Politik

Merkel telefoniert mit Obama, Cameron, Hollande und Putin Jetzt hat die hohe Diplomatie das Wort

In der Diplomatie heißt es: So lange verhandelt wird, wird nicht geschossen.

In der Diplomatie heißt es: So lange verhandelt wird, wird nicht geschossen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Planungen für einen Militärschlag gegen das Assad-Regime stehen. Doch parallel wird weiter eine politische Lösung angestrebt. Kanzlerin Merkel telefoniert am Abend mit US-Präsident Obama und dem britischen Premier Cameron. Die Worte sind genau gewählt, deren Botschaft deutlich. Auch der UN-Sicherheitsrat soll noch mal ran. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

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Die Weltgemeinschaft sucht auf allen diplomatischen Kanälen nach einer Alternative zum drohenden Militärschlag gegen Syrien wegen des vermuteten Giftgaseinsatzes. Die Telefondrähte liefen am Abend heiß, um doch noch eine gemeinsame Linie im UN-Sicherheitsrat zu finden. Die fünf ständigen Ratsmitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich streben zur Stunde noch einmal in New York eine Einigung an. Auf russischen Antrag hin, zogen sie sich hinter verschlossenen Türen zurück. Allerdings gilt eine Einigung in der Runde als unwahrscheinlich, weil Moskau und Peking bereits ihren Widerstand angekündigt haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama stimmen darin überein, dass der "menschenverachtende Giftgaseinsatz am 21. August in der Nähe von Damaskus eine schwere Verletzung internationalen Rechts bedeutet". Merkel forderte, den Vorfall im UN-Sicherheitsrat zu behandeln, der seiner Verantwortung gerecht werden müsse. Nach dem Abschluss der UN-Untersuchungsmission müsse umgehend ein Bericht an den UN-Sicherheitsrat erfolgen, damit dieser handeln könne.

Anschließend telefonierte Merkel mit Cameron. Beide waren sich einig: "Der flächendeckende Einsatz von Giftgas gegen die syrische Zivilbevölkerung ist inzwischen hinreichend belegt. Und: Das syrische Regime verfügt über die entsprechenden Kampfstoffe, das Know-how zu dessen Einsatz und die Träger für dessen Ausbringung." Dieser Giftgasangriff sei eine Zäsur in dem schon lange andauernden internen Konflikt. Das syrische Regime darf nicht hoffen, diese Art der völkerrechtswidrigen Kriegführung ungestraft fortsetzen zu können.

Die Vorbereitungen sind bereits in vollem Gange. Hier landet eine Maschine der US Air Force auf dem Stützpunkt Incirlik in der Türkei.

Die Vorbereitungen sind bereits in vollem Gange. Hier landet eine Maschine der US Air Force auf dem Stützpunkt Incirlik in der Türkei.

(Foto: AP)

Merkel begrüßte nachdrücklich die britische Initiative zur Befassung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Beide hoffen, dass "kein Mitglied des Sicherheitsrates vor diesem Verbrechen an der Menschheit die Augen verschließen wird und dass entsprechende Konsequenzen beschlossen werden". Merkel, Cameron und Obama wollten sich weiter über das mögliche Vorgehen gegen das Assad-Regime abstimmen.

Am Nachmittag hatte Merkel zudem mit Frankreichs Staatschef François Hollande gesprochen. Im Elysée-Palast in Paris hieß es, bei dem Telefonat sei es um den besten Weg gegangen, "die Lehren aus der Arbeit der UN-Inspektoren" zu ziehen. Beide hätten auch die Kontakte und den Austausch unter den Alliierten angesichts der Diskussion um einen Militäreinsatz in Syrien erörtert.

Auch Moskau solle handeln

Ein weiteres Telefonat führte Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut Merkels Sprecher, Steffen Seibert, seien sich beide darin einig gewesen, dass der Konflikt nur politisch gelöst werden könne und die Bemühungen um eine internationale Syrienkonferenz fortgesetzt werden müssten. Merkel habe bei Putin dafür geworben, die Verhandlungen im Weltsicherheitsrat für eine schnelle, einmütige internationale Reaktion zu nutzen.

Obama hatte zuvor versichert, die Entscheidung über einen Einsatz sei noch nicht gefallen. Der US-Botschafter in Israel, Daniel Shapiro, präzisierte aber, Washington sei sich mit den Nato-Partnern und der Arabischen Liga einig, dass man gegen Syrien vorgehen müsse. Es werde eine "starke und ernsthafte Reaktion" der USA geben. "Das syrische Regime hat Chemiewaffen in großem Umfang gegen Zivilisten eingesetzt, gegen Frauen und Kinder, und darauf muss es eine Reaktion geben", sagte Shapiro.

