Lawrow verweigert Treffen mit Kiewer Kollegen Krim-Gespräche sind vorerst gescheitert
05.03.2014, 21:22 Uhr
Unidentifizierte Soldaten stehen vor einer ukrainischen Kaserne auf der Krim. Es soll sich um russische Einheiten handeln.
(Foto: REUTERS)
Trotz vielfacher Bemühungen ist eine Lösung der Krim-Krise nicht in Sicht. Russlands Außenminister Lawrow verweigert ein direktes Gespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen. Nun stehen Sanktionen der EU in Raum. Gleichzeitig stellt sie Kiew Milliardenzahlungen in Aussicht. Und ein UN-Gesandter wird auf der Krim bedroht.
In der Krim-Krise haben die westlichen Staaten fieberhaft versucht, direkte Gespräche zwischen Moskau und Kiew anzubahnen. Am Rande einer lange geplanten Libanon-Hilfskonferenz in Paris traf sich US-Außenminister John Kerry erstmals seit Beginn der Krim-Krise mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. Dabei forderte er "direkte Gespräche" zwischen Russland und der Ukraine.
Alle Bemühungen auch anderer westlicher Außenminister blieben zunächst jedoch erfolglos: Lawrow weigerte sich, den ukrainischen Interims-Außenminister Andrej Deschtschyzja zu treffen, der sich ebenfalls in Paris aufhielt. So verließ Lawrow das Außenministerium in Paris, ohne seinen Kiewer Amtskollegen getroffen zu haben, verlautete aus diplomatischen Kreisen. Nach Angaben Lawrows sollen die Diskussionen über die Krise aber in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. "Wir sind noch nicht soweit, uns auf ein gemeinsames Format für Gespräche über mittel- und langfristige Lösungen zu verständigen", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Kanzlerin Angela Merkel telefonierte erneut mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie hätten über die internationalen Bemühungen gesprochen, mit denen die Lage entspannt werden solle, teilte die Führung in Moskau mit. Die Nato will derweil laut ihrem Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ihre gesamten Beziehungen zu Russland "überprüfen". Eine endgültige Entscheidung werde Anfang April von den Außenministern der Nato getroffen.
Lawrow kritisiert Druck aus dem Westen
Zuvor bezeichnete Lawrow den Druck des Westens auf Moskau als kontraproduktiv. "Die Schritte, die unsere Partner über die OSZE, den Nato-Russland-Rat oder andere Organisationen unternehmen, helfen nicht beim Aufbau einer Atmosphäre des Dialogs", kritisierte Lawrow nach einem Treffen mit Kerry. Er sei sich mit Kerry einig, dass alle Seiten in der Ukraine ein Abkommen vom 21. Februar befolgen müssten, sagte Lawrow dem Fernsehsender Rossija-24. Das damals von den Anführern der Opposition und Präsident Viktor Janukowitsch geschlossene Abkommen sollte einem Kompromiss zwischen den erbitterten Gegnern dienen.
An den Krisen-Gesprächen hatten neben Kerry, Lawrow und Steinmeier auch der französische Präsident François Hollande und die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens, Laurent Fabius und William Hague, teilgenommen. Deschtschyzja betonte nach einem Treffen mit Fabius: "Wir wollen diesen Konflikt friedlich beilegen. Wir wollen nicht gegen Russland kämpfen." Russland erkennt allerdings die neue Regierung der Ukraine nicht als legitim an.
Steinmeier hatte am Dienstag gesagt, bis zum EU-Krisengipfel in Brüssel am Donnerstag müsse die Zeit genutzt werden, um zu versuchen, eine internationale Kontaktgruppe zur Ukraine zu bilden. Sollte es keine Fortschritte bei der Bildung einer Kontaktgruppe geben, werde die EU am Donnerstag Sanktionen verhängen, kündigten Deutschland und Frankreich an. In diplomatischen Kreisen hieß es dagegen, dass in Brüssel noch keine Sanktionen beschlossen werden sollten. Stattdessen solle eine "strenge Warnung" an Russland ausgegeben werden.
Die USA drohen Russland weiter mit Sanktionen, weil russische Soldaten aus US-Sicht die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim unter ihre Kontrolle gebracht haben. Es seien Strafmaßnahmen gegen hohe Beamte sowie Unternehmen geplant, berichtete die "Washington Post". US-Verteidigungsminister Chuck Hagel kündigte zudem vor dem US-Kongress als Reaktion auf die Krim-Krise eine stärkere militärische Unterstützung Polens und der baltischen Staaten an. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte zwar kein Entgegenkommen, erklärte aber auch, die Wirtschaftsbeziehungen sollten trotz der Spannungen nicht beeinträchtigt werden.
EU sagt Milliardenhilfen zu
Im Vorfeld des EU-Gipfels sagte die EU-Kommission der vom Staatsbankrott bedrohten Ukraine Hilfen in Höhe von elf Milliarden Euro zu. Das auf mehrere Jahre angelegte Hilfspaket könne Kiew bei "ökonomischen und politischen Reformen" helfen, erklärte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Das Geld soll demnach aus dem EU-Haushalt und von EU-Finanzinstituten kommen.
