"Arbeitsfanatiker" wird EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gewählt
17.01.2012, 11:08 Uhr
Schulz gilt als "hyperaktiver Arbeitsfanatiker", der Dinge auf den Punkt bringt.
(Foto: dapd)
Schon im ersten Wahlgang gelingt es Martin Schulz, der deutsche Sozialdemokrat wird Präsident des Europaparlaments. Und er macht klar: Den "Grüß-August" spielt er nicht. Vielmehr will er dem Parlament eine "starke Stimme" geben und dessen Rechte zur Not auch erstreiten.
Der deutsche Sozialdemokrat ist neuer Präsident des Europaparlaments. Der bisherige Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten erreichte in Straßburg bereits im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen. 387 von 699 anwesenden Abgeordneten stimmten für ihn.
Schulz amtiert für die nächsten zweieinhalb Jahre bis zur Europawahl 2014. Seine Kandidatur folgte einer Absprache zwischen konservativer EVP und Sozialisten nach der Wahl 2009: In der ersten Hälfte der Legislaturperiode führte der konservative Polen Jerzy Buzek, nun übernimmt Schulz.
Schulz bedankte sich für das "überwältigende Ergebnis" und versprach alles zu tun, um dem Europaparlament eine "starke Stimme zu geben". Zugleich sagte er der zunehmenden "Vergipfelung der EU, der Inflation und der Fixierung auf die Treffen der Regierungschefs" den Kampf an.
Durch dieses System werde das einzig direkt gewählte Organ der EU, das Europaparlament, von den Entscheidungsprozessen weitgehend ausgeschlossen. Dies werde von den Bürgern als "Diktat aus Brüssel" empfunden. "Dem wird das Europäische Parlament nicht tatenlos zusehen", rief Schulz unter dem Applaus der Abgeordneten.
Keine Angst vor Konfrontation
Auch im Interview kündigte Schulz nach der Wahl an, dem Parlament mehr Gehör verschaffen zu wollen. "Wir als Parlament handeln zwar gleichberechtigt mit Rat und Kommission, werden aber nicht als gleichberechtigt wahrgenommen", sagte er. "Und das zu ändern, ist eine wichtige Aufgabe des Präsidenten. Wenn das nicht konsensual geht, geht das im Konflikt. Die historische Erfahrung lehrt, dass Parlamentsrechte in der Regel erstritten und nicht verschenkt wurden."
Schulz hat bereits vor seiner Wahl klargestellt, dass er anders als seine Vorgänger im Amt des Parlamtspräsidenten nicht den "Grüß-August" spielen wolle. Dies glaubt auch der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold. Schulz werde "dem Europäischen Parlament eine lautere Stimme geben", sagte er n-tv.de. Das sei gerade bei den aktuellen Auseinandersetzungen über die Verfassung der EU und der Eurozone wichtig.
Seit zwei Jahren, seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, hat das 1952 gegründete Parlament deutlich mehr Rechte. Ohne Zustimmung der Abgeordneten läuft auch im Kampf um die Stabilität des Euro und gegen den zunehmenden Vertrauensverlust bei den Bürgern nichts mehr. Dennoch wird noch immer viel hinter verschlossenen Türen entschieden.
Die Wahl des SPD-Politikers, der dem Parlament seit 1994 angehört und seit 2004 die Fraktion der Sozialisten und Sozialdemokraten leitete, galt als sicher. Außer Schulz hatten sich noch die britische Liberale Diana Wallis und ihr konservativer Landsmann Nirj Deva um das höchste Amt im Europaparlament beworben, denen aber von vornherein keine Chancen eingeräumt wurden.
Quelle: ntv.de, ghö/hvo/dpa/AFP