Hamas-Führung ahnungslos? Lokale Zelle soll Teenager ermordet haben
05.09.2014, 13:36 Uhr
Eyal Yifrah (19), Gilad Shaar (16) und Naftali Fraenkel (16) (v.l.) wurden am 12. Juni entführt. Zwei Wochen später wurden ihre Leichen gefunden.
(Foto: AP)
Der derzeitige Gaza-Konflikt nimmt seinen Ausgang in der Ermordung dreier israelischer Teenager. Israel macht die Hamas-Führung von Anfang an verantwortlich und begründet so seine Bombardements. Ein Zeitungsbericht zieht diese Version nun jedoch in Zweifel.
Die Entführung und anschließende Ermordung dreier israelischer Jugendlicher im Westjordanland stand am Anfang des derzeitigen militärischen Konfliktes zwischen Israels Armee und der palästinensischen Hamas. Doch obwohl eine Hamas-Zelle im Westjordanland die Tat mit Geldern der im Gazastreifen sitzenden Führung umsetzte, existieren laut der "New York Times" keine Beweise dafür, dass die Chefetage die Ermordung tatsächlich angeordnet hatte.
Die US-Zeitung veröffentlichte Dokumente, auf deren Grundlage vor einem israelischen Militärgericht Anklage gegen den mutmaßlichen Drahtzieher Hussam Kawasme erhoben wurde. Demnach unterstützte die Führungsriege die aus einem ortsansässigen Clan bestehende Zelle zwar mit rund 45.000 Euro. Das Geld hatte der für die Hamas in Gaza tätige Bruder der Kawasmes eingeworben.
Aus den Dokumenten geht jedoch nicht hervor, dass die Hamasführung die Entführung der Jugendlichen anordnete oder auch nur darüber unterrichtet war. Das Geld sei demnach nur für eine "militärische Operation" angefordert worden, ohne die Führung näher über die Absichten zu informieren.
"Lokal operierende Gruppe"
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hatte die Beteiligung von hochrangigen Hamas-Mitgliedern an der Entführung bislang stets als Fakt dargestellt. Israel betrachtet die radikalislamische Organisation als Terroristen, deren oberstes Ziel die Vernichtung des jüdischen Staates ist. Wenig später wurde vermutlich aus Rache ein junger Palästinenser Opfer einer Entführung und Ermordung durch radikale Israelis.
Im Verlauf der darauf folgenden politischen Spannungen feuerte die Hamas Raketen aus Gaza auf Israel. Dessen Antwort war die massive Bombardierung des Gazastreifens, in deren Verlauf laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium bislang über 2000 Menschen Pälastinenser, darunter fast 600 Kinder, getötet wurden. Auch rund 70 Israelis fanden seit Ausbruch der Kämpfer schon den Tod.
Die Analyse der Dokumente untergräbt die Haltung der israelischen Regierung zwar nicht, zeichnet jedoch ein etwas differenzierteres Bild der Geschehnisse. Sie stellen die Entführung eher als die Angelegenheit einer einzelnen Familie dar, die vor Ort geplant und durchgeführt wurde. "Derzeit sieht es so aus, als handele es sich um eine lokal operierende Gruppe mit finanzieller Unterstützung aus Gaza", sagte ein mit dem Vorgang vertrauter israelischer Sicherheitsbeamter, der unerkannt bleiben wollte.
Quelle: ntv.de, bwe/dpa