Politik

Tee-Pause im Polit-Basar von Bagdad Kompromiss zeigt erste Risse

Koalitionsverhandlungen sind oft langwierig. Doch das Schauspiel, das die irakischen Parteiführer seit Monaten darbieten, ist ohne Beispiel. Trotzdem ist man in Bagdad erleichtert, dass es jetzt zumindest einen wackeligen Kompromiss gibt.

Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki (l) und Ijad Allawi, der Führer der Al-Irakija-Liste.

Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki (l) und Ijad Allawi, der Führer der Al-Irakija-Liste.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer in einem orientalischen Basar günstig einen Teppich kaufen will, sollte während der Verhandlungen mehrfach das Geschäft verlassen. Er muss mehrere Tassen Tee trinken und über die Ware lästern, ohne den Verkäufer zu beleidigen. Ganz ähnlich lief der Verhandlungsmarathon zwischen den irakischen Parteien ab, der nach mehr als achtmonatigem Postenschacher nun in die Bildung einer neuen Regierung münden soll. Bis zur letzten Sekunde wurde am Donnerstagabend verbissen getrickst und gestritten.

Was die Verhandlungen in Bagdad künstlich in die Länge zog, war, dass zwischendurch immer wieder Nachbarn und Passanten das "Teppichgeschäft" betraten. Einige gaben nützliche Tipps, andere hetzten die Verhandlungspartner gegeneinander auf. Die schiitischen Machthaber in Teheran wollten mitreden, das sunnitische Herrscherhaus von Saudi-Arabien, die Syrer, die Türken und vor allem auch die USA, die ihre verbliebenen Truppen bald aus dem Zweistromland abziehen wollen.

Alle drei großen Bevölkerungsgruppen

Alltägliche Straßenszene in Bagdad: Ein Mann verkauft Tee an Passanten. Er bereitet das Getränk in Blechkannen zu, die auf einem Metallgestell mit glühender Holzkohle stehen.

Alltägliche Straßenszene in Bagdad: Ein Mann verkauft Tee an Passanten. Er bereitet das Getränk in Blechkannen zu, die auf einem Metallgestell mit glühender Holzkohle stehen.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Entscheidend für die Einigung war zuletzt wohl der Druck aus Washington. Erst brachten die Amerikaner die Kurdenparteien und die vom Iran unterstützten Schiiten-Parteien von ihrer ursprünglichen Idee ab, sich ohne den säkularen Schiiten Ijad Allawi und ohne die mit ihm verbündeten Sunniten zu einigen. Denn das hätte möglicherweise den sunnitischen Aufständischen und Terrorgruppen neuen Zulauf beschert.

Anschließend überzeugten die Amerikaner dann noch Allawi davon, auf den Posten des Ministerpräsidenten oder des Staatspräsidenten zu verzichten und stattdessen den Vorsitz in einem neu zu gründenden Nationalen Strategischen Politikrat zu übernehmen. US-Präsident Barack Obama griff sogar selbst zum Telefonhörer, um Allawi zum Einlenken zu bewegen.

Denn sowohl die Amerikaner als auch die Europäer wollen Allawi und seine Mitstreiter dabei haben, da diese eher modern denken und strikt gegen eine Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten sind. Sie sollen ein Bollwerk gegen den Einfluss des Irans bilden. Außerdem glaubt man in Washington und Brüssel, dass es der jungen irakischen Demokratie nicht gut zu Gesicht stünde, wenn ausgerechnet die größte Fraktion im Parlament nicht an der Macht beteiligt wäre.

Maliki bleibt im Amt

Am Donnerstagabend im Parlament strahlen sie schließlich alle. Doch die Einigkeit hielt keine Stunde lang an. Kaum war der Parlamentspräsident gewählt, stritt man über die Tagesordnung. Abgeordnete sprangen auf und behaupteten, der neue Parlamentspräsident Osama al-Nudschaifi verstoße mit seiner Art die Sitzung zu leiten, gegen die Verfassung.

Wie tragfähig der Kompromiss ist, auf den sich die Parteispitzen nun geeinigt haben, wird sich ohnehin erst die Praxis zeigen. Entscheidend ist die Frage, ob die alten und neuen Führungskräfte dem Al-Kaida-Terror endlich Einhalt gebieten können.

Auch falls Al-Maliki, der sich letztlich nur mit viel Mühe im Amt halten konnte, weiterhin einsame Entscheidungen fällen sollte oder falls sich die mit ihm nun verbündeten Anhänger des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr in den Sicherheitskräften breitmachen, droht neue Gewalt. Dann wäre die nun erzielte "historische Einigung" nicht mehr gewesen als eine kurze Tee-Pause im irakischen Machtpoker.

Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen