Ex-Guantánamo-Häftling fassungslos Kurnaz gegen Maaßens Berufung
21.07.2012, 07:23 Uhr
Murat Kurnaz klagt an.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Hans-Georg Maaßen holt seine Vergangenheit ein. Mit einem zweifelhaften Rechtsgutachten verhindert er 2002, dass der Bremer Guantánamo-Häftling Kurnaz nach Deutschland zurückkehrt. Kurnaz äußert sich nun erstmals zu Maaßens Berufung zum Verfassungsschutzchef. Er findet: Wer Folter gutheiße, könne nicht für den Staat arbeiten.
Der ehemalige Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz hat die Berufung von Hans-Georg Maaßen zum Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz kritisiert. "Jeder wusste, was in Guantánamo ablief", sagte Kurnaz, der jahrelang unschuldig in dem US-Gefangenenlager festgehalten wurde, der "Mitteldeutschen Zeitung". "Und Menschen, die zur Folter nicht Nein sagen, können nicht für den Staat arbeiten", fügte er hinzu.
Maaßen, der noch als Ministerialdirigent im Bundesinnenministerium tätig ist, steht in der Kritik, weil er 2002 unter der damaligen rot-grünen Regierung ein Gutachten für ein Einreiseverbot des in Bremen geborenen Deutsch-Türken Kurnaz nach Deutschland verfasste. Der Jurist begründete dies damit, dass sich Kurnaz länger als sechs Monate nicht in Deutschland aufgehalten und dadurch sein Aufenthaltsrecht verwirkt habe. Dass Kurnaz aufgrund seiner Haft gar nicht in Deutschland sein konnte, stellte Maaßen als unerheblich dar. Die Freie Universität Berlin verweigerte Maaßen wegen dieses Gutachtens zuletzt die Honorarprofessur.
Wieland nimmt Maaßen in Schutz
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, monierte die Personalentscheidung ebenfalls. "Herr Maaßen ist eine unglückliche Auswahl", erklärte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Er hat eine restriktive Haltung in der Ausländerpolitik und keine Expertise im rechtsextremistischen Bereich. Ein personeller Neuanfang wäre besser gewesen."
Dagegen nahm der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland den künftigen Verfassungsschutzchef in Schutz. "Der Ausländerrechtsexperte Hans-Georg Maaßen hat seine rechtliche Bewertung für ein Einreiseverbot im Auftrag des Bundesinnenministeriums und der gesamten rot-grünen Regierung abgegeben. Für eine solche Entscheidung trägt immer der zuständige Minister die Verantwortung, nicht ein kleiner Referatsleiter", sagte Wieland, der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, der "Welt".
Maaßen ist altgedienter Beamter
Bundesinnenminister sei damals SPD-Mann Otto Schily, Kanzleramtschef der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier gewesen. "Insofern muss man Herrn Maaßen vor der jetzt an ihm geübten Kritik in Schutz nehmen. Die Entscheidung, Herrn Kurnaz nicht einreisen zu lassen, war eindeutig politisch gewollt. Denn er galt damals als Sicherheitsrisiko für Deutschland", sagte Wieland. Er bezeichnet Maaßen als "gewissenhaften Bürokraten" aus der mittleren Ministerialbürokratie, der von der Politik Vorgaben brauche.
Auch als neuer Verfassungsschutzpräsident werde er das Amt in Köln an der "ganz kurzen Leine" von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich leiten. Dies sei so, als ob der Minister das selbst tue. Der frühere Berliner Justizsenator Wieland sieht Maaßen deshalb nur als "Übergangschef" des Verfassungsschutzes, der im Auftrag des Innenministeriums Reformen durchsetzen müsse. Anschließend werde es möglicherweise eine Neubesetzung geben. Dann sei es an der Zeit, dass "mal eine Frau Verfassungsschutzpräsidentin" werde.
Das Bundeskabinett hatte beschlossen, dass Maaßen die Nachfolge von Heinz Fromm als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) antreten soll. Der 64-jährige Fromm hatte wegen der Pannen bei den Ermittlungen gegen die rechtsextreme Organisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) um seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gebeten. Der 49 Jahre alte Maaßen ist seit 1991 im Bundesinnenministerium tätig und leitet seit 2008 die Abteilung für Terrorismus-Bekämpfung.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa