Mauschelei oder "Vertraulichkeit"? Kretschmanns Image ist "ramponiert"
21.08.2016, 18:41 Uhr
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen - l) und der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) nach 100 Tagen Amtszeit.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ausgerechnet Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann, der für Offenheit stehen will, erweist sich als Geheimniskrämer. Bei Sparzielen wird zwischen Grünen und CDU kräftig gemauschelt. Die Opposition ist empört. Kretschmann pocht auf Vertraulichkeit.
Die ersten 100 Tage der grün-schwarzen Landesregierung von Baden-Württemberg sind gerade erst vorbei, da muss erneut das Krisenmanagement ran. Zum zweiten Mal lösen geheimgehaltene Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag harsche Kritik aus, die auf den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zielt. Der 68-Jährige, der stets Offenheit und Transparenz hochhält, muss sich vorwerfen lassen, er führe mit Geheimvereinbarungen das Parlament und die Öffentlichkeit hinters Licht.
Nach Meinung der Opposition ist das Image Kretschmanns, der als einer der beliebtesten Politiker in Deutschland gilt und sogar fürs Bundespräsidentenamt im Gespräch ist, ramponiert. Absprachen hinter den Kulissen hatte der Grüne bereits vor vier Wochen eingeräumt: "Ich mauschele schon immer." Der Regierungschef und sein Vize, Innenminister Thomas Strobl (CDU), reagieren am Wochenende - noch in der parlamentarischen Sommerpause - mit einem langen Verteidigungsbrief.
Demokratie braucht Vertraulichkeit
Auf mehr als zwei Seiten heißt es in ihrem Schreiben an die Landtagsabgeordneten von Grünen und CDU: "Es ist richtig, Demokratie braucht Transparenz. Aber Demokratie braucht auch Vertraulichkeit und geschützte Räume, sonst ist sie nicht funktionsfähig." Nebenabsprachen dienten auch dem Zusammenhalt der einst ungewollten Koalition, heißt es in dem Brief weiter.
Letztlich handle es sich dabei lediglich um Willensbekundungen. Das "Königsrecht" des Parlaments, über den Haushalt zu entscheiden, könnten diese nicht außer Kraft setzen. Bei den jetzt durch einen Bericht der "Südwest Presse" bekannt gewordenen Vereinbarungen - die im Koalitionsvertrag so nicht auftauchen - geht es konkret um unbequeme Sparziele.
So verabredeten Strobl und Kretschmann laut dem Bericht einen Abbau von 5000 Stellen bis 2020, das ergebe in der Endstufe jährliche Einsparungen von 250 Millionen Euro, heißt es. Einschnitte für Beamten und Kommunen sollen kommen, eine Anhebung der Grunderwerbssteuer wird ebenfalls genannt. Auch CDU-Abgeordneten schmeckt das nicht. Die Gewerkschaft Verdi spricht wegen der Stellen-Einsparungen von einem Skandal. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schimpft: "Die offenbar verabredeten Einsparungen übertreffen unsere schlimmsten Befürchtungen."
Nebenabsprachen eingeräumt
Kretschmann, der von einer Hinterzimmerpolitik abrücken wollte, gerät so zum zweiten Mal in Erklärungsnot. Die Absprachen waren vor rund vier Wochen ans Licht gekommen. Grüne und CDU entschlossen sich nach vehementen Vorwürfen, das Papier zu veröffentlichen. Kretschmann räumte ein, es gebe auch weitere Nebenabsprachen zur Haushaltskonsolidierung. Details nennt die Regierung bis heute nicht. Sie verweist darauf, ihre Verhandlungsposition dürfe nicht geschwächt werden. Massiv geschwächt ist aus Oppositionssicht das Vertrauen in die Arbeit von Grün-Schwarz. SPD und FDP bringen sogar einen Untersuchungsausschuss ins zur Sprache.
Nach der Lektüre des Schreibens von Kretschmann und Strobl schimpft FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke: "Dieser Brief ist der totale Offenbarungseid. Kretschmann und Strobl haben die Abgeordneten der Regierungsfraktionen betrogen und hintergangen." Es entstehe der Eindruck, Kretschmann wolle einen "autokratischen Machtanspruch" aufbauen, meint die SPD. Bei Twitter wettert auch der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann: "Was ist mit Grünen los? Im Bundestag fordern sie brutalstmögliche Transparenz, in BaWü regieren sie mit."
Quelle: ntv.de, Monika Wendel, dpa