Autonomie-Referenden in Italien Los von Rom – aber nicht wirklich
21.10.2017, 12:30 Uhr
Erst Katalonien, dann Venetien und die Lombardei? Am Sonntag stimmen die reichsten Regionen in Italien über mehr Autonomie ab. Doch zu Katalonien gibt es einen wichtigen Unterschied.
Roberto Maroni, Präsident der Lombardei, wiederholte es Mittwoch gleich zu Beginn der Pressekonferenz in Mailand: "Die diesen Sonntag in der Lombardei und Venetien stattfindende Volksabstimmung hat nichts, aber überhaupt nichts mit etwaigen Sezessionsbestrebungen zu tun. Unser Ziel ist es, mehr Autonomie von Rom zu erhalten, dies aber im Rahmen der nationalen Einheit, die niemand von uns infrage stellt." Außerdem sehe die italienische Verfassung die Ausweitung der regionalen Kompetenzen ausdrücklich vor, jeder Vergleich mit den Sezessionsbestrebungen der Katalanen sei also fehl am Platz.
Ungelegen kam Maroni der Streit zwischen Katalonien und Madrid allerdings nicht wirklich. Denn allein diesem verdankt er, dass sogar die "New York Times" über die Abstimmung am Sonntag berichtete.
Initiator des Autonomiereferendums war neben Maroni auch Luca Zaia, Gouverneur der Region Venetien. Beide gehören zur populistischen und föderalistisch geprägten Lega Nord. Einst forderte diese, damals noch unter der Führung ihres Gründers Umberto Bossi, lauthals die Sezession. Ihre Kampfansage lautete "Weg von 'Roma ladrona'", dem räuberischen Rom. Heute scheint man sich schon mit mehr Autonomie in Sachen Bildung, Umweltschutz, Ziviljustiz, Kulturgüter und internationale Beziehungen zufrieden geben zu wollen. Auch wenn es in erster Linie um eines geht: Geld.
Die Lombardei und Venetien sind Italiens reichste Regionen. Die Lombardei überweist derzeit Steuergelder in Höhe von 57,6 Milliarden Euro pro Jahr nach Rom. Aus Venetien fließen jährlich 19,3 Milliarden Euro nach Rom. Im Falle von mehr Autonomie würden sie in Zukunft mindestens die Hälfte der Steuereinnahmen, die jetzt Rom zukommen, behalten dürfen.
Ob sich dieser Wunsch erfüllen wird, hängt jetzt auch von den insgesamt 11 Millionen Wahlberechtigen der Lombardei und Venetiens ab. In Venetien hofft und rechnet Präsident Zaia mit einer regen Wahlbeteiligung. Zum einen, weil sich seine Mitbürger schon seit langem nach mehr Autonomie sehnen, was auch damit zu tun hat, dass man gleich an zwei Regionen mit Sonderstatut grenzt: Trentino-Südtirol und Friaul-Julisch Venetien. Zum anderen, weil hier aufgrund einer regionalen Verordnung das Quorum von 50 Prozent plus einer Stimme erreicht werden muss, damit das Ergebnis gültig ist.
Berlusconi redet Anhängern ins Gewissen
In der Lombardei ist stattdessen kein Quorum vorgeschrieben und das macht Maronis Unterfangen leichter. Denn wirklich begeistern können sich die Lombarden nicht für das Thema. Es war also ein gewiefter Zug seinerseits, am Mittwoch zu verkünden, man wäre schon mit einer Wahlbeteiligung von 34 Prozent zufrieden.
Eine zwar niedrig gehaltene Latte, die sich aber trotzdem als zu hoch erweisen könnte, weswegen der Gouverneur auch Silvio Berlusconi zur Pressekonferenz eingeladen hatte. Der Cavaliere sollte noch einmal seinen Anhängern ins Gewissen reden, sie zum Urnengang anspornen. Berlusconi lieferte die gewünschte Show und versprach weiter, mehr regionale Autonomie für alle Regionen werde ein zentraler Punkt des nächsten Wahlprogramms sein. Auch die 5-Sterne-Bewegung und einige sozialdemokratische Bürgermeister wie der Mailänder Giuseppe Sala unterstützen das Referendum.
Die Parteispitze der Sozialdemokraten sowie die Front der linken Splitterparteien und die Rechten von Fratelli d’Italia sind wiederum dagegen. Schließlich ist das Ergebnis für Rom nicht bindend. Und sollte die Regierung den Autonomiewünschen auch entgegenkommen, müssten diese noch von den zwei Parlamentskammern mit absoluter Mehrheit bewilligt werden.
Außerdem kritisieren sie die Kosten der Abstimmung. Die 50 Millionen Euro, die allein der Lombardei das Referendum kostet, weil diese unbedingt die klassischen Wahlkarten mit Tablets ersetzen wollte, seien herausgeschmissenes Geld. Einfacher und vor allem kostenlos, wäre es gewesen, mit dem Anliegen direkt zum Premier Paolo Gentiloni zu gehen, wie es erst vor ein paar Tagen der Präsident der Region Emilia Romagna gemacht hatte, kontern die Gegner des Referendums.
Quelle: ntv.de