Zwei Bundeswehrsoldaten verletzt Kommandeur entgeht Anschlag
19.06.2011, 19:18 Uhr
Das Auto des Attentäters ist ausgebrannt.
(Foto: dpa)
Nur knapp entgeht der Kommandeur des deutschen Feldlagers Kundus, Oberst Sabrautzki, einem Bombenanschlag. Zwei Bundeswehrsoldaten werden leicht verletzt. Hinweise dafür, dass das Attentat gezielt dem Oberst galt, sieht die Bundeswehr derzeit nicht. Entwicklungshilfeminister Niebel führt derweil in Kabul Gespräche über die finanzielle Hilfe für Afghanistan.

Zwei Soldaten werden verletzt.
(Foto: AP)
Der ranghöchste deutsche Kommandeur in der nordafghanischen Unruheprovinz Kundus ist bei einem Bombenanschlag mit dem Schrecken davongekommen. Wie die Bundeswehr mitteilte, war Oberst Norbert Sabrautzki, der Chef des regionalen Wiederaufbauteams (PRT), auf dem Weg zu einer Sicherheitsbesprechung mit afghanischen Behörden, als sein Konvoi am Stadtrand von Kundus mit einem Sprengsatz angegriffen wurde. Drei Zivilisten starben. Die radikal-islamischen Taliban bekannten sich zu der Tat.
Nach bisherigen Erkenntnissen der Bundeswehr explodierte ein mit einer Bombe präpariertes Auto am Straßenrand, als die insgesamt sechs deutschen Militärfahrzeuge die Stelle etwa drei Kilometer nordwestlich des Feldlagers passierten. Es sei jedoch unklar, ob darin ein Selbstmordattentäter gesessen habe, hieß es weiter.
Die Provinzregierung von Kundus und das Innenministerium in Kabul gingen dagegen von einem Selbstmordanschlag aus, bei dem mindestens drei afghanische Zivilisten getötet und elf weitere verletzt worden seien. Die Bundeswehr teilte mit, es seien auch zwei deutsche Soldaten leicht verwundet worden. Sie hätten sich nach ihrer Rückkehr ins Feldlager im Rettungslazarett gemeldet.
Keine Hinweise auf gezielten Anschlag
Bei dem Angriff wurden nach Bundeswehr-Angaben zwei gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Dingo 2 beschädigt. Sie hätten der Wucht der Detonation jedoch standgehalten. Oberst Sabrautzki habe nicht in diesen Fahrzeugen gesessen. Er habe die Fahrt fortgesetzt und planmäßig an dem Sicherheitstreffen mit den Afghanen teilgenommen.
"Wir haben derzeit überhaupt keinen Hinweis darauf, dass es (der Anschlag) gezielt gegen den Führer des PRT Kundus gerichtet war", betonte General Dirk Backen, Kontingentführer des deutschen Einsatzkontingentes. "Nach derzeitigem Stand gibt es keine Veranlassung dazu, das anzunehmen."
Der Kommandeur der Bundeswehr in Afghanistan, Generalmajor Markus Kneip, war erst Ende Mai bei einem Sprengstoffanschlag auf den Gouverneurssitz im nordafghanischen Talokan verletzt worden. Zwei Bundeswehrsoldaten wurden damals getötet.
De Maiziere macht sich ein Bild von der Lage
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hatte am Freitag den deutschen Soldaten in Afghanistan mit einem Überraschungsbesuch den Rücken gestärkt. Im Hauptquartier in Masar-i-Scharif und in Kundus ließ er sich über die Operationsplanung unterrichten und warb bei den Soldaten für seine Reformpläne. Er wolle sich ein "ungeschminktes Bild" der Lage machen, sagte der CDU-Politiker; ein Kurswechsel komme aber für ihn nicht in Frage.
Die Bundeswehr sieht sich in diesem Frühjahr einer beispiellosen Anschlagsserie ausgesetzt. Bei drei Anschlägen in neun Tagen waren vier Bundeswehrsoldaten ums Leben gekommen.
Niebel in Afghanistan
Inzwischen ist Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen. Niebel und der ihn begleitende EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs wollen mit Vertretern der afghanischen Zivilgesellschaft sprechen und mit Staatspräsident Hamid Karzai zusammentreffen. Sie waren zuvor in Pakistan und wollten anschließend noch Bangladesch weiterreisen. In Pakistan und Afghanistan gehört auch UNICEF- Botschafterin Sabine Christiansen zur Delegation.
In Kabul will Niebel auch mit dem afghanischen Finanzminister Omar Zakhilwal darüber sprechen, unter welchen Umständen die bislang zurückgehaltene zweite Tranche deutscher Hilfsgelder in Höhe von 110 Millionen Euro freigegeben werden kann. Deutschland ist mit der Verdoppelung seiner zivilen Hilfe auf bis zu 430 Millionen Euro pro Jahr 2010 bis 2013 größter europäischer Geber in Afghanistan.
Die beiden Politiker wollen auch Projekte der deutschen und europäischen Entwicklungspolitik besuchen. "Wir haben durch unsere Entwicklungsoffensive erhebliche Erfolge erzielt", sagte Niebel. Allein seit 2009 seien mehr als 30.000 Personen in verschiedenen wirtschaftlichen Tätigkeiten fortgebildet worden, um ihnen bessere Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen. Rund 43.000 Personen hätten von Mikrokrediten, die mit Unterstützung der deutsch-afghanischen Entwicklungszusammenarbeit vergeben wurden, profitiert.
Von neu gebauten oder instand gesetzten Bewässerungskanälen hätten mehr als 26.000 Haushalte Vorteile. Mehr als 100.000 Haushalte in den Provinzen hätten einen verbesserten Zugang zu Trinkwasser. Mehr als 28.000 Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und weiterführenden Schulen sowie über 250 Lehrerinnen und Lehrer an Berufsschulen seien fortgebildet worden.
Löning kritisiert Lage in Afghanistan

Übt Kritik an der Lage am Hindukusch: Markus Löning.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), zog eine eher kritische Zwischenbilanz zur Entwicklung des Landes knapp zehn Jahre nach dem Beginn des Bundeswehreinsatzes. Den Regierenden in Afghanistan fehle es an "Macht, teilweise auch am Willen, rechtsstaatliche Strukturen und grundlegende Versorgungsleistungen zu gewährleisten", sagte er der "Leipziger Volkszeitung". "Gerade in ländlichen Regionen haben viele Menschen keinen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung", sagte Löning.
Die Lage der Frauen in der konservativ-islamischen Gesellschaft bleibe "schwierig", auch wenn sie sich im Vergleich zur Zeit der radikalislamischen Taliban-Herrschaft etwas verbessert habe. "Mädchen können wieder zur Schule, Frauen werden nicht mehr systematisch unterdrückt und menschenverachtend behandelt", hob Löning hervor. Andererseits sei die persönliche Sicherheit vieler Menschen in Afghanistan weiterhin gefährdet. "Der Staat ist bislang nicht in der Lage, seine Bürger effektiv gegen gewaltsame Übergriffe von Aufständischen zu schützen", kritisierte Löning.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP