Antibiotika in der Massentierhaltung Mäster und Ärzte bleiben anonym
07.07.2011, 11:43 Uhr
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt Alarm wegen der häufigen und allzu sorglosen Anwendung von Antibiotika.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Deutschland werden unter dem Deckmantel des Datenschutzes keine nach Regionen aufgeschlüsselte Daten über den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung veröffentlicht. Mäster und Tierärzte wären anderenfalls leicht zu identifizieren. Für den obersten Datenschützer Peter Schaar besteht kein Anlass zu Änderungen.
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen dringen auf umfassendere Kontrollen des Einsatzes von Antibiotika bei der Geflügel-Massenhaltung. Unter dem Deckmantel des Datenschutzes würden weiter keine nach Regionen aufgeschlüsselten Daten dazu erhoben, kritisieren die Agrarministerien beider Länder, wie der NDR berichtet. Gegen eine Ausnahmeregelung des Bundesagrarministeriums bei Geflügel hielten sie sich daher eine Bundesratsinitiative offen.
Über das Informationssystem DIMDI würden zwar Daten gesammelt, die Informationen über den Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung liefern, so der NDR. Allerdings würden nur die ersten beiden Ziffern der Postleitzahl des verordnenden Tierarztes dokumentiert. Dies habe das Bundeslandwirtschaftsministerium damit begründet, dass in Niedersachsen nur wenige darauf spezialisierte Tierärzte praktizieren. So wären Mäster und Praxen leicht zu identifizieren. Das sei mit dem Datenschutz nicht vereinbar, argumentiert das Ministerium.

Für Schaar ist der Verbraucherschutz wichtig. Diese Daten würden auch veröffentlicht. Ross und Reiter müssten hingegen nicht genannt werden.
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Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht in der Datenschutzpraxis keine Probleme. Er habe die Vorwürfe eingehend geprüft, sagte Schaar dem NDR. Das Ministerium sehe keinen Anlass zu Änderungen. Im vergangenen Jahr hatte Niedersachsen festgestellt, dass der Antibiotika-Einsatz in der Hähnchenmast rapide gestiegen ist. Auch in Nordrhein-Westfalen läuft seit Jahresbeginn eine umfangreiche Untersuchung. Darin wird erfasst, in welchen Betrieben wie viele Medikamente eingesetzt werden.
Hintergrund ist die sogenannte Antibiotika-Resistenz. Dabei drohen immer mehr Antibiotika als sichere Therapiemöglichkeit auszufallen, weil Bakterien unempfindlich werden. Das Robert-Koch-Institut hatte in diesem Zusammenhang von einer gesprochen, "die zunehmend stumpf geworden ist". Schuld daran sei die ausufernde Verordnung dieser Medikamente.
Mensch steht unter ständigem Beschuss
Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Einsatz von Antibiotika weltweit zu über 50 Prozent in die Tiermast geht. Edmund Haferbeck, der die Tierrechteorganisation PETA berät, verwies im auf zahlreiche Studien, die belegen, dass die in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika durch die Nahrungskette beim Menschen angelangt sind. US-Studien hätten belegt, dass 1995 erst elf Prozent der Bakterienproben den sogenannten Makrolid-Antibiotika widerstanden hätten, vier Jahre später seien es schon mehr als 20 Prozent und 2007 bereits 30 Prozent gewesen. Für Haferbeck ist das eine logische Entwicklung, denn der Mensch "steht unter einem ständigen Antibiotika-Einfluss", auch wenn er bewusst keine Medikamente zu sich nimmt.
Über einen "bedenkenlosen Einsatz von Antibiotika" klagte unlängst auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Er kritisierte, dass in Deutschland viel zu oft Antibiotika verschrieben würden. "In Deutschland müssen Antibiotika gezielter eingesetzt werden, um Resistenzen zu vermeiden", sagte Bahr der "Bild am Sonntag". Derzeit würden diese "oft zu breit und nicht spezifisch genug eingesetzt". Der FDP-Politiker verwies auf Pläne der Bundesregierung, den Antibiotikaverbrauch zumindest in Krankenhäusern künftig zu erfassen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa