Todesurteil im Sudan Mariam Ibrahim bleiben zwei Jahre
19.05.2014, 17:29 Uhr
Das Gericht in Khartum hat sein Urteil gefällt. Doch der Anwalt von Mariam Ibrahim will alle Instanzen durchfechten.
(Foto: dpa)
Selbst nach streng islamischen Maßstäben ist der Fall der zum Tode verurteilten schwangeren Christin im Sudan nicht eindeutig. Dem Anwalt der jungen Mutter bleiben nun zwei Jahre - so lange darf sie nach der Geburt ihres Babys weiterleben.

Mit ihrem knapp zwei Jahre alten ersten Sohn (Abbildung nicht verifiziert) sitzt die 27 Jahre alte Ärztin in einem Frauengefängnis in Khartum und wartet auf die Geburt ihres zweiten Kindes - ohne medizinische Unterstützung.
(Foto: Twitter/@KinderEric)
Vielleicht hat Mariam Jahya Ibrahim noch eine Chance. Sie soll sterben, weil sie als Tochter eines Muslims als Christin lebt und einen Christen aus dem Südsudan geheiratet hat. Sie erwartet in wenigen Wochen ihr zweites Kind. Es wird im Gefängnis zur Welt kommen, wo die 27-Jährige mit ihrem 20 Monate alten ersten Sohn sitzt. Beiden soll es wegen der katastrophalen Hygiene dort gesundheitlich schlecht gehen, die Schwangerschaft ist zudem kompliziert, wie CNN berichtet. Mariams Ehemann hat dem Sender nach dem Urteil ein verzweifeltes Interview gegeben. Er wisse nicht, was er tun solle, außer zu beten.
Doch vielleicht werden die Gebete von Daniel Wani ja erhört. Das Schicksal der jungen Christin bewegt die Welt. Das allein reicht zwar nicht, um ihr Leben zu retten. Doch die Aufmerksamkeit ist da für ein Urteil, das an Grausamkeit und Ignoranz kaum zu übertreffen ist. Ein Gericht hat Mariam Jahya Ibrahim vor wenigen Tagen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum zum Tod durch Erhängen verurteilt. Das empört nicht nur die westliche Welt, sondern auch Muslime im Sudan und anderswo. Denn so klar, wie das Gericht in Khartum die Sache aus einer verengten Sicht auf Gesetze und vermeintliches islamisches Recht dargestellt hat, ist sie lange nicht.
Zunächst einmal bleiben dem Anwalt von Mariam Ibrahim und den Menschenrechtsorganisationen nunmehr zwei Jahre, um das Urteil anzufechten. Denn nach der Geburt des Babys soll Ibrahim zwei Jahre Zeit haben, es zu stillen. Ihr Anwalt Muhannad Mustafa al-Nur kündigte direkt nach dem Prozess an, durch alle verfügbaren Instanzen zu gehen. Auch der Sprecher des sudanesischen Parlaments, Fatih Izz al-Din, geht offenbar davon aus, dass das Urteil noch nicht endgültig ist. Ein weiterer Hoffnungsschimmer könnte sein, dass Daniel Wani angeblich auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt. Allerdings hat er offenbar beklagt, dass die USA bisher nicht besonders tatkräftig geholfen hätten.
Von Verwandten angeschwärzt
Dass es überhaupt so weit kam, dass Mariam Ibrahim vor Gericht landete, ist die erste tragische Geschichte, die viel weiter zurückreicht als der Vorwurf der Gotteslästerung mit dem jetzt ergangenen Urteil. Ein Verwandter - womöglich väterlicherseits - hatte offenbar Anstoß an ihrer Ehe mit dem Südsudanesen Daniel Wani genommen, mit dem sie seit 2011 verheiratet ist. Dadurch wurden die Behörden auf den Fall aufmerksam. Im August 2013 wurde Mariam zum ersten Mal festgenommen. Ob sie zu dem Zeitpunkt schon schwanger war, ist nicht klar. Zunächst lautete der Vorwurf nur auf Unzucht oder Ehebruch, weil die junge Frau nach sudanesischem Recht als Muslimin gilt und deshalb keinen Christen heiraten darf.
Auch deshalb ist der Fall so besonders. Mariam Ibrahim hat zwar einen muslimischen Vater, doch der verließ ihre Mutter und die Kinder, als sie sechs Jahre alt war. Die Mutter ist eine orthodoxe Äthiopierin, die ihre Kinder in diesem Glauben aufzog. Erst nachdem Ibrahim auf den Vorwurf der Unzucht entgegnet hatte, sie sei doch aber Christin, zog das die Anklage wegen Gotteslästerung nach sich. Nachdem das Gericht ihr vergangene Woche im Prozess drei Tage Zeit gegeben hatte, ihren Glauben zu widerrufen und sich zum Islam zu bekennen, hatte sie wieder gesagt: "Ich bin Christin und bin nie vom Glauben abgefallen." Darauf folgte das Todesurteil.
"Sie ist eindeutig keine ehemalige Muslima"
Die sudanesische Autorin Dallia Abd al-Munim schreibt in einer Analyse auf dem Onlineportal von Al-Dschasira folgerichtig: "Ganz abgesehen davon, dass die Verfassung des Sudan das Recht schützt, seinen Glauben selbst zu wählen, ist es in Mariams Fall so, dass sie dem Islam niemals abgeschworen hat, weil sie nie eine Muslima war. Vermutlich hat sie ihr Leben nie als Muslima geführt und niemals behauptet, eine zu sein. Und auch hat sie nie erklärt, sie verlasse ihren Glauben, um ihr Heil in einem anderen zu finden. Mariam ist eine Christin und ganz eindeutig nicht 'ehemalige Muslima'."
Abd al-Munim zitiert Islamwissenschaftler und Koranstellen, die zeigen, dass Apostasie selbst aus schrifttreuer Sicht nicht zwingend ein Vergehen ist, das mit dem Tode bestraft werden muss. Doch im Mittelpunkt des Falles von Mariam Ibrahim, so die Autorin, stehe die Frage, ob "ein Staat oder eine religiöse Instanz oder eine gesellschaftliche Gruppe überhaupt einer Person vorschreiben darf, was er oder sie glauben oder nicht glauben solle".
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat inzwischen eine Kampagne gegen das sudanesische Urteil gestartet. Amnesty betrachtet Mariam Ibrahim als politische Gefangene und fordert die sofortige Freilassung. Der Amnesty-Direktor für Regierungskontakte in den USA, Adotei Akwei, sagte, Sudan verletze nicht nur seine Pflichten als Uno-Mitglied, sondern auch afrikanische Menschenrechtsstandards, wenn es bei diesem Urteil bleibe. Doch Kampagnen allein hülfen nicht, betonte Akwei bei CNN: "Andere afrikanische Regierungen müssen sich empören und Druck auf die Regierung des Sudan ausüben", sagte er. "Wir können die Diskriminierung von Frauen in diesen Glaubensfragen nicht hinnehmen."
Quelle: ntv.de