Schwerer Übergang zur Demokratie Libyer verlieren Vertrauen
26.01.2012, 17:00 UhrDie Unzufriedenheit vieler Libyer mit der herrschenden Übergangsregierung wächst. Ein Grund ist die Planung eines neuen Geheimdienstes, ein anderer die angespannte wirtschaftliche Lage. Nun mehren sich Berichte über Folter in Libyens Haftanstalten.

Gefechte in der Wüstenstadt Bani Walid vor wenigen Tagen zeigten, dass das neue Libyen noch instabil ist.
(Foto: Reuters)
Nadschat al-Moghirbi ist sauer. Jeden Tag verkaufe seine Regierung eine Million Fass Öl. Doch wohin die Einnahmen gehen, wisse niemand so genau, klagt der libysche Zahnarzt bei einer Demonstration in der Hafenstadt Bengasi. Al-Moghirbi ist einer von vielen Libyern, die das Vertrauen in die Übergangsregierung verloren haben. Drei Monate nach dem Tod des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi herrscht Unzufriedenheit, die kürzlich bereits zum Rücktritt des Vizechefs der Übergangsregierung führte.
Es kann kaum verwundern, dass die Mehrheit der Libyer kein Vertrauen in den Übergangsrat hat. Denn die einflussreichen Politiker in der Hauptstadt Tripolis stammen aus den Rebellenhochburgen Bengasi, Misrata und Sintan, die entscheidend zum Kampf gegen Gaddafis Truppen beitrugen. Dagegen besitzt der Stamm der Warhalla wenig politische Macht, obwohl ihm die Mehrheit der Bevölkerung angehört. Für die Erarbeitung eines Wahlrechts birgt das Probleme: Bekommt jeder Bürger eine Stimme, wären wichtige Gruppen, die Gaddafi monatelang bekämpften, in der Minderzahl. Im Moment besteht allerdings noch ein viel größeres Legitimationsproblem. Die Rechtmäßigkeit der Übergangsregierung werde offen angezweifelt, sagt der US-amerikanische Nordafrika-Exerte Geoff Porter.
Ärzte berichten über Folter
Unzufrieden sind viele Libyer auch mit den Plänen der Übergangsregierung, einen neuen Geheimdienst zu gründen. Schließlich fühlten sie sich während des Regimes von Gaddafi permanent bespitzelt. Der alte Geheimdienst, der nach dem Sturz des Regimes aufgelöst wurde, war notorisch bekannt für seine Verfolgung von mutmaßlichen Oppositionellen im In- und Ausland.
Unterdessen hat nun die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen angekündigt, ihre Arbeit in Libyen einzustellen. Damit protestieren die Mediziner gegen Folter in den Internierungslagern der Stadt Misrata. Die Helfer stellten nach eigenen Angaben bei insgesamt 115 Gefangenen, die sie behandelten, Verletzungen durch Folter fest. Ein Sprecher sagte: "Patienten wurden während der Verhöre zur Behandlung zu uns gebracht, um sie wieder fit zu machen für die Fortsetzung der Befragung. Das ist vollkommen inakzeptabel." Als die Organisation mehrere Regierungsvertreter und Verantwortliche vor Ort über die Misshandlungen informierte, sei dies ohne Wirkung geblieben.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat zahlreiche Folterfälle dokumentiert, darunter sogar zwei Todesfälle in Haft. Dass Behörden die Berichte über Folter meist ignorierten, liege unter anderem daran, dass Polizei und Justiz immer noch nicht richtig funktionierten.
Quelle: ntv.de, ks/rtr/dpa