Assad will sich gegen Angriffe verteidigen

Ihren Bericht werden die UN-Experten vermutlich erst am Samstag präsentieren.

Ihren Bericht werden die UN-Experten vermutlich erst am Samstag präsentieren.

(Foto: dpa)

Derweil appellierte Assad an den Kampfgeist seiner Anhänger. " Dies ist eine historische Herausforderung, aus der wir als Sieger hervorgehen werden", sagte Assad vor Vertretern seiner Führung. "Seit dem Beginn der Krise warten wir darauf, dass unser wahrer Feind sich zeigt", sagte Assad demnach. Er wisse, "dass Eure Moral gut ist und dass Ihr bereit seid, jeder Aggression zu trotzen und das Vaterland zu schützen".

Auch bei einem Treffen mit Politikern aus dem Jemen zeigte sich Assad kämpferisch. "Syrien wird sich gegen jegliche Aggression verteidigen", sagte er nach Angaben des Staatsfernsehens bei dem Treffen. Syrien halte angesichts der Gefahr einer internationalen Militärintervention in seinem Land noch stärker an seinen Grundsätzen und seiner Unabhängigkeit fest.

Russland lässt Kriegsschiffe nur "rotieren"

Zuvor hatte Moskau angekündigt, Kriegsschiffe ins Mittelmeer zu entsenden. Wie ein ranghoher Sprecher des Oberkommandos der russischen Kriegsmarine RIA Novosti sagte, hat die Entsendung "nichts mit der Zuspitzung der Situation um Syrien" zu tun. Es handele sich vielmehr um eine "Rotation": "Die Schiffe, die sowohl im Mittelmeer als auch in anderen Regionen der Welt kreuzen, operieren gemäß dem Plan des Oberkommandos der Seekriegsflotte und des Generalstabs", sagte der Sprecher. "Nach der Erfüllung ihrer Aufgaben kehren die Schiffe in ihre Stützpunkte zurück oder lösen andere Schiffe zur weiteren Erfüllung der gestellten Aufgaben ab. Es handelt sich dabei um eine planmäßige Rotation." Zuvor hatte ein Vertreter des russischen Generalstabs gesagt, dass die "bekannte Lage, die im östlichen Mittelmeer heraufzieht, eine Anpassung unserer Seestreitkräfte nötig" macht.

Im Mittelmeer sind auch mehrere Kriegsschiffe der USA unterwegs, von denen aus Raketenangriffe auf Ziele im Anrainerstaat Syrien möglich wären.

Großbritannien schickte indes sechs Kampfflugzeuge nach Zypern. Die Kampfjets vom Typ Typhoon würden am Stützpunkt Akrotiri stationiert, teilte das Verteidigungsministerium mit. Es handele sich um eine "reine Vorsichtsmaßnahme, um die britischen Interessen zu schützen", etwa durch die Verteidigung britischer Hoheitsgebiete. Die Flugzeuge sollen angeblich nicht an möglichen Einsätzen gegen Syrien teilnehmen.

Vorbereitung auf Giftgasopfer

Die türkische Armee bereitet sich auf mögliche Vergeltungsaktionen nach den erwarteten US-Angriffen vor. In der Provinz Hatay an der Grenze zu Syrien seien Luftabwehrraketen in Stellung gebracht worden, berichteten mehrere Zeitungen. Die türkische Luftwaffenbasis in Diyarbakir, rund hundert Kilometer nördlich der Grenze, wurde demnach um 20 zusätzliche Kampfjets verstärkt. Die zivilen Behörden in der Grenzregion bereiten den Berichten zufolge die Behandlung von Giftgasopfern vor.

Merkel appelliert an die Bundesbürger

Bundeskanzlerin Angela Merkel rief unterdessen die Bevölkerung in Deutschland dazu auf, Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien "willkommen zu heißen". Jeder wisse, "was sie durchgemacht haben", sagte Merkel der "Mittelbayerischen Zeitung".

Die Bundesrepublik hatte im März zugesagt, 5000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Zuletzt hatte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den Bund und die Kommunen aufgefordert, mehr Menschen aus Syrien Zuflucht zu gewähren. Denn insgesamt sind mehr als 1,9 Millionen Syrer aus dem Bürgerkriegsland in die benachbarten Staaten geflohen. Besonders betroffen sind Jordanien, die Türkei und der Libanon.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP

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