Politik

"Aus Verzweiflung wird es dreckig" "Lügen" begleiten NRW-Wahlkampf

Von wegen beschaulich: Erst jetzt wird getreten.

Von wegen beschaulich: Erst jetzt wird getreten.

(Foto: REUTERS)

Vor zwei Jahren stolpert Rüttgers. Er soll Gespräche und Auftritte gegen Geld angeboten haben. Der Skandal trifft den CDU-Ministerpräsidenten mitten im Wahlkampf. Er wird abgewählt. Zwei Jahre später und wenige Tage vor der Landtagswahl gerät jetzt Nachfolgerin Kraft ins Visier der CDU. Auf der Zielgeraden des Wahlkampfs wird es ungemütlich.

Bisher blieb der Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen weitgehend ruhig: keine Skandale, keine Aufreger, nur laues Plätschern. Doch jetzt kursiert dieses Gerücht, das wenige Tage vor der Wahl für Unruhe sorgt. Es verbreitet sich ganz beiläufig, in einer CDU-internen Mail. Die "WAZ" habe nach einem Anruf von Hannelore Kraft bei Chefredakteur Ulrich Reitz auf eine Veröffentlichung verzichtet. "Und die Ministerpräsidentin soll weitere Chefredaktionen in NRW angerufen haben", schreibt der Geschäftsführer eines CDU-Kreisverbandes in der Mail, die n-tv.de vorliegt. Die "WAZ" und auch der Sprecher der Düsseldorfer Staatskanzlei, Thomas Breustedt, widersprechen den Äußerungen.

Es geht um die Frage, ob die Regierung nach dem Wahlkampf 2010 lukrative Aufträge an die Agentur eines früheren Journalisten vergeben hat. Der Agenturgründer Karl-Heinz Steinkühler soll laut "Stern" vor zwei Jahren mit anonymen Enthüllungen als Autor des Blogs "Wir-in-NRW" mitgeholfen haben, die Vorgängerregierung von Jürgen Rüttgers aus dem Amt zu hebeln.

Ungünstiger Zeitpunkt: Hannelore Kraft stellt sich am Wochenende zur Wiederwahl.

Ungünstiger Zeitpunkt: Hannelore Kraft stellt sich am Wochenende zur Wiederwahl.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit einigen Tagen sollen Journalisten zu den Vorwürfen gegen Kraft recherchiert und Anfragen an die Staatskanzlei gestellt haben. "Wir haben Hinweise von Journalisten bekommen", sagt Josef Hovenjürgen, Mitglied des CDU-Landesvorstands, im Gespräch mit n-tv.de. Es habe ausrecherchierte, veröffentlichungsfähige Artikel gegeben. Doch als Kraft Wind davon bekommen habe, soll sie bei verschiedenen Chefredaktionen interveniert haben.

NRW-Regierungssprecher Breustedt sagte gegenüber n-tv.de, dass es sich um eine "unwahre Behauptung" der CDU handele. "Die CDU lügt", so der Sprecher. "Sie setzt in ihrer Verzweiflung auf einen dreckigen Abschlusswahlkampf."

Auch die "WAZ" hat inzwischen der CDU-Mail widersprochen. "Es gibt keinen Einfluss von Hannelore Kraft auf die Berichterstattung unserer Tageszeitung", heißt es in dem Schreiben an einen CDU-Funktionär, dass in dem Webblog "Ruhrbarone" zu lesen ist. Darin fordert der Verlag, die "unwahre Tatsachenbehauptung zu widerrufen".

Mit Makel in die Landtagswahl?

Regierungssprecher Breustedt bestätigte, dass Aufträge an die Agentur "steinkuehler-com" vergeben worden seien. So gab das Familienministerium seit 2010 35 Publikationen in Auftrag, davon fünf mit einem Umfang von 300.000 Euro an die Agentur von Steinkühler. In allen Vergabeverfahren habe jeweils das beste und wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten, erklärte Breustedt. Kraft reagiert bei Twitter auf die Vorwürfe der CDU: "Ich frage mich, was das soll. Da ist nichts dran. Lauter nicht belegte Unterstellungen", schreibt die Ministerpräsidentin.

Für CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann und CDU-Generalsekretär Oliver Wittke reicht die Erklärung nicht aus. Die CDU wolle weder "Kapital aus dieser Situation schlagen" noch eine "Schmutzkampagne" anzetteln, meinte Wittke. Aufklärung sei aber nötig.

Die CDU will jetzt wissen, ob der Landesregierung zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe an die Agentur "steinkuehler-com" bekannt war, dass Steinkühler ein wesentlicher Autor des Blogs "Wir-in-NRW" war. In ihrer Frageliste verlangen die Christdemokraten auch genaue Auskunft über das Vergabe- und Auswahlverfahren. Zugleich kündigte Laumann an, die CDU wolle die parlamentarischen Gremien mit dem Vorgang befassen - nach der Wahl. Er sei gespannt, ob Kraft sich äußern werde, sagte Laumann. "Wenn ich Landesregierung wäre, würde ich mit dem Makel nicht in die Landtagswahl ziehen."

Im Wahlkampf 2010 hatte das Webblog "Wir-in-NRW" starken Einfluss auf die politische Meinungsbildung genommen. Unter Pseudonymen des Schriftstellers Kurt Tucholsky veröffentlichten Autoren mehrere Enthüllungen, die ausschließlich Rüttgers' CDU trafen. Dazu zählten Dokumente zur "Rent-a-Rüttgers-Affäre" um Angebote für bezahlte Gespräche mit dem Ministerpräsidenten sowie Peinlichkeiten aus dem E-Mail-Verkehr zwischen der Düsseldorfer Staatskanzlei und der CDU-Zentrale.

Rüttgers Popularität litt infolge der Affäre beträchtlich. Bei der Landtagswahl erhielt er schließlich nur 34,6 Prozent der Stimmen und damit das schlechteste Ergebnis der CDU in der Geschichte des Bundeslandes. Das Blog erhielt im November 2010 den Medienprojektpreis der Otto-Brenner-Stiftung, die der IG Metall angehört.

Quelle: ntv.de, mit dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen