Politik

100 Tage Rot-Grün in NRW Kraft-Probe steht noch bevor

Rot-Grün lenkt seit 100 Tagen mit einer Minderheitsregierung die politischen Geschicke von Nordrhein-Westfalen. Wie erfolgreich die Koalition dabei ist, kann noch nicht beurteilt werden, denn die großen Vorhaben stehen erst noch zur Abstimmung.

Hannelore Kraft kann mit ihrer Amtsführung in der Öffentlichkeit punkten.

Hannelore Kraft kann mit ihrer Amtsführung in der Öffentlichkeit punkten.

(Foto: dpa)

Die entscheidende Kraftprobe ist Hannelore Kraft bisher erspart geblieben: Seit 100 Tagen sind Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin und ihre rot-grüne Minderheitsregierung im Amt, und seither haben die 90 Abgeordneten der Koalition noch keine Niederlage gegen die 91 Parlamentarier der Opposition im Landtag einstecken müssen. Denn die zentralen Regierungsvorhaben standen noch nicht zur Abstimmung - ob aber die selbsternannte "Koalition der Einladung" in Düsseldorf die kommenden Etatberatungen für 2011 übersteht, erscheint derzeit genauso ungewiss wie bei Krafts Wahl zur Ministerpräsidentin am 14. Juli.

Freilich dürfte sich der Nebel um die Zukunft von Rot-Grün in Düsseldorf spätestens im nächsten halben Jahr lichten. Schon im Dezember werden SPD und Grüne eine erste hohe Hürde nehmen müssen: Dann steht der rot-grüne Nachtragshaushalt für 2010 im Landtag zur Abstimmung. Erwartet wird, dass die 80 Abgeordneten von CDU und FDP einmütig den Nachtragsetat ablehnen werden, der eine Nettoneuverschuldung um 2,3 Milliarden auf die Rekordmarke von 8,9 Milliarden Euro vorsieht.

Linke-Hilfe nicht unwahrscheinlich

Damit wären SPD und Grüne auf Unterstützung aus Reihen der elf Linken-Abgeordneten angewiesen. Eine solche Hilfe ist nicht unwahrscheinlich: Denn Rot-Grün lastet der abgewählten CDU/FDP-Landesregierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers die hohe Schuldenaufnahme an, da Schwarz-Gelb seinerzeit Haushaltsrisiken verschleiert habe - eine Position, die aus Sicht der Linken durchaus zustimmungsfähig sein könnte.

Falls die Düsseldorfer Minderheitsregierung den Nachtragshaushalt durchbringt, wartet allerdings sogleich die zweite, ungleich höhere Hürde: Im kommenden Juni soll der Haushalt 2011 verabschiedet werden. Wenn SPD und Grüne dann mit ihrem Etat im Landtag scheitern, gelten Neuwahlen als unausweichlich. Wobei SPD und Grünen ein neuer Urnengang durchaus zupass kommen könnte: Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" könnte Rot-Grün derzeit auf die absolute Mehrheit hoffen.

Zwischenbilanz "äußerst dürftig"

So ungewiss die politische Zukunft von Krafts Minderheitsregierung erscheint - die 49-Jährige hat seit ihrem Amtsantritt schnell gelernt, angesichts der einen fehlenden Stimme zur absoluten Mehrheit aus der Not eine Tugend zu machen. So nannte die Mülheimerin in ihrer Regierungserklärung am 15. September die erste Minderheitsregierung in der NRW-Geschichte "eine Chance für Parlament und politische Parteien" und eine "Herausforderung für Regierung und Opposition". Beide hätten nun die Möglichkeit, bei den Bürgern Respekt, Anerkennung und Zustimmung zu erwerben, "wenn sie mit dieser Situation verantwortungsvoll umgehen".

Wenig überraschend reagierte sowohl das rechte als auch das linke Oppositionslager bislang ausgesprochen reserviert auf Krafts Ruf nach einer "neuen politische Kultur" im Landtag. Erst vergangene Woche nannte Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann die Zwischenbilanz der Regierungskoalition "äußerst dürftig": "Bislang liegen nur wohlklingende Absichtserklärungen vor, aber nichts Konkretes", sagte der Linken-Politiker, von dessen Partei sich Kraft ausdrücklich nicht tolerieren lassen will. Zeitgleich nahm der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke Rot-Grün von rechts unter Beschuss: SPD und Grüne stimmten jeden Antrag und Gesetz "eng mit der kommunistischen Linkspartei" ab, kritisierte der Liberale.

Gleichwohl konnte Kraft mit ihrer Amtsführung in der Öffentlichkeit bereits durchaus punkten. Vor allem ihre emotionale Rede während der Trauerfeier für die Toten bei der Duisburger Loveparade Ende Juli brachte der verheirateten Mutter eines Sohnes viel Sympathie ein. Politisch allerdings liegt der aktuellen Forsa-Umfrage zufolge noch viel Überzeugungsarbeit vor Kraft: Nur 23 Prozent sagten, sie seien mit der bisherigen Arbeit der NRW-Regierungschefin zufrieden, immerhin 22 Prozent äußerten sich unzufrieden. Und eine Mehrheit von 55 Prozent hatten zu Krafts Kabinett (noch) keine Meinung.

Quelle: ntv.de, Richard Heister, AFP

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