Merkel trifft Seehofer Langweilige Rede, witziger Schlagabtausch
17.07.2009, 18:45 UhrIn jeder anderen Partei wäre nach dem netten Auftritt des Jungen Chors aus Nürnberg wohl Schluss gewesen. "Du bist unser bestes Stück", hatten die Mädchen und Jungen Angela Merkel zum 55. Geburtstag glockenhell gesungen, anschließend übergab jedes Kind der sichtlich gerührten Kanzlerin eine Blume. Doch CDU und CSU sind ja nicht eine Partei, sondern mitunter in einer Hassliebe vereinte Schwestern. Und so entwickelte sich an dem ansonsten ereignisarmen ersten Tag des CSU-Parteitags der dem Gesang folgende Redeschlagabtausch zwischen Horst Seehofer und Merkel zum Highlight.
Seehofer hatte schon im Vorfeld angekündigt, sich noch etwas besonderes für die CDU-Chefin einfallen lassen zu wollen. Dass das Geschenk der neueste Band zur bayerischen Geschichte werden würde, wirkte da noch nicht sonderlich einfallsreich. Anders das von Seehofer dazu rausgesuchte Zitat Martin Luthers: Wenn er viel reisen sollte, wolle er nichts lieber als durchs Bayernland ziehen, zitierte er den Theologen und gab schmunzelnd dessen Begründung wieder: "Denn sie sind freundlich und gutwillig" - das CSU-Gelächter fiel donnernd aus.
Der für sein Redetalent bekannte CSU-Vorsitzende genoss es, nach den jüngsten Streitereien die Schwesterparteien durch Lachen wieder ein wenig aufzulockern. "Ich kann mir vorstellen, dass Du mich und uns nicht jeden Tag verstehst", sagte Seehofer und holte sein nächstes Präsent hervor: Ein Miniwörterbuch Bayerisch-Hochdeutsch. Das Wort, das er als erstes durch Zufall aufgeblättert habe, sei Fingerhakeln gewesen, beteuerte Seehofer. "Das ist eine bayerische Kampfsportart, die immer ohne Verletzungen ausgeht und wo sich beide immer vertragen."
"Auch Protestanten können Recht haben"
An dem kleinen Geburtstags-Zwischenspiel zeigte sich, dass CDU und CSU anders als noch in den ersten Jahren Merkels als CDU-Vorsitzende ihre traditionellen Streitereien aushalten können, ohne dass sich jemand in den Schmollwinkel zurückzieht. Denn auch Merkel hatte ein paar Spitzen für Seehofer und seine Leute parat.
"Wenn Horst Seehofer sagt, die CSU hat wieder Biss, sage ich: Schön, beißt die Richtigen und dann wird's gut", sagte Merkel in ihrer Rede zu den Delegierten. Und das Luther-Lob für die Bayern machte die von Edmund Stoiber einst abschätzig als "ostdeutsche Protestantin" bezeichnete Merkel ebenfalls im verbalen Schlagabtausch zu einem Punkt für sich. "Das zeigt noch einmal sehr deutlich, dass auch Protestanten Recht haben können."
Merkel langweilt die Delegierten
Die Geschenkübergabe an die Kanzlerin rettete auch den Redeauftritt Merkels. Statt einen kraftvollen Auftakt für den Bundestagswahlkampf in Bayern zu setzen langweilte Merkel mit einer Aneinanderreihung von Themen die Delegierten. Viele lasen am Ende der Rede in ihren Zeitungen oder blickten gar wiederholt gähnend auf ihre Uhren. Auch der zweiminütige Applaus am Ende wirkte nur wie eine Pflicht.
Dass Desinteresse angesichts des großen Vorsprungs auf die SPD eine große Gefahr im Wahlkampf werden könnte, wissen die Unions-Strategen allerdings. Auch um wieder etwas Feuer in die Debatten zu bringen, hatten Seehofer und seine Leute den Streit mit der CDU um die Europa- und Steuerpolitik angezettelt. Doch mit Auseinandersetzungen mit der Schwesterpartei soll bis zum Wahltag am 27. September nun Schluss sein, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Ab jetzt sei die Zeit der Gemeinsamkeiten für die Union, alle Angriffe richteten sich nun gegen die SPD.
Quelle: ntv.de, Ralf Isermann, AFP