Politik

"Pannenmeiler keine Zockermasse" Kritik an Atomstrom-Auktion

Der Vorschlag der Bundesregierung, Laufzeiten für Atomkraftwerke zu versteigern, stößt auf heftige Kritik von Opposition und Umweltschützern. "Die uralten Pannenmeiler sind keine Zockermasse", sagt Grünen-Chefin Roth. Aus der FDP heißt es dagegen, das ermögliche "eine wettbewerbliche Lösung".

Vorschläge für eine Versteigerung von Kraftwerks-Laufzeiten haben der Koalition heftige Kritik von Opposition und Umweltverbänden eingebracht. SPD und Grüne äußerten erhebliche Sicherheitsbedenken. Hintergrund sind Überlegungen, längere Atomlaufzeiten nicht zuzuteilen, sondern in einer Auktion an die Stromkonzerne zu versteigern. "Das ist ein interessanter Vorschlag, der eine ernsthafte Prüfung verdient", sagte dagegen CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen der "Financial Times Deutschland".

Das Atomkraftwerk Biblis B in Hessen ging 1976 in Betrieb. Ende 2010 muss das AKW vom Netz - eigentlich.

Das Atomkraftwerk Biblis B in Hessen ging 1976 in Betrieb. Ende 2010 muss das AKW vom Netz - eigentlich.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach diesem Modell müsste der Betreiber eines Atomkraftwerks Lizenzen für jede Terawattstunde ersteigern, die er zusätzlich zu den bisher schon vereinbarten Reststrommengen produzieren möchte. Vorbild ist die Auktion der UMTS-Lizenzen für den Mobilfunk, die dem Staat im Jahr 2000 mehr als 50 Milliarden Euro einbrachte.

Offen ist, ob eine Versteigerung die geplante Brennelementesteuer ersetzen würde, die dem Staat 2,3 Milliarden Euro pro Jahr und 9,2 Milliarden bis 2014 bringen soll. Denkbar wäre die Auktion auch als Zusatzmaßnahme zur Abschöpfung der Milliardengewinne, die den Konzernen bei längeren Laufzeiten winken. Aus dem Umweltministerium gab es zunächst keine Stellungnahme. Eine Entscheidung dürfte spätestens am 28. September fallen, wenn das Kabinett die Eckpunkte seines Energiekonzepts beschließt. Der Unions-Energieexperte Thomas Bareiß sagte: "Ich halte es für nicht realistisch, dass über die vorgeschlagenen 2,3 Milliarden Euro pro Jahr hinaus noch zusätzlich etwas Geld abgeschöpft werden kann."

"Russisches Roulette"

Bei der Opposition stieß der Auktions-Vorschlag auf massiven Widerstand. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von "russischem Roulette". Nur ein "akuter Sonnenstich" könne erklären, was sich die Regierung für die Kernkraftwerke ausdenke. "Bei Atomlaufzeiten geht es um Sicherheit, nicht um das Staatssäckel." Ähnlich äußerten sich die Grünen: "Die uralten Pannenmeiler sind keine Zockermasse für schwarz-gelbe Haushaltspolitik", sagte die Parteivorsitzende Claudia Roth. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Röttgen vor, die Sicherheit der Bürger zu versteigern. Seine Co-Vorsitzende Renate Künast warnte im HR: "Wenn vier Konzerne um Atomlizenzen steigern, dann haben sie Tür und Tor geöffnet für Preisabsprachen."

Auch Umweltorganisationen wandten sich gegen den Vorschlag. "Die durch Alt-Atomkraftwerke bedrohte Sicherheit der Menschen soll an den Meistbietenden verramscht werden", beklagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach von einem "unanständiges Geschäft mit der Sicherheit". Habe der Staat erst einmal Geld für eine Laufzeitverlängerung kassiert, steige der Druck auf die Behörden, die Reaktoren auch bei Sicherheitsmängeln weiter laufen zu lassen, warnte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.

Röttgen wies die Kritik zurück. Sicherheitsanforderungen an die Kernkraftwerke würden "unabhängig von der noch zu bestimmenden Variante der Gewinnabschöpfung" festgelegt, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Sie seien "selbstverständlich Voraussetzung von Laufzeitverlängerungen". Röttgen schloss auch eine Absenkung der Sicherheitsstandards aus. "Es ist völlig klar: Weniger Sicherheit darf nicht zu höheren Gewinnen führen."

"Eine wettbewerbliche Lösung"

Sympathien für eine Auktion äußerte hingegen der Energie-Koordinator der FDP-Bundestagsfraktion, Horst Meierhofer. "Das ist eine gute Idee, weil sie eine wettbewerbliche Lösung ermöglicht", sagte er der "FTD". Der Vorteil sei, dass nicht Politiker entscheiden müssten, wie viel längere Laufzeiten für welches Kraftwerk wert seien. Auch der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß, sprach sich für eine Auktion aus: "Die Idee hat viel Charme", sagte der CDU-Politiker.

Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner lehnte die Idee dagegen ab. "Ich halte den Vorschlag für unausgegoren", sagte die CDU-Politikerin den "Stuttgarter Nachrichten". Man könne das Thema Laufzeitverlängerung nicht lösen wie die Versteigerung der UMTS-Lizenzen, sagte Gönner. "Da werden nicht Äpfel mit Birnen, sondern Äpfel mit Zwetschgen verglichen." Sie warnte, eine Versteigerung könnte dazu führen, "dass die Strompreise steigen". Eine klare Ablehnung kam auch vom baden-württembergischen CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke seien "nicht mit Geld zu erkaufen", sondern müssten sich "immer am Faktor Sicherheit der Anlagen orientieren".

Die Auktions-Idee geht auf eine Studie zurück, die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bereits im März veröffentlicht hatte. Darin heißt es, die Lizenzen zum Weiterbetrieb könnten so versteigert werden, "dass die Zusatzgewinne der Stromerzeuger so weit wie möglich abgeschöpft und die Einnahmen der öffentlichen Hand dadurch maximiert werden". Bei einer Laufzeitverlängerung um acht Jahre und einer jährlichen Strommenge von 140 Terawattstunden ergebe sich eine Summe von derzeit etwa 56 Milliarden Euro. Der tatsächliche Wert dürfte nach Ansicht der Forscher sogar noch deutlich höher liegen.

Quelle: ntv.de, dpa

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