Schon vor einem Jahr genehmigte Hilfen in Höhe von 610 Millionen Euro könnten "in den nächsten Wochen" ausgezahlt werden, sagte Barroso weiter. Ex-Präsident Viktor Janukowitsch hatte das Geld abgelehnt, um nicht politische und wirtschaftliche Reformen nach den Bedingungen des Internationalen Währungsfonds akzeptieren zu müssen.
Die von russischen Energielieferungen abhängige Ukraine steht nach eigenen Angaben vor der Pleite. Russland hatte mit Kiew im vergangenen Dezember Kredite im Wert von 15 Milliarden US-Dollar vereinbart. Diese Hilfe war aber im Januar gestoppt worden, als die Regierung auf Druck der prowestlichen Opposition zurücktrat. Die USA sagten dem Land bereits eine Milliarde US-Dollar (726 Millionen Euro) Hilfe für die Energieversorgung zu. Auch der IWF zeigte sich grundsätzlich zur Unterstützung bereit.
UN-Gesandter bedroht
Inmitten der Krise wurde unterdessen der UN-Sondergesandte Robert Serry auf der Krim von einer Gruppe bewaffneter Männer bedroht. Die zunächst nicht identifizierten Männer hätten Serry aufgefordert, zum Flughafen zu fahren und die Krim zu verlassen, sagte der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson in Kiew. Serry habe ihn direkt nach dem "sehr bedauernswerten Vorfall" per Telefon darüber informiert.
Der niederländische UN-Sondergesandte, der erst am Dienstag auf der Krim angekommen war, habe gerade das Marine-Hauptquartier in der Stadt Simferopol verlassen, als ihn die Männer bedrohten. Serry habe es zunächst abgelehnt, die Krim zu verlassen, und sich gemeinsam mit einem UN-Kollegen zu Fuß auf den Weg zu seinem Hotel gemacht. "Er ist körperlich in guter Verfassung, fühlt sich aber ernsthaft bedroht", sagte Eliasson.
Berichte, dass Serry gekidnappt worden sei, bezeichnete Eliasson als falsch. Er habe bereits mit ukrainischen und russischen Behörden gesprochen, um die Hintergründe des Vorfalls aufzuklären. Wenige Stunden nach dem Vorfall teilten die Vereinten Nationen mit, dass Serry die Krim verlassen werde. Er werde von Simferopol aus nach Kiew fliegen und seine Arbeit von dort fortsetzen.
Ukrainische Stützpunkte besetzt?
Auf der Krim blieb die Lage weiter angespannt. Nach Angaben der Regierung in Kiew brachten russische Soldaten zwei Raketen-Stützpunkte der ukrainischen Streitkräfte teilweise unter ihre Kontrolle. Etwa 20 Soldaten und mehrere hundert prorussische Aktivisten waren nach Angaben aus ukrainischen Quellen bereits am Dienstag auf das Gelände des Stützpunktes Ewpatoria im Westen der Halbinsel vorgedrungen. Dort befinden sich laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums aber keine Raketen mehr. Auf einem zweiten, teilweise besetzten Stützpunkt bei Sewastopol lagern demnach nur noch "bereits abgerüstete" Raketen.
Russlands Präsident Putin behauptet, die zu Tausenden aufmarschierten Uniformierten seien keine russischen Militärs. Sein Außenminister Sergej Lawrow beteuerte, Moskau habe über die prorussischen Gruppen auf der Krim keinerlei Kommandogewalt. Ukrainische Einheiten errichteten nach eigenen Angaben jedoch Kontrollpunkte an den Zufahrtsstraßen zur Halbinsel. So solle das Eindringen von Provokateuren verhindert werden, die der prorussischen Führung der Autonomen Halbinsel zu Hilfe kommen, sagte der Vize-Chef des Grenzdienstes der Ex-Sowjetrepublik, Pawel Schischolin.
Bei Protesten in der ostukrainischen Stadt Donezk besetzen prorussische Demonstranten erneut die Regionalverwaltung. Nach einer Kundgebung gegen die neue Führung in Kiew hätten zahlreiche der mehr als 2000 Teilnehmer das Gebäude gestürmt, berichten lokale Fernsehsender. Zudem sei es zu einem Handgemenge mit Unterstützern der neuen ukrainischen Regierung gekommen, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden.
Unbewaffnete Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) brachen in die südukrainische Hafenstadt Odessa. An der Mission seien 18 OSZE-Mitgliedsländer beteiligt, teilte die Staatenorganisation mit. Bis zum kommenden Mittwoch sollen sie sich in der Ukraine aufhalten, um dort militärische Aktivitäten Russlands zu beobachten. Es blieb unklar, ob die Gruppe aus 35 Experten tatsächlich Zugang zur Krim bekommt. Unter den Beobachtern sind auch zwei Soldaten der Bundeswehr.
n-tv Korrespondent Dirk Emmerich ist in Simferopol und twittert von dort über die aktuelle Entwicklung auf der Krim-Halbinsel.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts