Die Linke verliert ihren ehemaligen Parteichef Lothar Bisky ist tot
13.08.2013, 16:55 Uhr
Lothar Bisky bei einer Kulturveranstaltung in Hohen Neuendorf.
Lothar Bisky war die prägende Gestalt der ostdeutschen PDS. Und auch in der aus ihr hervorgegangenen Linkspartei nahm er eine führende Rolle ein. Er galt als Mann der leisen Töne, als guter Strippenzieher und Streitschlichter. Jetzt ist er im Alter von 71 Jahren gestorben.
Der langjährige Parteichef der Linken, Lothar Bisky, ist tot. Wie Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi in Berlin mitteilte, verstarb Bisky am Dienstag im Alter von 71 Jahren. Gysi drückte seine "tiefe Trauer" über den Tod seines Weggefährten aus. Bisky war allseits geachtet. In der Linken galt er als Mittler zwischen den zerstrittenen Parteiflügeln. Dabei wurde er selbst den regierungswilligen Reformern zugerechnet.
Die Führung der Linkspartei würdigte Bisky als "starken Streiter für soziale Gerechtigkeit". "Die Bundesrepublik Deutschland verliert einen großen Mitgestalter der Gegenwart. Europa verliert einen engagierten Kämpfer für das Projekt einer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einigung des Kontinents", erklärten die Linke-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger. "Wir trauen um einen Menschen mit einem höchstanständigen Charakter, mit großer Toleranz, mit tiefem Mitgefühl, mit einem tiefsinnigen Humor und mit größter Bescheidenheit." Bisky habe die Partei entscheidend geprägt.
Außenminister Guido Westerwelle sagte, er habe vor allem Biskys Kollegialität, seine Verbindlichkeit und seine Liebe zur Kultur geschätzt. Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir erklärten: "Er war ein überzeugter Europäer und streitfreudig, immer fair und an ehrlichen Diskussionen interessiert."
Der Fraktionschef der Linken im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, schrieb auf Twitter: "Wir trauern um unseren langjährigen Vorsitzenden. Lothar Bisky haben wir ganz viel zu verdanken." EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich ebenfalls tief bestürzt über den Tod Biskys und twitterte: "Ein menschlich großartiger Kollege. Schwerer Verlust für die pragmatische Linke Europas." Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner schrieb: "Der Tod von Lothar Bisky ist traurig. Ein besonnener und angenehmer Gesprächspartner, der für eine pragmatische politische Linke stand." Der Generalsekretär der Thüringer FDP, Patrick Kurth, twitterte: "Lothar Bisky gestorben. Bin erschrocken."
Der am 17. August 1941 in Pommern Geborene wuchs in Schleswig-Holstein auf. Als 18-Jähriger ging er in die DDR, weil er hier eine bessere Zukunftsperspektive sah. 1963 trat er in die SED ein. Bisky studierte Philosophie und Kulturwissenschaften. Von 1986 bis 1990 war er Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg. Erst mit der Wende kam er in die Politik, im November 1989 redete er kurz vor dem Mauerfall zu hunderttausenden Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz.
Von 1993 bis 2000 und 2003 bis 2007 war er Vorsitzender der PDS. Nach der Fusion mit der westdeutschen WASG führte er von 2007 bis 2010 die neugegründete Partei "Die Linke" zusammen mit Oskar Lafontaine. Anders als Lafontaine mied Bisky als Parteichef eher das Scheinwerferlicht.
Im März trat er als Fraktionsvorsitzender der Linken im Europaparlament zurück. Als Grund gab er auch gesundheitliche Probleme an.
Über gemeinsame Wurzeln nachdenken
Bisky hatte immer wieder für ein neues Verhältnis zur Sozialdemokratie plädiert und langfristig einen Zusammenschluss von Linken und SPD für möglich gehalten. "Das ist vielleicht ein Projekt der nächsten Generation", sagte er vor rund einem Jahr vor Journalisten in Berlin. Kurzfristig sei es nicht möglich, da die Geschichte zu viele Narben hinterlassen habe. "Aber die Jüngeren sind vernünftig genug, die werden sagen: Lasst die Alten doch dackeln, wir machen unser Zeug. Das finde ich auch in Ordnung."
Der Bruderkrieg zwischen Linken und SPD habe nichts gebracht. Der "Genosse Spaltpilz" sei nach wie vor eine große Gefahr für die Linke insgesamt. Man müsse über "gemeinsame Wurzeln" nachdenken. Seine Partei müsse zudem "historische Fehler eingestehen, etwa die Unterwerfung der Sozialdemokratie in der DDR".
Stasi-Vorwürfe halten sich hartnäckig
Gegen Bisky war immer wieder der Verdacht aufgetaucht, selbst für die Stasi gearbeitet zu haben. Erstmals wurde der Verdacht 1995 laut, als in der Stasi-Akte seiner Ehefrau entsprechende Hinweise gefunden wurden. Als Medienwissenschaftler hatte Bisky zu DDR-Zeiten auch an Veranstaltungen im westlichen Ausland teilnehmen können, hinterher musste er jedoch jedes Mal dem MfS Bericht erstatten. Damals sprach man den "für seine Position üblichen" offiziellen Kontakte zum MfS. Eine Verpflichtung hatte er nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse jedoch nie unterschrieben. Dies in der Regel die Voraussetzung für eine inoffizielle Mitarbeit gewesen. Was Biskys sogenannte "Reiseberichte" für die Stasi wirklich enthielten, ist bis heute nicht bekannt.
Lothar Bisky war verheiratet und hat mit seiner Frau Almuth drei Söhne. Der älteste Sohn, Jens Bisky, ist Journalist und Schriftsteller; der zweitgeborene Sohn, Norbert Bisky, ist Maler. Der jüngste Sohn Stephan Bisky starb im Dezember 2008 im Alter von 23 Jahren in Edinburgh.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa