Streit um Online-Durchsuchungen Koalition will sachlichen Ton
28.07.2007, 11:29 UhrSpitzenpolitiker der Koalition bemühen sich angesichts des Streits über die Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze um einen sachlicheren Ton. Kanzleramtsminister Thomas de Maizire (CDU) mahnte zur Besonnenheit bei neuen Vorschlägen, ohne Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim Namen zu nennen: "Der Tonfall ist dabei sehr wichtig". SPD-Chef Kurt Beck warnte vor einem "falschen Sicherheitswettbewerb", signalisierte aber Bereitschaft zum Gespräch bei den umstrittenen heimlichen Online-Durchsuchungen von Computern.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) warnte davor, die Bevölkerung mit immer neuen Vorstößen zu verunsichern. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hielt ihr vor, sie sei ein Sicherheitsrisiko, weil sie die Online-Durchsuchung ablehne.
Keine Insel der Seligen
De Maizire (CDU) mahnte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Deutschland ist keine Insel der Seligen, auch wir werden vom Terrorismus bedroht. Das muss man der Öffentlichkeit aber verantwortungsvoll erklären." Zwar müsse man alles tun, um mögliche Anschläge zu vermeiden. "Vor lauter Angst dürfen wir aber unsere freiheitliche Ordnung nicht aufgeben." Bei der Online-Durchsuchung äußerte sich der Kanzleramtsminister optimistisch, dass es bis Ende August zu einer Einigung mit der SPD kommen werde: "Was ich dazu beitragen kann, werde ich jedenfalls tun."
Schäuble war zuletzt von verschiedenen Seiten für immer neue Forderungen nach schärferen Gesetzen kritisiert worden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihn aber gegen "Denkverbote" verteidigt.
Beck stellt Bedingungen
SPD-Chef Beck nannte in der "Bild am Sonntag" Bedingungen für eine Zustimmung seiner Partei zu den Online-Durchsuchungen. "Wir müssen sorgfaltig abwägen, ob es nötig und ob es juristisch überhaupt möglich ist. Es geht um einen ganz sensiblen Bereich der Privatsphäre", sagte er. "Die Prinzipien des Rechtsstaates müssen gewahrt bleiben. So müssten die Betroffenen die Möglichkeit haben, sich gegen die Durchsuchung privater Daten juristisch zur Wehr zu setzen."
Beck sagte: "Wir dürfen nicht die Freiheit, die wir schützen wollen, selber aufgeben - nach dem Motto: Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Deshalb warne ich vor einem falschen Sicherheitswettbewerb. Die Bedrohung ist größer geworden. Aber wir haben schon eine Menge zu unserem Schutz getan." Zu den Vorstößen von Schäuble sagte Beck: "Wir sind gesprächsbereit. Aber es gibt auch klare Grenzen."
Bürgerrechte und Sicherheit
Zypries schrieb in einem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau", die ständigen Versuche, Sicherheitsgesetze zu verschärfen, schürten nur Unsicherheit. Bürgerrechte und Sicherheit dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Im Streit über Online-Durchsuchungen sagte Beckstein der "Passauer Neuen Presse": "Ich halte das Verhalten von Frau Zypries für unvertretbar, weil dadurch eine Lücke im Sicherheitsnetz entsteht, die für uns in Deutschland sehr gefährlich sein kann."
SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte Schäuble erneut auf, das Gesetz zur Stärkung der Rechte des Bundeskriminalamtes (BKA) im Anti-Terror-Kampf ohne die Online-Durchsuchung auf den parlamentarischen Weg zu bringen und zu verabschieden. "Wir wollen die BKA-Novelle ohne die Online-Durchsuchung im Herbst verabschieden", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Wiefelspütz will erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Anfang 2008 abwarten. Karlsruhe wird von Oktober an eine Verfassungsbeschwerde über die im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz geregelte Möglichkeit zur Online-Durchsuchung beraten.
Mehr Sicherheit durch Abschaltung
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte Schäuble auf, die Abschaltung alter Atomkraftwerke in seine Aktionsliste zur Stärkung der inneren Sicherheit aufzunehmen. "Wir können die innere Sicherheit sofort ohne große Gesetzesinitiativen verbessern", sagte er der "Berliner Zeitung". Die Atomreaktoren, die kaum gegen terroristische Angriffe wie gezielte Flugzeugabstürze gesichert seien, müssten sofort vom Netz genommen werden.
Quelle: ntv.de