"In den Folgen verheerend" Kritik an Niebels Vorstoß
30.10.2009, 16:32 UhrDer neue Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) will die Entwicklungszusammenarbeit mit China einstellen. Die deutsche Entwicklungshilfe müsse konzentriert und da eingesetzt werden, "wo es am meisten Not tut", sagte Niebel. Nachdem die alte Bundesregierung bereits die direkten Zahlungen an China gekappt hatte, will der neue Minister nun auch die technische Zusammenarbeit beenden.

Ende einer Ära: Nach 11 Jahren an der Spitze übergab Heidemarie Wieczorek-Zeul das Entwicklungshilfeministerium am Mittwoch an Niebel.
(Foto: dpa)
Armutsbekämpfung sei für Deutschland wichtiger denn je, sagte Niebel. "Das heißt, unsere Mittel zu konzentrieren und wirksam dort einzusetzen, wo es am meisten Not tut." Wirtschaftsriesen wie China und Indien erfüllten diese Kriterien nicht mehr. Niebel setzt mit der Ankündigung ein Wahlversprechen der FDP um. Die Liberalen hatten im Wahlkampf gefordert, die staatlichen Hilfen für China streichen zu wollen. 2007 waren noch 67,5 Millionen Euro geflossen.
Rechtsstaatsdialog bleibt erhalten
Die finanzielle Zusammenarbeit mit China war bereits von Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) eingestellt worden. Wie ein Ministeriumssprecher erläuterte, soll nun auch die technische Zusammenarbeit auslaufen. Dabei geht es unter anderem um Beratung beim Umwelt- und Klimaschutz und im Rechtsbereich. Im Haushalt für 2009 sind hierfür nach Angaben des Ministeriums noch 27,5 Millionen Euro eingeplant.
Alle bisherigen Zusagen würden erfüllt und laufende Projekte zu Ende geführt, erklärte das Ministerium. "Selbstverständlich" werde auch am Rechtsstaatsdialog mit China festgehalten. Es werde aber keine neuen Zusagen mehr geben.
"Es braucht auch die konkrete Hilfe"
Die katholische Kirche kritisierte die Ankündigung von Niebel. "Es geht hier nicht um deutsche Interessenpolitik, sondern um Armutsbekämpfung, den Einsatz für die Menschenrechte und den Aufbau rechtsstaatlicher Standards", sagte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, der "Frankfurter Rundschau".
Katholische wie evangelische Kirche hielten an einem umfassenden Ansatz der Entwicklungspolitik fest. "Wir warnen deshalb davor, das Engagement in Ländern wie China oder Indien zurückzufahren." Die Ankündigung, den Menschenrechtsdialog mit China fortzusetzen, sei an sich begrüßenswert. "Aber damit allein ist es nicht getan, es braucht auch die konkrete Hilfe", sagte Jüsten.
Kritik von Grünen und Linken
Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Ute Koczy und Viola von Cramon kritisierten Niebels Entscheidung als populistisch, "in der Sache falsch und in den Folgen verheerend". Bei der Lösung weltweiter Probleme wie der Klima- und Finanzkrise sei eine Kooperation mit Schwellenländern unersetzbar. Bei der Zusammenarbeit mit China gehe es ohnehin längst nicht mehr um Hilfe oder Armutsbekämpfung, sondern "um maßgeschneiderte Projekte und Programme, um Dialog und Beratung".
Auch der Linken-Abgeordnete Michael Leutert kritisierte Niebels Ankündigung. Gerade in den Bereichen Klimaschutz und Energiepolitik sei die Zusammenarbeit mit China "erfolgreich und sinnvoll", erklärte er. Sie biete zudem die Möglichkeit, auf gesellschaftliche Reformprozesse in dem Land Einfluss zu nehmen.
An UN-Millenniumszielen festhalten
Wie das Ministerium ankündigte, will Niebel ein Konzept zur Zusammenarbeit mit den Schwellenländern ausarbeiten lassen. Im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP vereinbart, dass die Zusammenarbeit mit den Schwellenländern zu Partnerschaften weiterentwickelt werden soll, aus denen auch Kooperationen mit Entwicklungsländern entstehen sollen. Bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit will Deutschland demnach künftig "mit einer begrenzten Zahl" von Ländern zusammenarbeiten. Dabei soll die Bedürftigkeit eine entscheidende Rolle spielen.
Im Wahlkampf hatte die FDP ursprünglich sogar gefordert, dass Entwicklungsministerium ganz abzuschaffen und dessen Aufgaben an das Außenministerium zu übertragen. Bei seinem Amtsantritt am Mittwoch hatte Niebel erklärt, die neue Bundesregierung halte an den UN-Millenniumszielen fest, die bis 2015 unter anderem eine Halbierung der Zahl der Hungernden auf der Welt vorsehen. Richtschnur bleibe dabei, die deutsche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts zu steigern, sagte der Minister.
Quelle: ntv.de, AFP