseldorf zu: "Liebe Freunde von der Union, euer Gegner ist nicht die FDP. Eure Gegner sind SPD, Grüne und Linkspartei." Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) forderte mehr Geschlossenheit von der Koalition. "Man darf ruhig den Eindruck erwecken, dass man tatsächlich auch gemeinsam regieren will." Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: "Es darf nicht mehr jeden Tag etwas herausgegackert werden. Sonst erleben wir ein Kommunikationsdesaster wie Rot-Grün bei der Einführung von Hartz IV."

Eine Menge Zündstoff

Allerdings tat sich bei bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV gleich neuer Zündstoff auf. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sorgte mit einem Vorstoß für eine Arbeitspflicht von Hartz-IV-Empfängern bei Opposition und Gewerkschaften für Empörung. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bemühte sich um Schadensbegrenzung. "Ich weiß, dass es einige schwarze Schafe gibt, aber deswegen dürfen wir nicht alle Hartz-IV-Empfänger in eine Ecke stellen", sagte sie.

Auch Guido Westerwelle will nicht den Umfaller geben an diesem Abend in Berlin.

Auch Guido Westerwelle will nicht den Umfaller geben an diesem Abend in Berlin.

(Foto: dpa)

Ein Hauptkonflikt der Koalition bleibt, dass die FDP weiter auf der angekündigten Steuersenkung von 24 Milliarden Euro pro Jahr beharrt. Schäuble sagte: "Der Koalitionsvertrag enthält die goldenen Regeln. Das heißt: Alles muss finanzierbar sein." Auch kenne er niemanden in der Koalition, der die Schuldenbremse des Grundgesetzes ignorieren wolle. Schäuble wies seine Beamten an, bei der Berechnung des Staatsdefizits eine Steuerreform zunächst auszuklammern.

Lobbypolitik statt Gemeinwohl

Kritik kam von Grünen: "Die Basis dieser Koalition stimmte nicht", heißt es in einer Stellungnahme von Fraktionschef Jürgen Trittin zu dem Treffen im Kanzleramt.. "Steuererleichterungen für Reiche, aber kein Cent für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Gegen Spenden gibt es Steuerleichterungen für Hotelkonzerne. Das Solidarprinzip in der Gesundheitsversorgung wird aufgegeben. Für die Energiekonzernen gibt es Extraprofite durch längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Klimaschutz, Bildung für alle und eine nachhaltige Haushaltspolitik bleiben auf der Strecke." Nur wenn sich Merkel und Co. sich von ihrer Lobby- und Klientelpolitik verabschiedeten, habe das Gemeinwohl wieder eine Chance, meint Trittin.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa

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