Politik

Abgehört und vorgeführt: Nulands Diplomatie-Patzer Macht Kiew Politik mit dem "F-Wort"?

Victoria Nuland ist die für Europa zuständige Staatssekretärin der USA im Außenministerium und damit eine der ranghöchsten Diplomaten des Landes.

Victoria Nuland ist die für Europa zuständige Staatssekretärin der USA im Außenministerium und damit eine der ranghöchsten Diplomaten des Landes.

(Foto: REUTERS)

Es ist auch eine Machtdemonstration: Spitzenpolitiker der EU und der USA werden abgehört, wenn sie in und mit der Ukraine telefonieren. Washington und Brüssel halten demonstrativ zusammen: Sie wollen sich nicht provozieren lassen. Zumindest nicht öffentlich.

Die Europäische Union gibt sich unaufgeregt. Aber eines steht fest: Das "Fuck the EU" der US-Topdiplomatin Victoria Nuland  in einem Telefonat mit dem US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, war keine wirklich freundliche Bemerkung über die Europäische Union - auch wenn es unterschiedlich schlimme Übersetzungsmöglichkeiten gibt.

Doch die EU trägt die Äußerung demonstrativ mit Fassung. Vielleicht auch deswegen, weil viele Diplomat en in Brüssel bei der Frage, wer das Telefongespräch abgehört haben und wem es nutzen könnte, entweder auf Russland oder zumindest auf die Herrschenden in Kiew tippen.

Die EU und die USA befinden sich ohnehin nicht in einer politischen Kuschelphase. Nach Bekanntwerden des NSA-Abhörskandals sind beide Seiten bemüht, bis zum EU-USA-Gipfel Ende März in Brüssel Wunden zu lecken, Verletzungen zu heilen und zu einer halbwegs normalen Arbeitsatmosphäre zurückzufinden.

Bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA - dem größten und wichtigsten in der Geschichte der Union - geht es schon seit Monaten richtig zur Sache. Man verhandelt aber weiter, weil das Abkommen im Interesse beider Seiten ist. Das Verhältnis beider Seiten ist nicht leidenschaftlich, es ist eine Vernunftbeziehung.

Lauschaktion von russischem Geheimdienst

Zudem hat Nuland mit dem "Scheiß' auf die EU" der Europäischen Union nichts Neues gesagt. "Uns allen ist doch klar, dass sie (die Amerikaner) uns für Weicheier halten", sagt ein Spitzendiplomat in Brüssel. Dass man in Washington die EU für zu zögerlich hält, vor allem wenn es um robuste Militäreinsätze geht, ist kein Geheimnis. Auch nicht, dass die USA von der Vielstimmigkeit der EU in außenpolitischen Fragen genervt sind: In wichtigen Fragen melden sich aus Brüssel gerne gleich drei Präsidenten (Rat, Kommission und Parlament) sowie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu Wort.

Mutmaßungen über eine Lauschaktion von russischem und/oder ukrainischem Geheimdienst erhielten Auftrieb durch die Veröffentlichung eines weiteren Telefonats. Die Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Helga Schmid, teilt dem EU-Botschafter in der Ukraine, Jan Tombinski, "vertraulich" mit: "Die Amerikaner gehen ein bisschen rum und erzählen, dass wir zu weich sind, während sie stärker sind, und auf Sanktionen gehen." Das sei unfair und stimme auch gar nicht. "Das geht nicht. Cathy (Ashton) wird das auch mit (US-Außenminister John) Kerry ansprechen."

Dass von der EU nichts zu halten ist, dass USA und EU insgeheim die Geschicke der Ukraine zu bestimmen versuchen, dass die ukrainische Opposition nur eine Marionette des Westens ist - das sind Botschaften, die Russland schon seit Wochen vor allem an die Ukrainer zu senden versucht. Und offener Streit zwischen Washington und Brüssel käme, meinen Diplomaten, Wladimir Putin und Viktor Janukowitsch gerade recht.

Nur eine flapsige Bemerkung

"Wir kommentieren keine abgehörten angeblichen Telefongespräche", lautet die schmallippige Reaktion Ashtons, die sich seit Dezember um eine Vermittlungsrolle in Kiew bemüht. Eine "flapsige Bemerkung in einem vertraulichen Gespräch" sei das gewesen, sagt ein anderer EU-Diplomat verständnisvoll. "Abgehörte private Unterhaltungen gehören nicht zu den Werkzeugen, mit denen wir der Ukraine helfen wollen", formuliert Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen.

Und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), ansonsten eher ein Mann eruptiver Rhetorik, wollte zu Nuland gar nichts sagen. Nur soviel: "Der Begriff Diplomatin und ihre Wortwahl stehen eigentlich im Widerspruch zueinander." Er identifizierte den Gegner ganz woanders: "Das Gefährliche ist, dass wir ja jeden Tag erneut sehen, dass es nichts mehr in dieser digitalisierten Welt der Geheimdienste gibt, das man noch als geschützt betrachten kann."

"Das beweist, dass die EU existiert", sagt ein anderer EU-Diplomat. Er meint damit weniger die Äußerung Nulands, sondern die Tatsache, dass das abgehörte Telefongespräch in einer offensichtlich geschnittenen Fassung rasch seinen Weg zu YouTube fand.

Und ein Mitarbeiter des russischen Vizeministerpräsidenten Dmitri Rogosin war der erste, der den Rest der Welt auf Nulands freche Worte hinwies. Rogosin und Nuland kennen sich - spätestens seit Anfang 2008, als Nuland US-Botschafterin bei der Nato war und Rogosin sein Amt als russischer Nato-Botschafter antrat. Das Video mit dem Telefon-Ton ist mit russischen Untertiteln versehen. Vielleicht ein Hinweis auf die eigentliche Zielgruppe.

Quelle: ntv.de, Dieter Ebeling, dpa

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