Ärger um Verfassungsschutz-Reform Länder blockieren Pläne
28.08.2012, 09:02 Uhr
Friedrichs Reformpläne stoßen auf großen Widerstand.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Bundesregierung macht Ernst: Nach Fehlern bei den Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle NSU will sie die Aufgaben beim Verfassungsschutz neu verteilen. Die Landesämter sollen zur Weitergabe aller Informationen an den Bund verpflichtet werden. Aber die Länder sind nicht begeistert und auch die FDP übt scharfe Kritik.
Die Bundesregierung muss sich bei der geplanten Reform des Verfassungsschutzes auf massiven Widerstand der Länder einstellen. Unmittelbar vor der heutigen Sondersitzung zu dem Vorhaben meldet der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier von der CDU, erhebliche Bedenken an. Das Konzept für die künftige Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Länderbehörden sei "problematisch". Auch aus der FDP kommt Kritik an den Reformplänen von CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich, etwa von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Fraktionsvize Gisela Piltz.
Als Konsequenz aus den schweren Versäumnissen bei den Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle NSU will der Bund die Kompetenzen seines Amtes erheblich stärken. Die 16 Landesämter für Verfassungsschutz sollen nach Angaben aus Sicherheitskreisen zwar erhalten bleiben, aber zur Weitergabe aller Informationen verpflichtet werden. In Einzelfällen kann der Bund die Koordinierung an sich ziehen.
"Es darf keinen Verfassungsschutz erster und zweiter Klasse geben", sagte Caffier, Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern. Zwar sei das Ziel richtig, den Informationsaustausch zwischen Bundesamt und Landesämtern zu verbessern. "Dies darf aber keine Einbahnstraße sein, sondern muss auf Gegenseitigkeit beruhen."
Keine "Mega-Behörde"
Das neue Konzept sieht vor, dass der Bund künftig die Beobachtung gewaltbereiter Gruppen und Personen übernimmt. Die Länder konzentrieren sich demnach vor allem auf die Beobachtung zugelassener Organisationen. Auch andere Länderminister kritisieren die Pläne.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger ist gegen eine Beschneidung der Verfassungsschutz-Kompetenzen in den Ländern. "Eine zentralistische Mega-Behörde in Berlin, die bis in die tiefsten Winkel Schleswig-Holsteins oder Bayerns arbeitet, halte ich für intransparent und kaum steuerbar. Dagegen haben wir bei den Verfassungsschutzbehörden der Länder immer gleichzeitig auch eine parlamentarische Kontrolle", sagte der SPD-Politiker am Dienstag im WDR. Die Innenminister von Bund und Ländern beraten am Nachmittag in Berlin über eine Reform des Verfassungsschutzes. Nach der Neonazi-Mordserie, die jahrelang unerkannt geblieben war, will die Bundesregierung die Kompetenzen des Bundesamtes erheblich erweitern.
Die Zentralstellen- und Koordinierungsfunktion des Bundesamtes solle zwar weiter vorangebracht werden, erklärte der Sprecher der Unions-Innenminister, Uwe Schünemann von der CDU in Niedersachsen. Die Länderkompetenzen dürfe das aber nicht einschränken.
"Kein Verheddern im Klein-Klein"
Auch in der FDP wird Kritik an den Plänen laut. "Bund und Länder sollten die Kraft zu einem beherzten Umbau der Sicherheitsarchitektur haben und sich nicht im Klein-Klein verheddern", sagte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger der Zeitung "Die Welt". Dazu gehörten die Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern der Länder in der Fläche und die Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).
"Wer nur die Möbel umstellt, baut das Haus nicht um", sagte die Ministerin weiter. Die Lehre aus der Vergangenheit sei, dass mehr Daten nicht zu einer besseren Informationslage führen würden: "Auf die qualifizierte Auswertung der Daten kommt es an." Leutheusser-Schnarrenberger forderte eine substanziell verbesserte Kontrolle und klare Grundlagen für V-Leute. Die Innenminister sollten "exakte und enge gesetzliche Voraussetzungen" für den Einsatz von V-Leuten entwickeln, ebenso "verfahrensmäßige Schwellen" für deren Anwerbung. Hierfür seien dringend gesetzliche Grundlagen nötig.
"Mit altbekannten Reflexen, die das Trennungsgebot aushöhlen und auf Zentralisierung statt auf gute föderale Zusammenarbeit setzen, werden die Probleme nicht gelöst", sagte FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz. Vorschläge, nach denen die Staatsanwälte ihre Ermittlungsakten zwingend dem Verfassungsschutz zur Verfügung stellen müssten, seien der falsche Weg. "Für solche Gesetzesänderungen wird es mit der FDP keine parlamentarische Mehrheit geben."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP