Streit um Rechte bei den Piraten Landeschef will nicht weichen
19.04.2012, 18:56 Uhr
Landeschef Semken ist wohl kein Nazi, in den Augen seiner Parteifreunde aber sehr wohl "komplett überfordert".
(Foto: dpa)
Die Piratenpartei hat ein veritables Problem mit rechten Äußerungen einzelner Parteimitglieder. Nun gibt es Ärger wegen eines Blogeintrags des Berliner Landeschefs Semken, in dem er eine Abgrenzung von Rechtsextremen ablehnt. Mehrere Parteifreunde fordern seinen Rücktritt. Semken selbst räumt zwar Fehler ein. Das Handtuch werfen will er aber nicht.
Die Piratenpartei tut sich weiterhin schwer beim internen Umgang mit Rechts-Tendenzen. Für neue Unruhe sorgte ein heftiger Streit im Berliner Landesverband der bundesweit auf Erfolgskurs befindlichen Piraten: Der Landesvorsitzende Hartmut Semken wurde von Parteikollegen zum Rücktritt aufgefordert, weil er sich mit drastischen Formulierungen gegen den Ausschluss von Piraten gewandt hatte, die rechtsradikale Positionen vertreten.
Oliver Höfinghoff von der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sowie zwei weitere Mitglieder warfen Semken in einem offenen Brief vor, "offensichtlich komplett überfordert" zu sein. Sie fügten hinzu: "Wir fordern Dich auf, zurückzutreten." Semken solle eine Landesmitgliederversammlung einberufen, bei der es einzig und allein um die "Neuwahl des Ersten Vorsitzenden" gehe.
Hintergrund ist ein umstrittener Blogeintrag des Landesparteichefs. Darin hatte Semken im Streit um den Fall Thiesen eine rigorose Abgrenzung gegenüber Rechtsextremisten abgelehnt und seiner Partei Ausgrenzung Andersdenkender sowie eine Wahlkampfmethodik, "mit der die Nazis gerade Berlin erobert haben" vorgeworfen. Inhaltlich stellte er sich aber gegen Neonazi-Gedankengut.
Semken räumte den "womöglich größten Fehler" seines Lebens durch bestimmte, aus Wut formulierte Sätze in einem Blog ein. Er fügte hinzu: "Ich kann verstehen, dass mein Fehler am Wochenende eine so überschießende Reaktion ausgelöst hat. Doch ich werde in einer emotional so auf geheizten Situation eins nicht tun: In den Sack hauen und zurücktreten."
Nerz negiert Problem
Zuletzt hatte der gescheiterte Ausschluss des rheinland-pfälzischen Piraten-Mitglieds Bodo Thiesen nach umstrittenen Holocaust-Äußerungen für Kritik an der Partei gesorgt. Der Zentralrat der Juden in Deutschland forderte ein konsequentes Vor gehen gegenrechtes Gedankengut. Zentralrats-Präsident Dieter Graumann: "Offensichtlich müssen die Piraten ihren Kompass, wenn es um den Kampf gegen Rechtsradikalismus geht, rasch neu justieren."
Das Bundesschiedsgericht der Piraten hatte zuvor einen Antrag der Parteispitze auf Ausschluss Thiesens aus formalen Gründen abgewiesen. Der Rheinland-Pfälzer hatte sich 2008 nach Angaben der Piraten im Internet so geäußert: "Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland jede Legitimation, Polen anzugreifen." Und: "Nun, bis vor einigen Monaten glaubte ich auch, daß diejenigen, die 'Auschwitz leugnen' einfach nur pubertäre Spinner sind. Damals hatte ich aber auch noch nicht Germar Rudolf gelesen." Rudolf ist verurteilter Holocaust-Leugner.
Derweil wendet sich der Piraten-Bundesvorsitzende Sebastian Nerz gegen die Vorwürfe. Die Partei sei "kein Auffangbecken für rechtsextreme Tendenzen", so Nerz. Im "Tagesspiegel" sagte Nerz weiter: "Wir haben kein rechtes Problem in der Piratenpartei, aber wir müssen noch den richtigen Umgang mit solchen Äußerungen finden." Er rief dazu auf, man solle "nicht jede Äußerung überbewerten und als rechtsextrem einstufen".
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP