Proteste gegen steigende Preise Lukaschenko droht mit Schlägen
14.06.2011, 18:56 Uhr
Mit harter Hand: Polizisten vor dem Prozess gegen den polnischen Journalisten.
(Foto: dpa)
Weißrusslands autokratischer Präsident Lukaschenko droht Internetaktivisten und anderen Oppositionellen persönlich mit Gewalt. "Ich werde das beobachten und dann so hart zuschlagen, dass sie keine Chance haben werden, ins Ausland zu flüchten", droht der Präsident. Die Proteste richten sich gegen die miserable wirtschaftliche Lage - Weißrussland steht vor der Staatspleite, die Lebensmittelpreise steigen.
Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat ein hartes Vorgehen gegen jede weitere oppositionelle Regung angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Misere in seinem Land angekündigt. Er werde die Aufrufe zu neuen Protesten etwa im Internet sorgfältig verfolgen, sagte Lukaschenko nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Belta bei einem Besuch in einem Bezirk außerhalb der Hauptstadt Minsk. "Ich werde das beobachten und dann so hart zuschlagen, dass sie keine Chance haben werden, ins Ausland zu flüchten", drohte der seit 16 Jahren autokratisch regierende Lukaschenko.
Auch gegen die Berichterstattung über die Lage in der früheren Sowjetrepublik gehen die Behörden hart vor. So begann der Prozess gegen einen weißrussischen Korrespondenten einer polnischen Zeitung, dem Beleidigung des Staatschefs vorgeworfen wird. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm vier Jahre Haft. Am Wochenende wurden zudem Bereitschaftspolizisten an den Grenzübergängen zu Polen stationiert, die weißrussische Demonstranten bei einer Protestaktion gegen neue Exportbeschränkungen blockiert hatten. Während viele Bewohner der Grenzregion vom Handel mit dem Nachbarland abhängen, sprach Lukaschenko von "Profitgeiern", die es auf "billiges Benzin, Zigaretten und andere Dinge" abgesehen hätten.
Kleine öffentliche Proteste
In der vergangenen Woche hatte es eine öffentliche Demonstration von Auto- und Motorradfahrern gegen die steigenden Lebensmittel- und Treibstoffpreise gegeben. Die Wiederwahl des Präsidenten für eine vierte Amtszeit hatte im vergangenen Winter zu massiven Unruhen geführt. Ansonsten sind öffentliche Proteste in Weißrussland aber eher ungewöhnlich.

Die Wirtschaft am Boden: Ältere weißrussische Frauen versuchen vor einem Supermarkt in Minsk, Kleidung zu verkaufen.
(Foto: AP)
Die Unzufriedenheit vieler Menschen in Weißrussland macht sich immer stärker auch über das Internet breit. So wird im Netz unter dem Motto "Besiege deine Angst - Werde zum Helden" zu einem Generalstreik am 3. Juli aufgerufen. Selbst die eigentlich loyal zu Lukaschenko stehenden Gewerkschaften haben davor gewarnt, dass die beständig steigenden Lebensmittelpreise zu weiteren Protesten führen werden.
China gibt Milliardenkredit
Angesichts steigender Preise und der Geldentwertung nimmt die Unzufriedenheit der Bevölkerung beständig zu. Die weirussische Wirtschaft liegt am Boden und ist auf ausländisches Kapital angewiesen. So hilft China dem hochverschuldeten Land mit einem Milliardenkredit. Zur Finanzierung von drei gemeinsamen Projekten unterschrieben die chinesische Export-Import-Bank und die weißrussische Regierung eine Kreditvereinbarung über 1,058 Milliarden Dollar (731 Millionen Euro), wie der weißrussische Vize-Regierungschef Anatoli Kosik mitteilte. Peking finanziert damit den Bau einer Fabrik für gebleichten Sulfatzellstoff, die Renovierung einer wichtigen Autobahn und die Elektrifizierung einer Eisenbahnstrecke.
Weißrussland, seit fast 17 Jahren planwirtschaftlich geführt vom autoritären Präsidenten Lukaschenko, steckt in einer schweren Finanzkrise. Erst im Mai musste das Land seine Währung Rubel um mehr als ein Drittel abwerten, seit Jahresanfang hat der Rubel 35 Prozent an Wert verloren. China hat die autoritär regierte Ex-Sowjetrepublik in der Vergangenheit immer wieder mit Krediten in dreistelliger Millionenhöhe unterstützt. Anfang Juni sagten zudem Russland und vier ehemalige Sowjetrepubliken einen Kredit in Höhe von drei Milliarden Dollar zu.
Moskau gewinnt an Einfluss
Moskau stellte aber die Bedingung, dass Weißrussland wichtige Betriebe privatisieren müsse. Die Kredite sind zudem nicht uneigennützig: Der staatlich kontrollierte russische Energieriese Gazprom steht im Gegenzug bereits vor der Übernahme des weißrussischen Energieunternehmens Beltransgaz. Beltransgaz ist zuständig für den Transport von russischem Gas nach Europa.
Die Regierung in Minsk strebt an, das Haushaltsdefizit zu halbieren. Sie will Staatseigentum verkaufen, um neue Hilfen zu erhalten und bemüht sich um Milliardenkredite des Internationalen Währungsfonds. Der IWF macht Hilfen stets von Reformen abhängig. Der Großteil der Betriebe ist noch in Staatshand. Auch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände in den Regionen rufen immer lauter nach einem Anti-Krisen-Plan für das Land mit seinen 9,4 Millionen Einwohnern. Sie sehen Belarus angesichts seiner Auslandsschulden von schon jetzt 28,5 Milliarden Dollar und einer dünnen Reserve von 3,8 Milliarden Dollar vor dem Abgrund.
Die Regierung in Minsk prüft deshalb den Verkauf des staatlichen Kalikonzerns Belaruskali. Eine Veräußerung des weltweit drittgrößten Düngemittelherstellers könnte dem klammen Regime nach Schätzungen von Investmentbanken bis zu 20 Milliarden Dollar in die leeren Kassen spülen. Die Regierung habe bereits Gespräche mit Investoren aus China und Russland geführt, bislang habe man sich aber weder auf einen Preis noch andere Bedingungen einigen können, berichtet das "Wall Street Journal".
Weißrussen fliehen
Moskauer Medien berichteten unterdessen, dass immer mehr Weißrussen nach Massenentlassungen aus den Staatsbetrieben in Russland nach Arbeit suchen. Täglich kämen auf dem Belorussischen Bahnhof in Moskau mehr als 6000 Weißrussen an, heißt es. In Belarus selbst kam es zu Hamsterkäufen etwa in Elektronikläden und sogar von Salz.
Zwar konnten sich die Weißrussen vor der Präsidentenwahl über eine 50-prozentige Erhöhung der Staatslöhne freuen. Dazu musste Lukaschenko aber mehr Geld drucken, wie die Zeitung "Komsomolskaja Prawda" erinnert. Die logische Folge sei der Verfall der Währung.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts